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Korrespondenzadresse: Dr. med. Christian Volberg. Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie, AG Ethik in der Medizin, Universitätsklinikum Marburg, Baldingerstraße, 35039 Marburg, Deutschland.
Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie, Universitätsklinikum Marburg, Philipps-Universität Marburg, Marburg, DeutschlandAG Ethik in der Medizin, Fachbereich 20, Dekanat Humanmedizin, Philipps-Universität Marburg, Marburg, Deutschland
Physiotherapie (PT) und Ergotherapie (ET) können als supportive Behandlungsformen in der Palliativmedizin zusammen mit anderen Professionen eine Teilhabe der schwerstkranken Patient:innen in Form eines möglichst autonomen Lebens bis zum Lebensende schaffen. Es braucht für die Versorgung palliativer Patient:innen jedoch speziell geschultes Personal, um der besonderen Lebenssituation der Klient:innen gerecht zu werden. Da es bislang keine dementsprechende Erhebung in Deutschland zu dieser Thematik gibt, ist unklar, inwieweit PT und ET hierzulande in den Versorgungsstrukturen der Palliativmedizin angeboten werden, welche Aufgaben der jeweiligen Berufsgruppe zukommen und wie der Kenntnisstand der Versorgenden über die Therapiemöglichkeiten ist.
Ziel der Arbeit
Übersichtsdarstellung über Vorhaltung, Bedarf und Nutzung von PT und ET in den verschiedenen Bereichen der palliativmedizinischen Versorgung in Deutschland und der Vergleich dieser untereinander. Bei fehlendem Angebot werden die Gründe hierfür ermittelt.
Methodik
Im Rahmen dieser Querschnittserhebung wurde ein selbstentworfener, 9 Fragen umfassender Fragebogen an insgesamt 260 Hospize, 323 Palliativstationen und 304 spezialisierte ambulante Palliativversorgungs-Dienste (SAPV), die auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) gelistet sind, postalisch versendet. Die Antworten wurden rein deskriptiv ausgewertet.
Ergebnisse
Die Rücklaufquote betrug 439 (49,5%). Insgesamt wurden 434 Fragebögen (49%) in die Analyse einbezogen. Es zeigt sich eine heterogene Verteilung des Angebots von PT und ET zwischen der ambulanten, der stationären und der hospizlichen Versorgung, wobei der ambulante Bereich ein deutlich geringeres Angebot vorweisen kann. 29% der SAPV-Teams können weder PT noch ET anbieten. Meist wird dies mit Fachkräftemangel oder fehlenden Finanzierungsmöglichkeiten begründet. Die unterschiedlichen Aufgabenfelder von Physio- und Ergotherapeut:innen sind beim Großteil der Befragten (Hospiz 87%, Palliativstation 83%, SAPV 81%) bekannt und spiegeln sich auch in der Aufgabenverteilung der beiden Berufsgruppen wider. Insbesondere Palliativstationen und SAPV-Teams geben an, mehr Physio- und Ergotherapiemöglichkeiten anbieten zu wollen (Palliativstationen 42% mehr PT und 58% mehr ET; SAPV 65% mehr PT und 50% mehr ET).
Diskussion
Diese Querschnittsstudie gibt als Erste dieser Art einen Überblick über das Angebot von PT und ET in den verschiedenen Sektoren der deutschen Palliativversorgung. Im Vergleich der beiden Therapieformen wird ET seltener eingesetzt als PT. Auch im internationalen Vergleich der Studienlage zeigt sich, dass insbesondere der Einsatz von ET in der Palliativmedizin noch nicht zufriedenstellend umgesetzt ist. Hauptgründe hierfür außerhalb Deutschlands sind ein Mangel an Fachkräften sowie das fehlende Wissen um die Aufgabenbereiche der ET.
Schlussfolgerung
PT und ET sind häufig genutzte Behandlungsmöglichkeiten in allen Bereichen der deutschen Palliativversorgung, mit jeweils unterschiedlichen Aufgabenspektren. Um strukturelle Probleme in der Versorgung besser klassifizieren zu können, sollten weitere differenzierte Erhebungen durchgeführt werden. Darüber hinaus sollte durch Forschungs- und Informationsarbeit beider Berufsgruppen in der Palliativmedizin eine bessere Wissensgrundlage geschaffen werden.
