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Versorgungsforschung / Health Services Research| Volume 169, P84-93, April 2022

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Ökonomische Aspekte bei der Versorgung von Patient*innen mit neuen oralen Tumortherapeutika: Erkenntnisse aus der AMBORA-Studie

  • Pauline Dürr
    Affiliations
    Lehrstuhl für Klinische Pharmakologie und Klinische Toxikologie, Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland

    Apotheke des Universitätsklinikums Erlangen, Erlangen, Deutschland

    Comprehensive Cancer Center Erlangen-EMN, Erlangen, Deutschland
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  • Katja Schlichtig
    Affiliations
    Lehrstuhl für Klinische Pharmakologie und Klinische Toxikologie, Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland

    Comprehensive Cancer Center Erlangen-EMN, Erlangen, Deutschland
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  • Sabine Krebs
    Affiliations
    Apotheke des Universitätsklinikums Erlangen, Erlangen, Deutschland

    Comprehensive Cancer Center Erlangen-EMN, Erlangen, Deutschland
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  • Anja Schramm
    Affiliations
    AOK Bayern, Regensburg, Deutschland
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  • Lukas Schötz
    Affiliations
    AOK Bayern, Regensburg, Deutschland
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  • Martin F. Fromm
    Affiliations
    Lehrstuhl für Klinische Pharmakologie und Klinische Toxikologie, Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland

    Comprehensive Cancer Center Erlangen-EMN, Erlangen, Deutschland
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  • Frank Dörje
    Correspondence
    Korrespondenzadresse. Prof. Dr. phil. nat. Frank Dörje, MBA, Apotheke des Universitätsklinikums Erlangen, Palmsanlage 3, 91054 Erlangen, Deutschland.
    Affiliations
    Apotheke des Universitätsklinikums Erlangen, Erlangen, Deutschland

    Comprehensive Cancer Center Erlangen-EMN, Erlangen, Deutschland
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Open AccessPublished:March 03, 2022DOI:https://doi.org/10.1016/j.zefq.2022.01.002

      Zusammenfassung

      Hintergrund

      Die Verordnungszahlen und Therapiekosten oraler Tumortherapeutika nehmen stetig zu. Wird die Therapie ungeplant abgebrochen – sei es aufgrund von Nebenwirkungen, Progress oder Tod – kommt es oftmals zum Verwurf oraler Tumormedikamente. Während für parenterale Onkologika Studien zum ökonomischen Wert der Arzneimittelverwürfe vorliegen, fehlen für Deutschland bislang solche Daten zu oralen Tumortherapeutika.

      Methoden

      Die multizentrische Versorgungsforschungsstudie AMBORA untersuchte 202 Patient*innen, die auf neue orale Tumortherapeutika eingestellt wurden, über jeweils 12 Wochen und erfasste die ambulanten Verordnungsdaten der Patient*innen mit Therapieabbrüchen. Die Arzneimittelverwürfe wurden ermittelt und deren Wert mit Hilfe des Apothekenverkaufspreises berechnet. Über definierte Tagesdosen sowie Verordnungsdaten der AOK Bayern erfolgte eine Hochrechnung der Verwürfe auf das ambulante Verordnungsvolumen der AOK Bayern.

      Ergebnisse

      Innerhalb von 12 Wochen brachen 24,8% der Patient*innen in AMBORA die Therapie ab (50 von 202). Die Verordnungsdaten von 34 Patient*innen mit Therapieabbruch waren auswertbar. Insgesamt wurden 1693 Tabletten/Kapseln mit einem Gesamtwert von 112.212 € verworfen. Die näherungsweise Hochrechnung auf das ambulante Verordnungsvolumen der AOK Bayern ergab einen geschätzten Verwurf von 3,49 Millionen € in 12 Wochen.

      Diskussion

      Durch Therapieabbrüche bedingte Verwürfe neuer oraler Tumortherapeutika führen zu einer nicht unerheblichen ökonomischen Belastung. Angesichts steigender Verordnungszahlen und Therapiekosten in der Onkologie sollten Maßnahmen zur Reduktion von Verwürfen oraler Tumormedikamente angestrebt werden.

      Schlussfolgerung

      Eine klinisch pharmakologische / pharmazeutische Therapiebegleitung inklusive Medikationsanalysen, Nebenwirkungsmanagement sowie Patientenschulungen zur Optimierung der Adhärenz und guten Einnahmepraxis kann dazu beitragen, Therapieabbrüche und somit Verwürfe zu reduzieren. Zur Vermeidung von Verwürfen können zudem kleine (Start)-Packungsgrößen - die aktuell jedoch nicht in jedem Fall für eine wirtschaftliche Verordnung zur Verfügung stehen - einen wichtigen Beitrag leisten. Über die bereits international geübte Praxis zur Verordnung und Abgabe von Packungs-Teilmengen, sollte auch in Deutschland weitergehend diskutiert werden.

      Abstract

      Introduction

      The number of prescriptions and costs of oral anticancer drugs are increasing. Therapy discontinuation due to, for example, side effects, progression, or death, often lead to medication wastage. While evidence exists for the economic value of wasted injectable chemotherapeutics, there is a lack of data for oral anticancer drugs in Germany.

      Methods

      The multicenter AMBORA trial investigated 202 patients, who had been newly started on new oral anticancer drugs, over 12 weeks and analyzed the outpatient prescription data of patients who discontinued treatment. The amount of medicines wasted and their costs were determined using the pharmacy retail price. Defined daily doses and prescription data from the AOK Bayern, a German statutory health care insurance company, were used to extrapolate these costs.