Abstract
Introduction
Physical therapy (PT) and occupational therapy (OT) as supportive forms of treatment in palliative care, together with other treatment measures, can create participation for seriously ill patients in the form of a life that is as autonomous as possible until the end of life. However, specially trained staff are needed for the care of palliative patients in order to do justice to the clients’ special life situation. In Germany, no corresponding survey on the subject has so far been conducted. So it is unclear to what extent PT and OT are offered in palliative care structures in this country, which tasks are assigned to the respective professional groups, and what the level of knowledge is that caregivers have about treatment options.
Aim
Compilation of an overview of the provision, need and use of PT and OT in the various areas of palliative care in Germany. If there is a lack of provision, the reasons for this will be identified.
Methods
In this cross-sectional survey, a self-designed 9-item questionnaire was sent out to a total of 260 hospices, 323 palliative care units and 304 specialized outpatient palliative care services (SOPC) listed on the homepage of the German Society for Palliative Medicine (DGP). The respondents’ answers were analysed using a purely descriptive approach.
Results
The response rate was 439 (49.5%). A total of 434 questionnaires (49%) were included in the analysis. A heterogeneous distribution of PT and OT offers between outpatient, inpatient, and hospice palliative care can be seen, with the outpatient area showing a significantly fewer offerings. 29% of the SOPC teams can offer neither PT nor OT. This is mostly due to a shortage of skilled workers or a lack of funding opportunities. The different areas of responsibility of physiotherapists and occupational therapists are known to the majority of respondents (hospice 87%, palliative care unit 83%, SOPC 81%) and are also reflected in the distribution of tasks between the two professional groups. Especially palliative care units and SOPC teams state that they would like to offer more PT and OT (palliative care units 42% more PT and 58% more OT; SOPC 65% more PT and 50% more OT).
Discussion
This cross-sectional survey is the first of its kind to provide an overview of the PT and OT offerings in the different sectors of German palliative care. In a comparison of the two forms of therapy, occupational therapists are used less frequently than physiotherapists. An international comparison of the study situation also shows that the use of OT in palliative care, in particular, has not yet been implemented satisfactorily. Outside Germany, the main reasons for this are a shortage of specialists and a lack of knowledge about the tasks of OT.
Conclusion
PT and OT are frequently used treatment options in all areas of German palliative care. In order to better classify structural problems in care, further differentiated surveys should be conducted. Furthermore, a better knowledge base should be created through research and information activities of both professional groups in palliative care.
Die Pflege schwersterkrankter und sterbender Menschen soll so gestaltet werden, dass das Leiden gelindert und eine größtmögliche Lebensqualität bis zum Tod ermöglicht wird [
von dem Berge E. Förster A. Kirsch G. Ergotherapie in der Palliative Care: selbstbestimmt handeln bis zuletzt. 1. Auflage. Schulz-Kirchner Verlag,
Idstein2018
]. Das Hauptaugenmerk der Physiotherapie (PT) im Rahmen der Palliativversorgung liegt wegen des pragmatischen Ansatzes auf der Erhaltung der funktionellen Unabhängigkeit, wohingegen die Ergotherapie (ET) eine Berufsgruppe darstellt, die ihren Schwerpunkt insbesondere auf die bedeutungsvolle Betätigung und Teilhabe an Aktivitäten des täglichen Lebens der Patient:innen legt (vgl. Infokästen) [
]. Während die Arbeit von Physiotherapeut:innen der Öffentlichkeit durchweg bekannt ist, stellen Ergotherapeut:innen generell eine Berufsgruppe mit einem geringen Bekanntheitsgrad dar [
Der ganzheitliche Ansatz der Palliativmedizin entsteht durch die interdisziplinäre und multiprofessionelle Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen [
], jedoch konzentrierte sich die Forschung in der Vergangenheit oftmals an konventionellen medizinischen Behandlungen, wie einer guten Schmerz- oder Symptomkontrolle [
]. Durch die stetige Weiterentwicklung der Behandlungsoptionen, sowie aufgrund der auch in Deutschland zunehmenden Akademisierung von beteiligten Berufsgruppen rücken die Bereiche Selbstständigkeit, Teilhabe am Leben und Betätigung hierzulande erst langsam in das Forschungsinteresse und finden vermehrt Beachtung [
von dem Berge E. Förster A. Kirsch G. Ergotherapie in der Palliative Care: selbstbestimmt handeln bis zuletzt. 1. Auflage. Schulz-Kirchner Verlag,
Idstein2018
Erst seit dem Jahr 2016 können ergotherapeutische Leistungen in der palliativmedizinischen Komplexbehandlung über die amtliche Klassifikation für Operationen, Prozeduren und allgemein medizinische Maßnahmen (OPS) abgerechnet werden [
von dem Berge E. Förster A. Kirsch G. Ergotherapie in der Palliative Care: selbstbestimmt handeln bis zuletzt. 1. Auflage. Schulz-Kirchner Verlag,
Idstein2018
BfArM – Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Hrsg.) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) unter Beteiligung der Arbeitsgruppe OPS des Kuratoriums für Fragen der Klassifikation im Gesundheitswesen (KKG) (2020): Operationen- und Prozedurenschlüssel. Internationale Klassifikation der Prozeduren in der Medizin (OPS). Systematisches Verzeichnis. Version 2021. Köln., 2020. https://www.dimdi.de/dynamic/de/klassifikationen/downloads/?dir=ops/version2021 (accessed January 2, 2022).
]. Unter OPS 8-982 (Palliativmedizinische Komplexbehandlung) findet sich folgender Hinweis: „Einsatz von mindestens 2 der folgenden Therapiebereiche: Sozialarbeit/Sozialpädagogik, Psychologie, Heilpädagogik, Physiotherapie/Ergotherapie, künstlerische Therapie (Kunst- und/oder Musiktherapie), Entspannungstherapie [...]“ [
BfArM – Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Hrsg.) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) unter Beteiligung der Arbeitsgruppe OPS des Kuratoriums für Fragen der Klassifikation im Gesundheitswesen (KKG) (2020): Operationen- und Prozedurenschlüssel. Internationale Klassifikation der Prozeduren in der Medizin (OPS). Systematisches Verzeichnis. Version 2021. Köln., 2020. https://www.dimdi.de/dynamic/de/klassifikationen/downloads/?dir=ops/version2021 (accessed January 2, 2022).
]. Durch diese Auflistung werden PT und ET gleichgesetzt, was bedeutet, dass nur eine der beiden Berufsgruppen unter diesem OPS im Krankenhaus abgerechnet werden kann. Im Bereich der ambulanten Versorgung unterscheiden sich die Abrechnungsmodalitäten dahingehend, dass supportive Therapien nicht automatisch mit abgerechnet werden können und Therapeut:innen deshalb auf ärztliche Verordnung angefordert oder z.B. über Spenden finanziert werden müssen. Seit 2019 gibt es für Privatpatient:innen eine besondere Form der Verordnung im ambulanten Bereich, die sog. „Physiotherapeutische Komplexbehandlung in der Palliativmedizin“. Hierdurch erhalten die Physiotherapeut:innen ein besonderes Zeitkontingent von 60 Minuten pro Patient:in, im Gegensatz zu 20 Minuten für eine Standardbehandlung [
]. Besonders in Krankenhäusern wird PT nahezu in allen Fachbereichen genutzt. ET findet sich hingegen oftmals nur in bestimmten Fachrichtungen, zumeist Neurologie, Psychiatrie, Rehabilitationswesen und Geriatrie.