      Results

      Within 12 weeks, 24.8 % of the AMBORA patients discontinued oral anticancer treatment (50 of 202). Prescription data of 34 patients were evaluable. In total, 1,693 tablets/capsules with a value of 112,212 euros were wasted. The approximate extrapolation to the prescription volume of the AOK Bayern resulted in an estimated wastage of 3.49 million euros in 12 weeks.

      Discussion

      Medication wastage due to discontinuation of new oral anticancer drug therapy leads to a considerable financial burden. Regarding rising prescription numbers and therapy costs in oncology, measures to reduce wastage of oral anticancer drugs should be initiated.

      Conclusion

      Clinical pharmacological / pharmaceutical care including medication reconciliation and review, side effect management and patient counseling to optimize adherence and medication intake behavior, contributes to a reduction of therapy discontinuations, thereby reducing drug wastage. To further reduce drug wastage small (initiation) packages, which are currently not always available for an economic prescription, play an important role. The practice of partial prescription fills, which is already practiced internationally, should also be further discussed in Germany.

      Schlüsselwörter

      Keywords

      Einleitung

      Onkologika waren 2019 mit 8,2 Milliarden € die umsatzstärkste Indikationsgruppe des ambulanten deutschen Arzneimittelmarktes der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV, [
      • Ludwig W.-D.
      • Schwabe U.
      Onkologika.
      ]). Obwohl Kinaseinhibitoren – als größte Gruppe der oralen Tumortherapeutika – im Jahr 2019 nur knapp 5% des Verordnungsvolumen der Onkologika ausmachten, erreichten sie mit 2,02 Milliarden € Bruttokosten den zweitgrößten Umsatz dieser Indikationsgruppe [
      • Ludwig W.-D.
      • Schwabe U.
      Onkologika.
      ]. Von allen Onkologika hatten Kinaseinhibitoren die höchste Zuwachsrate des Volumens an definierten Tagesdosen (DDD, [
      • Ludwig W.-D.
      • Schwabe U.
      Onkologika.
      ]). Diese Zahlen verdeutlichen nicht nur die zunehmende therapeutische Bedeutung, sondern auch den hohen ökonomischen Ressourceneinsatz für orale Tumortherapeutika. Die Nettokosten der Kinaseinhibitoren je Tagesdosis lagen 2019 im Median bei 169 € (Minimum: 68 € (Imatinib), Maximum: 808 € (Midostaurin), [

      Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), PharmaAnalyst, https://arzneimittel.wido.de/PharMaAnalyst/.(accessed 09 September 2020).

      ]).
      Neue orale Tumortherapeutika werden oft als zielgerichtet bezeichnet, sind jedoch keineswegs nebenwirkungsfrei. Wie bei intravenösen Tumortherapien können – wie von uns im Deutschen Ärzteblatt zusammenfassend berichtet – schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten [
      • Schlichtig K.
      • Dürr P.
      • Dörje F.
      • Fromm M.F.
      New oral anti-cancer drugs and medication safety.
      ]. Sind Nebenwirkungen trotz Therapiepausen und Dosisreduktionen nicht beherrschbar oder per se schwerwiegend, wird die Therapie abgebrochen. Viele orale Tumortherapeutika sind zur Behandlung fortgeschrittener Tumorerkrankungen zugelassen, so dass ein Krankheitsprogress sowie das Versterben von Patient*innen weitere Therapieabbruchgründe sein können. Dosisreduktionen und ungeplante Therapieabbrüche führen oft zu Restmengen oraler Tumormedikamente. Da die korrekte Lagerung im häuslichen Umfeld der Patient*innen nicht gewährleistet ist, werden selbst ungeöffnete Medikamentenpackungen von Apotheken nicht zurückgenommen und Restmengen verworfen.
      Während die Problematik von Arzneimittelverwürfen patientenindividueller parenteraler Onkologika-Zubereitungen bereits untersucht wurde [
      • Bach P.B.
      • Conti R.M.
      • Muller R.J.
      • Schnorr G.C.
      • Saltz L.B.
      Overspending driven by oversized single dose vials of cancer drugs.
      ,
      • Truong J.
      • Cheung M.C.
      • Mai H.
      • et al.
      The impact of cancer drug wastage on economic evaluations.
      ,
      • Krämer I.
      • Grandt D.
      Verwurf und Haltbarkeitsangaben als Strategien zur Umsatzmaximierung.
      ], existieren für Deutschland bislang keine Daten zum ökonomischen Ausmaß von Verwürfen oraler Tumortherapeutika. Studien aus anderen Ländern zeigen, dass Therapieabbrüche und Dosisreduktionen bei oraler Tumortherapie häufig zu Restmengen dieser hochpreisigen Medikamente führen [
      • Bekker C.L.
      • Melis E.J.
      • Egberts A.C.G.
      • Bouvy M.L.
      • Gardarsdottir H.
      • Van Den Bemt B.J.F.
      Quantity and economic value of unused oral anti-cancer and biological disease-modifying anti-rheumatic drugs among outpatient pharmacy patients who discontinue therapy.
      ,
      • Monga V.
      • Meyer C.
      • Vakiner B.
      • Clamon G.
      Financial impact of oral chemotherapy wastage on society and the patient.
      ,
      • Khandelwal N.
      • Duncan I.
      • Ahmed T.
      • Rubinstein E.
      • Pegus C.
      Oral chemotherapy program improves adherence and reduces medication wastage and hospital admissions.
      ].
      Ziel der vorliegenden Arbeit war die Evaluation der Therapieabbruchraten oraler Tumortherapeutika und der ökonomischen Belastung durch Verwürfe oraler Tumormedikamente in einem Zeitraum von 12 Wochen nach Erstverordnung. Dazu wurden prospektiv erhobene Therapie- und Verordnungsdaten der randomisierten, multizentrischen Versorgungsforschungsstudie AMBORA analysiert [
      • Dürr P.
      • Schlichtig K.
      • Kelz C.
      • et al.
      The randomized AMBORA trial: impact of pharmacological/pharmaceutical care on medication safety and patient-reported outcomes during treatment with new oral anticancer agents.
      ].
      Um die Relevanz der durch Therapieabbrüche bedingten Medikamentenverwürfe in einem größeren Patient*innenkollektiv zu betrachten, wurden zusätzlich ambulante Verordnungsdaten oraler Tumortherapeutika im Versichertenkollektiv der AOK Bayern herangezogen. Die Verordnungsdaten der AOK Bayern wurden für zwei Analysen verwendet: A) eine näherungsweise Hochrechnung der in AMBORA ermittelten Verwürfe auf das AOK-Versichertenkollektiv sowie B) weitergehende Analysen zur Verordnungspraxis oraler Tumortherapeutika.