Konkrete Zahlen über die Vorhaltung von PT und ET in der deutschen Palliativmedizin fehlen bisher, jedoch zeigt sich in Erhebungen aus anderen Ländern, dass es eine stärkere physio- als ergotherapeutische Beteiligung in der Palliativversorgung gibt. Dabei besteht aber auch für die ET im Bereich Palliative Care ein klarer und anerkannter Behandlungsauftrag. Dieser wird jedoch oftmals aufgrund von Unwissenheit über die Einsatzmöglichkeiten von ET in der Palliativmedizin nur unzureichend umgesetzt [
Außerhalb von Deutschland (vor allem im englischen Sprachraum) ist die ET, neben der PT, eine anerkannte Berufsgruppe in der Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen [
von dem Berge E. Förster A. Kirsch G. Ergotherapie in der Palliative Care: selbstbestimmt handeln bis zuletzt. 1. Auflage. Schulz-Kirchner Verlag,
Idstein2018
]. Da die überwiegenden Forschungsarbeiten im Bereich der ET aufgrund der genannten Gründe aus dem englischen Sprachraum stammen, ist es unklar, wie der Einbezug dieser Berufsgruppe in die palliativmedizinische Versorgung in Deutschland stattfindet. Wir gehen davon aus, dass auch in Deutschland ein Unterschied im Angebot von PT und ET besteht. Ziel der Arbeit ist deshalb die Erstellung einer Übersicht hinsichtlich:
a)
Vorhaltung beider Berufsgruppen in den verschiedenen Bereichen der palliativen Versorgung sowie bestehender Bedarf
b)
Wahrgenommene Aufgaben von Physio- und Ergotherapeut:innen in der Arbeit mit palliativen Patient:innen
c)
Gründe für Hindernisse bei der Inanspruchnahme
d)
Interesse an Weiterbildung zum Themenbereich der beiden Therapieformen
Aufgabenbereiche von Physiotherapeut:innen in der Palliativmedizin
„BewährteZiele der Physiotherapieim Rahmen der Palliativmedizin sind die adjuvante Therapie, die temporäre Stabilisierung des Allgemeinzustandes, die Linderung belastender Symptome und die Mitbehandlung von belasteten Angehörigen. Dabei schaffen multiprofessionell Helfende wichtige temporäre Entlastungsphasen und Entspannung für die unweigerlich kommenden Zeiten großer Belastungen und Leid, die von Patienten und Angehörigen getragen wer− den müssen.“ [
Aufgabenbereiche von Ergotherapeut:innen in der Palliativmedizin
“Ergotherapie bietet einen individuellen Beitrag zur Versorgung von Sterbenden und deren Angehörige durch die Fähigkeit, Aufgaben zu analysieren, Aktivitäten abzuändern und die Umgebung anzupassen, um mögliche Barrieren zu minimieren und Stärken zu maximieren. […] Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten gehen an Verschlechterungen von physischen, emotionalen und psychischen Funktionen heran, indem sie Adaptations-, Kompensations-, Modifikations-, Präventions- und Edukationsfähigkeiten nutzen, um die funktionelle Durchführung zu stärken, die die Teilhabe an wertgeschätzten Betätigungen am Ende des Lebens erleichtert. Ergotherapeutische Leistungen sind im Kontext der Tätigkeiten angesiedelt, die für den Klienten, seine Familie und ihren kulturellen Rahmen bedeutungsvoll sind.” [
Für die Erhebung wurde ein kurzer, 9 Fragen umfassender Fragebogen erstellt und die Studie der Ethikkommission Marburg zur Begutachtung vorgelegt (Az.: ek_mr_160821_Volberg).
Erfragt wurden hierbei:
a)
die Zusammenarbeit und die Anstellungsverhältnisse mit bzw. von Physio- und Ergotherapeut:innen, sowie Gründe für Nichtzusammenarbeit
b)
die Kenntnisse über die Aufgabenfelder der beiden Berufsgruppen und die Aufgabenbereiche in der jeweiligen Institution
c)
Bedarf an PT und ET sowie Interesse an speziellen Fortbildungsinhalten zu den Einsatzmöglichkeiten der Berufsgruppen in der Palliativversorgung. (Der Fragebogen befindet sich im Anhang A).
Ende August 2021 wurde der Fragebogen an alle zu diesem Zeitpunkt auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) gelisteten Hospize (n = 260), Palliativstationen (n = 323) und spezialisierte ambulante Palliativversorgungs-Dienste (SAPV) (n = 304) in Deutschland postalisch versendet [
]. Die eigenständige Befragung erfolgte anonym und der Fragebogen konnte über einen vorfrankierten Rücksendeumschlag an das Studienteam zurückgesendet werden. Alle Antwortschreiben, die im Zeitraum von August bis Dezember 2021 eingegangen sind, wurden eingeschlossen. Ein Erinnerungsschreiben erfolgte nicht. Die vorgegebenen Auswahlantworten wurden rein deskriptiv ausgewertet und die Antworten der Freitextfelder erst nach gemeinsamen Themen kategorisiert und dann ausgewertet. Die Auswertung erfolgte mit Hilfe von Microsoft® Excel Version 16.6.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 439 (49,5%) Fragebögen zurückgesendet, wovon 434 (49%) für die Auswertung verwendet werden konnten. Fünf Fragebögen waren fehlerhaft ausgefüllt oder es fehlten mehr als die Hälfte der Antworten, so dass diese nicht in die Erhebung aufgenommen wurden. Die Antwortquote der einzelnen Institutionen fiel dabei unterschiedlich aus und betrug für Hospize 36% (93/260), für Palliativstationen 52% (167/323) und für SAPV-Dienste 57% (174/304).