      Methoden

      Kollektiv der Patient*innen der AMBORA-Studie

      Die ausgewerteten Behandlungsdaten wurden im Rahmen der prospektiven, randomisierten, multizentrischen Versorgungsforschungsstudie AMBORA („Arzneimitteltherapiesicherheit bei der Behandlung mit neuen oralen Antitumorwirkstoffen“) erhoben [
      • Dürr P.
      • Schlichtig K.
      • Kelz C.
      • et al.
      The randomized AMBORA trial: impact of pharmacological/pharmaceutical care on medication safety and patient-reported outcomes during treatment with new oral anticancer agents.
      ]. Die Studie wurde durch die Ethik-Kommission der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zustimmend bewertet und beim Deutschen Register Klinischer Studien registriert (DRKS00013271). Alle in universitären Hochschulambulanzen oder onkologischen Praxen behandelten Patient*innen willigten vor Studienbeginn schriftlich ein. Haupteinschlusskriterium war der Therapiebeginn mit einem neuen oralen Tumortherapeutikum (Zulassung in Deutschland nach Capecitabin im Februar 2001) unabhängig von der Tumorentität. Weitere Details zur AMBORA-Studie wurden bereits veröffentlicht [
      • Dürr P.
      • Schlichtig K.
      • Kelz C.
      • et al.
      The randomized AMBORA trial: impact of pharmacological/pharmaceutical care on medication safety and patient-reported outcomes during treatment with new oral anticancer agents.
      ,
      • Schlichtig K.
      • Dürr P.
      • Dörje F.
      • Fromm M.F.
      Medication errors during treatment with new oral anticancer agents: consequences for clinical practice based on the AMBORA study.
      ].

      Datenerhebung und Analyse AMBORA

      Bei Studieneinschluss wurden u.a. das orale Tumortherapeutikum, das Therapieschema inklusive Dosierung sowie die onkologische Indikation erfasst [
      • Dürr P.
      • Schlichtig K.
      • Kelz C.
      • et al.
      The randomized AMBORA trial: impact of pharmacological/pharmaceutical care on medication safety and patient-reported outcomes during treatment with new oral anticancer agents.
      ]. Innerhalb der 12-wöchigen Beobachtungs- und Betreuungsphase wurden durch Interviews der Patient*innen sowie die ärztliche Dokumentation alle Dosisreduktionen, Therapiepausen inklusive deren Dauer, sowie Therapieabbrüche inklusive deren Zeitpunkte und Gründe erfasst. Zur Evaluation der Medikamentenverwürfe wurden die Verordnungsdaten (Präparat, Wirkstärke, Packungsgröße, Verordnungsdatum) mit Hilfe der elektronischen Verordnungssoftwaredaten erhoben. Dabei wurden nur die Verordnungsdaten der Patient*innen erfasst, die die Therapie innerhalb von 12 Wochen abbrachen. Dosisreduktionen ohne Therapieabbruch wurden nicht berücksichtigt, da meist keine Information zum exakten Beginn der Dosisreduktion vorlag und somit die Restmengen nicht auswertbar waren.
      Mit den Verordnungsdaten sowie den Angaben zu Therapiestart und Therapieabbruch, wurde die Differenz zwischen verordneter und benötigter Menge, sowie die Anzahl unverbrauchter Tabletten/Kapseln bestimmt. Vom Therapieschema vorgegebene, sowie außerplanmäßige Therapiepausen wurden abgezogen. Falls keine genaue Angabe zum Einnahmebeginn vorlag, wurde angenommen, dass die Patient*innen am ersten Tag nach Erstverordnung mit der Einnahme begannen. Bei Therapieabbrüchen aufgrund von Tod wurde - sofern keine anderen Angaben vorlagen - der über die Meldebehörden abgefragte Todestag als letzter Einnahmetag angenommen. Der Wert nicht mehr benötigter Tumortherapeutika wurde mit Hilfe des zum Zeitpunkt der Verordnung gültigen Apothekenverkaufspreises (AVP) der Arzneimitteltaxe bestimmt [

      A-Taxe, Dr. Heni Software GmbH & Co. KG, Kirchzarten, Version 2.92.2.2.(accessed 06 December 2020).