Zusammenarbeit
Nahezu alle an der Befragung teilnehmenden Hospize und Palliativstationen geben an entweder mit beiden Therapieformen (58% bzw. 46%) oder zu mindestens mit Physiotherapeut:innen (40% bzw. 54%) zusammenzuarbeiten (vgl. Tabelle 1). Im Vergleich zur stationären Versorgung zeigt sich bei den befragten SAPV-Teams hingegen, dass 44% mit beiden Therapieberufen zusammenarbeiten und 29% nur PT nutzen. Es kann jedoch auch festgestellt werden, dass 28% weder PT noch ET anbieten (vgl. Tabelle 1). Die am häufigsten angegebenen Gründe für das geringere Angebot in der SAPV sind die fehlenden Finanzierungsmöglichkeiten durch die Krankenkassen (35%) sowie ein Fachkräftemangel bzw. fehlende Kapazitäten für Hausbesuche (28%), in den Freitextantworten zumeist begründet durch die schlechte Vergütung für Hausbesuche und dass die Therapiebereiche vertraglich nicht in der SAPV aufgeführt werden. Auf Palliativstationen und im Hospiz wurde hingegen am häufigsten angeführt, dass andere Therapieformen wie z.B. Musik- oder Kunsttherapie angeboten werden und ebenfalls ein Fachkräftemangel das Angebot limitiert (vgl. Tabelle 2). Der überwiegende Anteil von Physio- und Ergotherapeut:innen arbeitet in den befragten Hospizen und SAPV-Teams auf freiberuflicher Basis (PT: 88% bzw. 83%; ET: 87% bzw. 85%), auf den Palliativstationen sind sie hingegen zumeist festangestellt (PT: 97%; ET: 88%). Ein geringer Anteil (<4%) arbeitet in Hospizen und SAPV-Teams auch ehrenamtlich.
Tabelle 1Zusammenarbeit der einzelnen palliativmedizinischen Institutionen mit Physio- und/oder Ergotherapeut:innen.
Hospiz (n = 93)
Palliativstation (n = 167)
SAPV (n = 174)
Gesamt (n = 434)
Ja, mit Physiotherapeut:innen
37 (40%)
90 (54%)
50 (29%)
177 (41%)
Ja, mit Ergotherapeut:innen
1 (1%)
0 (0%)
0 (0%)
1 (0,2%)
Ja, mit beiden Berufsgruppen
54 (58%)
77 (46%)
76 (44%)
207 (48%)
Nein, wir arbeiten weder mit Physio- noch Ergotherapeut:innen zusammen
Die von PT und ET wahrgenommenen Aufgaben in der Patient:innenversorgung unterscheiden sich zwischen den beiden Berufsgruppen aber auch in Bezug auf das Einsatzgebiet. Physiotherapeut:innen übernehmen zumeist die Mobilisation, Krankengymnastik, Atemtherapie sowie Massagen/Einreibungen und Entspannungsübungen. Von Ergotherapeut:innen wird der Fokus hingegen auf das Wiedererlernen bzw. den Erhalt von Aktivitäten des täglichen Lebens. Eine bedürfnisorientierte Therapie, also eine Behandlung nach Maßgabe der erkrankten Person, ist sowohl für Physio- wie auch Ergotherapeut:innen in allen Bereichen der palliativmedizinschen Versorgung ein wichtiger Bestandteil der Arbeit (Abbildung 1). Der Großteil der Befragten gab an, mit den unterschiedlichen Aufgabenbereichen von PT und ET vertraut zu sein (Hospiz 87%, Palliativstation 83%, SAPV 81%). Demgegenüber waren 12-16% der Befragten unsicher wie die Tätigkeitsbereiche aufgeteilt sind und lediglich 1-3% gaben an, keine Kenntnis darüber zu haben.
Abbildung 1Aufgabenverteilung von Physio- und Ergotherapeut:innen in den drei Bereichen der palliativmedizinischen Versorgung.
Grundsätzlich zeigen die befragten Institutionen eine hohe Bereitschaft mehr mit Therapieberufen zusammenarbeiten zu wollen, besonders in der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung. Am Ende des Fragebogens wurde unter „Anmerkungen/Ergänzungen“ von SAPV-Diensten oftmals angemerkt, dass es hier immer wieder zu Versorgungsengpässe kommt, da z.B. keine Therapeut:innen verfügbar sind oder keine Hausbesuche gemacht werden können. Viele würden gerne feste Therapeut:innen in ihrem Team einstellen, wenn dies in den Rahmenverträgen geregelt wäre. Insgesamt würden 65% der Befragten gerne mehr PT und 50% mehr ET in der SAPV anbieten. Auch auf Palliativstationen ist ein größeres Angebot an PT und ET gewünscht jedoch wurde häufig im Freitext beschrieben, dass Therapeut:innen aus der Klinik bei Bedarf angefordert werden können und somit das Angebot individuell bei Mehrbedarf abgedeckt werden kann.
Ein anderes Bild zeigt sich in den Hospizen. Hier möchten knapp die Hälfte nicht mehr Therapie anbieten und begründen dies vermehrt mit der oftmals kurzen Verweildauer der sterbenden Menschen. Mehr als ein Viertel der Hospize würde hingegen mehr ET und PT anbieten wollen (Abbildung 2).
Abbildung 2Bedarf im Angebot von PT und ET in der Palliativversorgung.
Der Großteil der Befragten aus Hospizen wünscht sich keine weiteren Informationen über Möglichkeiten der Arbeit oder die spezifischen Aufgaben von PT und ET in Palliative Care. Von den teilnehmenden Palliativstationen und SAPV-Teams kommt hingegen der Wunsch über mehr Informationen – z.B. mit Hilfe von kürzeren Beiträgen in Fachzeitschriften oder durch die Fachgesellschaft (Abbildung 3).
Abbildung 3Wunsch der verschiedenen Institutionen nach mehr Informationen bzgl. der Einsatzmöglichkeiten von Physio- und Ergotherapie in der deutschen Palliativmedizin.
Diese Erhebung gibt als erste ihrer Art einen Überblick über den Einsatz von PT und ET in den verschiedenen Sektoren der Versorgung palliativer Patient:innen in Deutschland. Die Aussagefähigkeit der vorliegenden anonymen Befragung kann mit einer Rücklaufquote von 49% als sehr hoch angesehen warden [
], so dass sich eine gute Darstellung erzielen lässt, wie PT und ET aktuell in der Palliativmedizin eingesetzt werden und welche Probleme oder Schwierigkeiten dabei existieren. Es stellte sich eine heterogene Verteilung zwischen der ambulanten, stationären und hospizlichen Versorgung dar, wobei im direkten Vergleich der verschiedenen Sektoren der ambulante Bereich in der häuslichen Versorgung deutlich unterversorgt zu sein scheint. Dies wurde von den Befragten Institutionen, insbesondere der SAPV, vor allem durch Finanzierungsprobleme und einen Fachkräftemangel begründet. Dieses Problem ist insgesamt im ambulanten Versorgungssektor bekannt und nicht nur auf die palliativmedizinische Versorgung begrenzt [
]. Für umfassendere Aussagen müssten die Ergebnisse mit Folgestudien differenzierter belegt werden.
Darüber hinaus zeigte sich, dass in allen drei Sektoren insgesamt weniger ET als PT angeboten wird. Diese Feststellung deckt sich mit den Ergebnissen von Wilson, der die Verordnung von PT und ET bei Palliativpatient:innen untersuchte [
]. In Deutschland könnte dies vor allem durch die Abrechnungsmodalitäten begründet sein.