      ]. Der AVP wird von Standardwerken zur Kostenbetrachtung der ambulanten Verordnungspraxis ebenfalls als Vergleichspreis genutzt [
      • Ludwig W.-D.
      • Schwabe U.
      Onkologika.
      ].

      Versichertenkollektiv AOK Bayern

      Die Übermittlung der Verordnungsdaten der Versicherten der AOK Bayern zu wissenschaftlichen Zwecken wurde von der zuständigen Aufsichtsbehörde (Bayerisches Staatministerium für Gesundheit und Pflege) genehmigt. Die Daten wurden unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Vorgaben pseudonymisiert zur Verfügung gestellt. Es wurden nur ambulante Verordnungen von erwachsenen Versicherten (≥ 18 Jahre) berücksichtigt.
      Die weitere Auswahl der Patient*innen aus dem Versichertenkollektiv wurde für die beiden geplanten Analysen folgendermaßen durchgeführt:

      Analyse A: Näherungsweise Hochrechnung der in AMBORA ermittelten Verwürfe auf das AOK-Versichertenkollektiv

      Eingeschlossen wurden Versicherte mit Erstverordnung der in AMBORA eingeschlossenen neuen oralen Tumortherapeutika, bei denen innerhalb der AMBORA-Studie Verwürfe aufgetreten sind (17 Wirkstoffe, definiert über ihre ATC-Codes). Bedingung für den Einschluss der AOK-Versicherten war die Erstverordnung der jeweiligen Wirkstoffe im Rekrutierungszeitraum der AMBORA-Studie (15.11.2017 - 28.01.2020). Patient*innen wurden nur dann berücksichtigt, wenn sie an mindestens 95% der Tage im System der AOK Bayern erfasst waren. Von einer Erstverordnung wurde ausgegangen, wenn keine vorherige Verordnung des gleichen oralen Antitumorwirkstoffes ein Jahr vor Erstverordnung vorlag. Dabei wurden sequenzielle oder parallele Verordnungen unterschiedlicher oraler Tumortherapeutika berücksichtigt. Die AOK Bayern übermittelte für die so ausgewählten Patient*innen folgende Daten: Summe der DDD pro Wirkstoff aller Versicherten 12 Wochen ab Erstverordnung (inklusive DDD der Erstverordnung).

      Analyse B: Weitergehende Analysen der Verordnungspraxis

      Eingeschlossen wurden Versicherte mit Erstverordnung aller oralen Tumortherapeutika mit Zulassung in Deutschland nach Capecitabin im Februar 2001 (entsprechend dem AMBORA-Studienprotokoll; 68 Wirkstoffe, definiert über ihre ATC-Codes). Bedingung für den Einschluss war die Erstverordnung der jeweiligen Wirkstoffe im Zeitraum 15.11.2017-31.12.2019. Patient*innen wurden nur dann berücksichtigt, wenn sie an mindestens 95% der Tage im System der AOK Bayern erfasst waren. Analog Analyse A wurde von einer Erstverordnung ausgegangen, wenn keine vorherige Verordnung des gleichen oralen Antitumorwirkstoffes ein Jahr vor Erstverordnung vorlag. Sequenzielle oder parallele Verordnungen unterschiedlicher oraler Tumortherapeutika wurden ebenfalls berücksichtigt. Für Analyse B übermittelte die AOK Bayern folgende Daten: Verordnungsdatum, Packungsgröße, Packungsanzahl, Stärke und Pharmazentralnummer (PZN) für alle Verordnungen innerhalb der ersten 12 Wochen nach Erstverordnung. Zu allen Verordnungen lag der Zeitpunkt (Datum) der Erst- und - falls zutreffend - Letztverordnung vor. Von einer Letztverordnung wurde ausgegangen, wenn 15 Monate nach diesem Zeitpunkt keine weitere Verordnung des oralen Tumortherapeutikums erfolgte. Der Zeitraum von 15 Monaten ergibt sich aus dem Beobachtungszeitraum der AMBORA-Studie von 12 Wochen (3 Monate) plus einem Zeitraum von 12 Monaten. Dieser Zeitraum wurde gewählt, um längere Therapiepausen nicht fälschlicherweise als Therapieende zu werten. Erfolgt innerhalb von 15 Monaten keine weitere Verordnung, kann aus Sicht der Autoren selbst bei Verordnung großer Packungsgrößen mit hoher Wahrscheinlich davon ausgegangen werden, dass die Therapie nicht fortgeführt wurde. Im Vergleich zu Analyse A musste der Analysezeitraum um einen Monat verkürzt werden (31.12.2019 statt 28.01.2020). Dies ist der Datenverfügbarkeit geschuldet, da der AOK Bayern zum Zeitpunkt der Analyse lediglich Verordnungsdaten bis einschließlich 31.03.2021 vorlagen. Um eine Letztverordnung als solche definieren zu können, konnten somit nur Patienten mit Erstverordnung bis zum 31.12.2019 (31.03.2021 minus 15 Monaten) berücksichtigt werden. Die AOK Bayern stellte zudem die Anzahl ihrer erwachsenen Versicherten (≥ 18 Jahre) zu den Zeitpunkten 31.12.2018 und 31.12.2019 zur Verfügung. Der Mittelwert der Versichertenzahlen aus beiden Jahren wurde als Grundgesamtheit zur Auswahl der mit oralen Tumortherapeutika behandelten Patienten für Analyse B angenommen.