In zwei australischen Studien sowie der europäischen Erhebung von Eva und Morgan wurde beschrieben, dass die Einsatzmöglichkeiten von ET in der palliativmedizinischen Versorgung oftmals unbekannt sind [
]. Bei der vorliegenden Erhebung haben hingegen über 80% der Befragten angegeben, mit den unterschiedlichen Aufgabenbereichen von PT und ET vertraut zu sein, so dass dieser Aspekt von untergeordneter Priorität sein sollte. In der europaweiten Befragung von Eva und Morgan gaben Ergotherapeut:innen an, dass sie gerade durch den ganzheitlichen und klient:innenzentrierten Arbeitsansatz die betroffenen Personen zu einem glücklichen und ausgefüllten Leben, welches über die reine Nahrungsaufnahme hinausgeht, verhelfen könnten. Insbesondere die Hilfsmittelverordnung, Funktionsbeurteilung und das Wiedererlernen von körperlichen Funktionen wurden von Ergotherapeut:innen als primäre Aufgabenfelder angegeben [
]. Bert Leysen erhob in als einer belgischen Umfrage unter Physio- und Ergotherapeut:innen, dass vor allem Massagen, Mobilisation, Lymphdrainage und Atemtherapie zu deren Hauptaufgaben im palliativen Setting gehören [
]. In unserer Erhebung zeigte sich hingegen, dass vor allem das „Wiedererlernen von Aktivitäten des täglichen Lebens“ und eine bedürfnisorientierte Behandlung zu den vorrangigen Aufgaben zählen. Das in den unterschiedlichen Bereichen der palliativmedizinischen Versorgung eine unterschiedlich starke Gewichtung der Aufgabenbereiche von PT und ET existiert, ist unseres Erachtens nach mit den unterschiedlichen Ansätzen des jeweiligen Bereichs zu erklären. Eine wesentliche Aufgabe von Palliativstationen ist die Behandlung von belastenden Symptomen und akuten medizinischen Problemen, z.B. Nebenwirkungen von Therapien, sowie der Organisation der weiteren Behandlung und Versorgung. Wir nehmen an, dass insbesondere SAPV-Dienste und Palliativstationen deshalb auch gerne mehr PT und ET anbieten möchten, da hier der Fokus vermehrt auf die weitere Versorgung im häuslichen Umfeld gelegt wird. Im Gegensatz dazu werden Patient:innen im Hospiz fast ausschließlich in der letzten Lebensphase und beim Versterben begleitet, so dass andere Aspekte in den Vordergrund rücken.
Neben der fehlenden Verfügbarkeit und dem Wissen um die Einsatzmöglichkeiten von PT und ET, wurde in internationalen Studien auch die fehlende Forschungsarbeit in diesem Bereich als Hürde für ein breiteres Angebot in der Palliativmedizin angesehen [
]. Auch in unserer Erhebung zeigte sich, dass knapp ein Drittel der Befragten nicht mehr Informationen über den Einsatz von PT und/oder ET in der Versorgung von Palliativpatient:innen erhalten möchte. Nichtsdestotrotz sollte durch beständige Forschungsarbeit in Palliative Care und die Weiterbildung aller Beteiligten eine qualitativ hochwertige Arbeit für die Patient:innen ermöglicht werden.
Limitationen
Der Fragebogen dieser quantitativen Umfrage ist mit 9 Fragen sehr knappgehalten, dafür wurden jedoch die für die Thematik prägnanten Punkte abgefragt und er konnte zeitsparend ausgefüllt werden. Ziel war eine generelle Übersicht über Vorhaltung und Einsatz von PT und ET zu erhalten. Trotzdem ergeben sich aus der Kürze der Befragung auch Einschränkungen in der Aussagefähigkeit, so dass weiterführende Befragungen auf diese erste Erhebung folgen sollten. Bei drei Fragen (Nr. 3,6,7) wurde nach generellen Ansichten („Gründe für fehlende Zusammenarbeit“, „Kenntnis über die Aufgabenfelder“ und „Wunsch nach mehr Informationen“) gefragt, so dass hier keine Differenzierung auf die jeweilige Berufsgruppe möglich ist. Auch wenn 49% eine gute Rücklaufquote darstellt, so fehlt die Rückmeldung von der Hälfte der angeschriebenen Institutionen. Hierdurch kann ein Verzerrungsbias auftreten. Die Gruppe der Hospize ist mit einer Antwortquote von 36% im Vergleich zu den beiden anderen Gruppen unterrepräsentiert. Da es sich um einen Papierfragebogen handelte, konnten Antwortfelder offengelassen werden. Dies spiegelte sich in den unterschiedlich großen Samplegrößen der einzelnen Fragen wider, wodurch die Aussagekraft der einzelnen Antworten verzerrt werden kann.