      Datenerhebung und Analyse AOK Bayern

      Zur Durchführung der beiden Analysen wurde wie folgt vorgegangen:

      Analyse A: Näherungsweise Hochrechnung der in AMBORA ermittelten Verwürfe auf das AOK-Versichertenkollektiv

      Bei Patient*innen der AMBORA-Studie mit Therapieabbruch innerhalb von 12 Wochen nach Erstverordnung wurden die bis zum Abbruch verordneten mg-Mengen pro Wirkstoff aufsummiert und in DDD umgerechnet [
      • Fricke U.
      • Günther J.
      • Niepraschk-Von Dollen K.
      • Zawinell A.
      Methodik der ATC-Klassifikation und DDD-Festlegung für den deutschen Arzneimittelmarkt.
      ]. Bei Patient*innen ohne Therapieabbruch innerhalb 12 Wochen wurde angenommen, dass diese 84 DDD (entsprechend der Therapiedauer von 12 Wochen bzw. 84 Tagen) erhielten. Ebenso wurde mit Patient*innen verfahren, die innerhalb der AMBORA-Studie einen Therapieabbruch hatten, deren Verordnungsdaten jedoch nicht eindeutig auswertbar waren (16 Patient*innen, siehe auch Abbildung 1). Zur Hochrechnung auf das Verordnungsvolumen der AOK-Versicherten wurden die ambulanten GKV-Verordnungsdaten (DDD) der jeweiligen Tumortherapeutika aus dem Datenbestand der AOK Bayern verwendet. Das genaue Vorgehen der Hochrechnung ist beispielhaft für den Wirkstoff Ibrutinib in Tabelle 1 dargestellt.
      Figure thumbnail gr1
      Abbildung 1Flussdiagramm zur Auswahl der analysierten Patient*innen innerhalb der AMBORA-Studie (links,
      [
      • Dürr P.
      • Schlichtig K.
      • Kelz C.
      • et al.
      The randomized AMBORA trial: impact of pharmacological/pharmaceutical care on medication safety and patient-reported outcomes during treatment with new oral anticancer agents.
      ]
      ) und im Versichertenkollektiv der AOK Bayern (rechts). * z.B. verordnete Menge für dokumentierte Therapietage nicht ausreichend; ** Rekrutierung in onkologischer Ambulanz ohne elektronische Verordnungssoftware; *** längerer stationärer Aufenthalt ohne Kenntniss der stationär gestellten Menge an oralem Tumortherapeutikum; ungeplanter Wiederbeginn der Therapie nach Abschluss der 12-wöchigen Nachbeobachtung; + Versichertenkollektiv der AOK Bayern für Analyse B (weitergehende Analysen der Verordnungspraxis); AZ, Allgemeinzustand; OAT, orales Antitumortherapeutikum.
      Tabelle 1Beispielhafte Hochrechnung der Arzneimittelverwürfe aus dem AMBORA-Studienkollektiv auf Versicherte der AOK Bayern innerhalb von 12 Wochen nach Erstverordnung (am Beispiel des Wirkstoffs Ibrutinib).
      Verwürfe AMBORA 12 WochenPatient*innen mit Ibrutinib: 8

      davon 3 Patient*innen mit Therapieabbruch
      Verwurf bei 3 Patient*innen mit Therapieabbruch: 285 Kapseln

      Apothekenverkaufspreis: 70,97 € pro Kapsel

      Verwurf: 285 Kapseln x 70,97 € = 20.226,47 € Verwurf pro Wirkstoff (hier Ibrutinib) AMBORA 12 Wochen
      DDD AMBORA 12 Wochen1 DDD Ibrutinib = 420 mg
      • Fricke U.
      • Günther J.
      • Niepraschk-Von Dollen K.
      • Zawinell A.
      Methodik der ATC-Klassifikation und DDD-Festlegung für den deutschen Arzneimittelmarkt.


      Verordnungsmenge 3 Patient*innen mit Therapieabbruch: 100.800 mg / 420 mg = 240 DDD

      Verordnungsmenge 5 Patient*innen ohne Therapieabbruch:

      12 Wochen = 84 Tage = 84 DDD

      84 DDD x 5 Patient*innen = 420 DDD

      Gesamte Verordnungsmenge 8 Patient*innen: 240 DDD + 420 DDD = 660 DDD AMBORA 12 Wochen
      Näherungsweise Hochrechnung:

      Verwurfskosten Versichertenkollektiv

      AOK Bayern 12 Wochen
      Verordnungsmenge Ibrutinib Versichertenkollektiv AOK Bayern: 28.196 DDD AOK Bayern 12 Wochen
      VerwurfskostenVerordnungsmenge
      AMBORA-Studienkollektiv20.226,47 €660 DDD
      Versichertenkollektiv AOK BayernX €28.196 DDD
      X = 28.196 DDD / 660 DDD x 20.226,47 € = 864.099,17 € Verwurf pro Wirkstoff (hier Ibrutinib) AOK Bayern 12 Wochen
      Fett und unterstrichen: Angaben und Spaltenbezeichnungen finden sich in der Ergebnisdarstellung der Hochrechnung (Tabelle 4) wieder
      DDD, Defined Daily Dose (definierte Tagesdosis); Referenz:
      • Fricke U.
      • Günther J.
      • Niepraschk-Von Dollen K.
      • Zawinell A.
      Methodik der ATC-Klassifikation und DDD-Festlegung für den deutschen Arzneimittelmarkt.
      .

      Analyse B: Weitergehende Analysen der Verordnungspraxis

      Mit Hilfe der detaillierten Verordnungsdaten oraler Tumortherapeutika im Patient*innenkollektiv der AOK Bayern im Zeitraum von 12 Wochen nach Erstverordnung wurden Analysen zur Verordnungspraxis (z.B. Art des verordneten Tumortherapeutikums, durchschnittliche Verordnungsmenge bei Erstverordnung) durchgeführt. Darüber hinaus wurde die durchschnittliche Verordnungsdauer evaluiert. Die Verordnungsdauer wurde definiert als Zeitraum zwischen Erst- und Letztverordnung. Um die Daten der AOK-Bayern mit den Daten aus AMBORA vergleichen zu können wurde analysiert, wie hoch der Anteil an Patient*innen war, deren Therapie nach dem Zeitraum von 12 Wochen nicht fortgeführt wurde. Zudem wurde evaluiert, wie hoch der Anteil an Patient*innen war, die 1 Jahr nach Erstverordnung noch mindestens eine Folgeverordnung erhalten haben. Hierbei ist zu beachten, dass anhand der pseudonymisierten Daten der AOK Bayern – im Gegensatz zur AMBORA-Population – nicht beurteilt werden konnte, aus welchem Grund die Therapie nicht weiter fortgeführt wurde.

      Ergebnisse

      Kollektiv der Patient*innen der AMBORA-Studie

      Von den 202 in AMBORA eingeschlossenen Patient*innen brachen 24,8% die Einnahme des oralen Tumortherapeutikums innerhalb von 12 Wochen ab (Abbildung 1, [
      • Dürr P.
      • Schlichtig K.
      • Kelz C.
      • et al.
      The randomized AMBORA trial: impact of pharmacological/pharmaceutical care on medication safety and patient-reported outcomes during treatment with new oral anticancer agents.
      ]). Die Verordnungsdaten von 16 Patient*innen waren nicht oder nicht eindeutig auswertbar, z.B. aufgrund von Diskrepanzen in der Dokumentation (n=6) oder fehlenden Verordnungsdaten (n = 4). Demographische Basisdaten der 34 ausgewerteten Patient*innen sind in Tabelle 2 dargestellt. Der häufigste Grund vorzeitiger Therapieabbrüche bei den 34 in die Auswertung eingeschlossenen Patient*innen war unzureichendes Ansprechen (n = 13; 38%), Toxizität (n = 11; 32%), Verschlechterung des Allgemeinzustandes (n = 4; 12%), Wunsch des Patienten / der Patientin (n = 3; 9%) und Tod (n = 3; 9%, Tabelle 3). Der Zeitpunkt des Therapieabbruchs lag im Mittel bei 5,9 (± 2,9) Wochen.
      Tabelle 2Demographische Daten der ausgewerteten Patient*innen der AMBORA-Studie bei Studieneinschluss.
      CharakteristikaAusgewertete Patient*innen

      (n = 34)
      Alter Jahre, Median (Range)67,5 (42-91)
      Geschlecht n (%)
      weiblich15 (44,1)
      männlich19 (55,9)
      Tumorentität n (%)
      Solide Tumoren
        Kolorektales Karzinom4 (11,8)
        Leberzellkarzinom4 (11,8)
        Mammakarzinom4 (11,8)
        Sarkom
      Osteosarkome und Weichteilsarkome;
      4 (11,8)
        Dünndarmkarzinom3 (8,8)
        Neuroendokriner Tumor
      Neuroendokrine Tumoren des Pankreas und Dünndarmes;
      2 (5,9)
        Prostatakarzinom2 (5,9)
        Sonstige
      Sonstige: alle Entitäten die nur einmal aufgetreten sind; ECOG, Eastern Cooperative Oncology Group; Charakteristika der Patient*innen der gesamten AMBORA-Population wurden bereits veröffentlicht [10].
      5 (14,7)
      Hämatologische Erkrankungen
        Chronisch myeloische Leukämie2 (5,9)
        Mantelzelllymphom2 (5,9)
        Sonstige
      Sonstige: alle Entitäten die nur einmal aufgetreten sind; ECOG, Eastern Cooperative Oncology Group; Charakteristika der Patient*innen der gesamten AMBORA-Population wurden bereits veröffentlicht [10].
      2 (5,9)
      ECOG Performance Status n (%)
        Grad 05 (14,7)
        Grad 119 (55,9)
        Grad 28 (23,5)
        Grad ≥ 32 (5,9)
      Anzahl an Wirkstoffen
      Anzahl an Wirkstoffen in zugelassenen Arzneimitteln;
      Median (Range)
      9 (1-17)
      Orales Tumortherapeutikum n (%)
        Kinaseinhibitoren19 (55,9)
        Antineoplastische Wirkstoffe13 (38,2)
        Antihormonelle Wirkstoffe2 (5,9)
      Therapieintention n (%)
        palliativ32 (94,1)
        kurativ2 (5,9)
      a Osteosarkome und Weichteilsarkome;
      b Neuroendokrine Tumoren des Pankreas und Dünndarmes;
      c Anzahl an Wirkstoffen in zugelassenen Arzneimitteln;
      * Sonstige: alle Entitäten die nur einmal aufgetreten sind; ECOG, Eastern Cooperative Oncology Group; Charakteristika der Patient*innen der gesamten AMBORA-Population wurden bereits veröffentlicht
      • Dürr P.
      • Schlichtig K.
      • Kelz C.
      • et al.
      The randomized AMBORA trial: impact of pharmacological/pharmaceutical care on medication safety and patient-reported outcomes during treatment with new oral anticancer agents.
      .
      Tabelle 3Anzahl und Gründe der Therapieabbrüche innerhalb 12 Wochen der gesamten AMBORA-Population
      • Dürr P.
      • Schlichtig K.
      • Kelz C.
      • et al.
      The randomized AMBORA trial: impact of pharmacological/pharmaceutical care on medication safety and patient-reported outcomes during treatment with new oral anticancer agents.
      und der ausgewerteten Patient*innen nach Wirkstoffen.
      Anzahl AMBORA-Patient*innen
      mit Therapieabbruch