Da die Befragung anonymisiert durchgeführt wurde, können keine Rückschlüsse auf die den Fragebogen ausfüllenden Personen gemacht werden. Somit kann nicht gesagt werden, inwieweit insbesondere die Ergebnisse zu Kenntnisstand über die Einsatzgebiete der Therapieformen oder der Wunsch über weitere Informationen auf alle Teammitglieder des jeweiligen Hospizes, Palliativstation oder SAPV-Teams übertragen werden können. Mit diesen Fragen wurde, aller Wahrscheinlichkeit nach, nur die Meinung der den Fragebogen ausfüllenden Person wiedergegeben. Trotzdem kann in der Summe von einer Übertragbarkeit auf die Gesamtheit ausgegangen werden, da 434 Antwortbögen (49%) eine Generalisierbarkeit zulassen. Nichtsdestotrotz sollte in Folgeerhebungen tiefergehend erfasst werden welche strukturellen Probleme in der Versorgung vorliegen, um dies auch an die entsprechenden Stellen adressieren zu können.
Schlussfolgerung und Ausblick
Entgegen der initialen Annahme der Forschergruppe konnte mit dieser Erhebung dargestellt werden, dass Ergotherapeut:innen bereits häufig in der Betreuung und Versorgung palliativer Patient:innen eingesetzt werden. Die Einsatzgebiete von PT und ET sind laut den gemachten Angaben bei einem Großteil der Befragten bekannt. Nichtsdestotrotz wird, insbesondere in der SAPV, ein Mangel an möglichen Angeboten, meist durch fehlende Fachkräfte oder Finanzierungsmöglichkeiten, von den Befragten adressiert. Ob ein tatsächlicher Mangel vorliegt, sollte in der Versorgungsforschung weiter untersucht und objektiviert werden. Von einem Großteil der Teilnehmer:innen wird der Wunsch nach mehr Informationen über die Tätigkeitsfelder der verschiedenen Berufsgruppen geäußert.
Physio- und Ergotherapeut:innen verfügen über Fachwissen und Fertigkeiten, um innerhalb der Limitationen der Erkrankung und der körperlichen Leistungsfähigkeit der Klient:innen, deren Ziel, an persönlich bedeutsamen Betätigungen teilnehmen zu können, zu verwirklichen. Dies gilt es, in weiteren Forschungsprojekten zu ergründen sowie in Fachartikeln über physio- und ergotherapeutische Einsatzmöglichkeiten in Palliativ Care zu verdeutlichen und den Bekanntheitsgrad, insbesondere der Ergotherapie, zu erhöhen. Durch beide Therapieformen kann in der palliativmedizinischen Komplexbehandlung, zusammen mit anderen Therapieformen, Partizipation und Teilhabe bis zum Lebensende geschaffen werden.
Interessenkonflikt
Die Autor*innen erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Autor*innenschaft
Anna Elisabeth Pape: Konzeptualisierung, Validierung, Recherche, Ressourcen, Dateneingabe, Schreiben des Originalentwurfes, Supervision
Martin Gschnell: Validierung, Schreiben-Überprüfen und Bearbeitung, Visualisierung
Julian Maul: Validierung, Datenpflege, Schreiben-Überprüfen und Bearbeitung, Visualisierung
Christian Volberg: Konzeptualisierung, Methodik, Software, Schreiben des Originalentwurfes, Visualisierung, Betreuung, Projektleitung, Fördermittelakquise
Anhang A. Zusätzliche Daten
The following are the Supplementary data to this article:
von dem Berge E. Förster A. Kirsch G. Ergotherapie in der Palliative Care: selbstbestimmt handeln bis zuletzt. 1. Auflage. Schulz-Kirchner Verlag,
Idstein2018
BfArM – Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Hrsg.) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) unter Beteiligung der Arbeitsgruppe OPS des Kuratoriums für Fragen der Klassifikation im Gesundheitswesen (KKG) (2020): Operationen- und Prozedurenschlüssel. Internationale Klassifikation der Prozeduren in der Medizin (OPS). Systematisches Verzeichnis. Version 2021. Köln., 2020. https://www.dimdi.de/dynamic/de/klassifikationen/downloads/?dir=ops/version2021 (accessed January 2, 2022).