      (insgesamt) davon ausgewertet
      Wirkstoff

      (INN)
      gesamtunzureichendes AnsprechenToxizitätAZ-

      Verschlechterung
      TodWunsch des Patienten /

      der Patientin
      Total
      Palbociclib20(1) 1(1) 0(2) 1
      Everolimus18(1) 0(1) 0(1) 1(3) 1
      Pazopanib16(2) 1(1) 1(2) 1(1) 1(6) 4
      Cabozantinib15(1) 1(1) 1(1) 1(3) 3
      Abirateron13(1) 1(1) 1
      Ribociclib12(3) 2(3) 2
      Trifluridin, Tipiracil11(7) 7(1) 1(1) 0(9) 8
      Ibrutinib8(1) 1(2) 2(3) 3
      Nilotinib7(2) 2(2) 2
      Enzalutamid4(1) 0(1) 1(2) 1
      Lenvatinib4(1) 1(1) 1
      Sunitinib4(1) 1(1) 1
      Venetoclax4(1) 1(1) 0(2) 1
      Sorafenib3(1) 1(1) 1(2) 2
      Erlotinib2(1) 1(1) 1
      Niraparib2(1) 1(1) 1
      Olaparib2(2) 0(2) 0
      Dabrafenib1(1) 0(1) 0
      Lapatinib1(1) 1(1) 1
      Lorlatinib1(1) 0(1) 0
      Osimertinib1(1) 0(1) 0
      Panobinostat1(1) 1(1) 0
      Tegafur, Gimeracil, Oteracil1(1) 0(1) 0
      Sonstige
      Wirkstoffe in AMBORA ohne Therapieabbruch; AZ, Allgemeinzustand; INN, Internationaler Freiname.
      51-
      Summe202(16) 13(17) 11(8) 4(6) 3(3) 3(50) 34
      * Wirkstoffe in AMBORA ohne Therapieabbruch; AZ, Allgemeinzustand; INN, Internationaler Freiname.

      Kosten der Arzneimittelverwürfe innerhalb der AMBORA-Studie

      Bei 29 der 34 Patient*innen führte der Therapieabbruch zu Restmengen oraler Tumortherapeutika. Insgesamt wurden 1.693 Tabletten/Kapseln mit einem Gesamtwert von 112.212 € verworfen (Anhang A, Online-Tabelle 1). Bei 40% der Verordnungen (26 von 65) hätte eine kleinere Packungsgröße verordnet werden können, was den Verwurf ggf. reduziert hätte (Anhang A, Online-Tabelle 1).

      Kosten der Arzneimittelverwürfe im Versichertenkollektiv der AOK-Bayern (Analyse A)

      Die näherungsweise Hochrechnung der in AMBORA ermittelten Arzneimittelverwürfe auf die ambulanten GKV-Verordnungsdaten der AOK Bayern ergab einen geschätzten Verwurf von 3,49 Millionen € in einem Zeitraum von 12 Wochen (Tabelle 4).
      Tabelle 4Hochrechnung der Verwürfe der AMBORA-Patient*innen auf das Versichertenkollektiv der AOK Bayern.
      Wirkstoff

      (INN)
      Anzahl Patient*innen

      AMBORA
      DDD AMBORA

      12 Wochen
      Verwurf pro Wirkstoff

       AMBORA 12 Wochen
      DDD AOK Bayern

      12 Wochen
      Verwurf pro Wirkstoff

      AOK Bayern 12 Wochen
      Abirateron11.0361.397,75 €90.624122.268,42 €
      Cabozantinib31.13813.139,17 €10.900125.849,70 €
      Enzalutamid13082.077,82 €52.584354.740,36 €
      Erlotinib1112770,05 €3.45623.761,40 €
      Everolimus11.5336.925,73 €10.53847.605,94 €
      Ibrutinib366020.226,47 €28.196864.099,17 €
      Lapatinib142738,18 €2.12537.355,80 €
      Lenvatinib12922.214,55 €7.83759.436,05 €
      Nilotinib254612.010,09 €8.195180.253,97 €
      Niraparib11214.794,90 €5.852231.262,86 €
      Palbociclib11.6801.291,88 €61.42047.236,58 €
      Pazopanib41.1589.906,32 €10.24587.642,74 €
      Ribociclib21.03615.981,67 €20.141310.706,63 €
      Sorafenib21407.529,08 €10.528566.187,08 €
      Sunitinib12864.609,21 €13.902223.977,78 €
      Trifluridin, Tipiracil87326.328,08 €18.516160.067,40 €
      Venetoclax12892.271,45 €5.84245.954,23 €
      Summe34112.212,40 €3.488.406,10 €
      DDD, Defined Daily Dose (definierte Tagesdosis); INN, Internationaler Freiname

      Verordnungspraxis im Versichertenkollektiv der AOK Bayern (Analyse B)

      Bei 7.106 Versicherten der AOK Bayern wurde mindestens ein neues orales Tumortherapeutikum erstverordnet (Abbildung 1). Die Anzahl an Erstverordnungen lag bei 8.102. Kinaseinhibitoren wurden mit 53,5% (n = 4.333 Neuverordnungen) am häufigsten rezeptiert. Die verordnete Menge in DDD betrug im Median 28 (0,25-180) bei Erstverordnung. In 34,0% der Verordnungen (n = 2.752) betrug der Zeitraum zwischen Erst- und Letztverordnung ≤ 12 Wochen. Bei 13,2% (n = 1.072) handelte es sich um nur einmalige Verordnungen (Tabelle 5). Lediglich 34,6% der 8.102 Erstverordnungen (n = 2.803) wurden 12 Monate nach Erstverordnung fortgeführt. Abbildung 2 zeigt den Anteil fortgeführter Verordnungen nach 12 Monaten in Abhängigkeit von der Wirkstoffklasse. Die niedrigsten Raten fortgeführter Verordnungen zeigten sich bei antineoplastischen Wirkstoffen (17,8%), sowie bei MEK- (17,8%), BRAF- (20,0%) und VEGFR-Inhibitoren (20,0%), die höchsten bei CDK4/6- (46,9%) und BCR-ABL-Inhibitoren (58,8%, Abbildung 2).
      Tabelle 5Verordnungsdaten des Versichertenkollektivs der AOK Bayern.
      CharakteristikaAusgewertete Erstverordnungen

      (n = 8102) der 7106 Patient*innen
      Anzahl verordnete ATC-Codes pro Patient*in n (%)
      Unter Berücksichtigung sequenzieller und paralleler Verordnungen unterschiedlicher ATC-Codes;
       16231 (87,7)
       2789 (11,1)
       358 (0,8)
       ≥ 428 (0,4)
      Anzahl Verordnungen pro Wirkstoffklasse n (%)
      Unter Berücksichtigung sequenzieller und paralleler Verordnungen unterschiedlicher ATC-Codes;
       Kinaseinhibitoren4333 (53,5)
       Antihormonelle Wirkstoffe1733 (21,4)
       Antineoplastische Wirkstoffe1343 (16,6)
       Immunmodulatoren693 (8,6)
      Verordnete DDD bei Erstverordnung Median (Range)28 (0,25-180)
      Verordnungszeitraum
      Zeitraum zwischen Erst- und Letztverordnung; ATC, Anatomical Therapeutic Chemical Classification; DDD, DefinedDaily Dose (definierte Tagesdosis).
       Einmalige Verordnung1072 (13,2)
       1 – 4 Wochen495 (6,1)
       5 – 8 Wochen626 (7,7)
       9 – 12 Wochen559 (6,9)
       > 12 Wochen5350 (66,0)
      * Unter Berücksichtigung sequenzieller und paralleler Verordnungen unterschiedlicher ATC-Codes;
      # Zeitraum zwischen Erst- und Letztverordnung;ATC, Anatomical Therapeutic Chemical Classification; DDD, DefinedDaily Dose (definierte Tagesdosis).
      Figure thumbnail gr2
      Abbildung 2Anteil an Verordnungen innerhalb des Versichertenkollektivs der AOK Bayern, die 1 Jahr nach Erstverordnung fortgeführt wurden.
      Antihormonelle OAT: Abirateron, Apalutamid, Enzalutamid
      Antineoplastische OAT: Anagrelid, Ixazomib, Niraparib, Olaparib, Panobinostat, Rucaparib, Sonidegib, Tegafur/Gimeracil/Oteracil, Temozolomid, Trifluridin/Tipiracil, Venetoclax, Vinorelbin, Vismodegib
      Immunmodulierende OAT: Lenalidomid, Pomalidomid, Thalidomid
      CDK4/6-Kinaseinhibitoren: Abemaciclib, Palbociclib, Ribociclib
      VEGFR-Kinaseinhibitoren: Axitinib, Cabozantinib, Lenvatinib, Nintedanib, Pazopanib, Sorafenib, Sunitinib, Tivozanib, Vandetanib
      BCR-ABL- Kinaseinhibitoren: Bosutinib, Dasatinib, Imatinib, Nilotinib, Ponatinib
      EGFR- Kinaseinhibitoren: Afatinib, Dacomitinib, Erlotinib, Gefitinib, Osimertinib
      BRAF- Kinaseinhibitoren: Dabrafenib, Encorafenib, Vemurafenib
      MEK- Kinaseinhibitoren: Binimetinib, Cobimetinib, Trametinib
      ALK- Kinaseinhibitoren: Alectinib, Brigatinib, Ceritinib, Crizotinib, Lorlatinib
      Sonstige Kinaseinhibitoren: Everolimus, Gilteritinib, Ibrutinib, Idelalisib, Lapatinib, Larotrectinib, Midostaurin, Ruxolitinib
      ALK, anaplastische Lymphomkinase; CDK, Cyclin-abhängige Proteinkinasen; EGFR, epidermal growth factor receptor; MEK, Mitogen-aktivierte Proteinkinase; OAT, orales Antitumortherapeutikum; VEGFR, vascular endothelial growth factor receptor.

      Diskussion

      In dieser Studie wurde das Ausmaß an Verwürfen oraler Tumortherapeutika bedingt durch Therapieabbrüche untersucht. Eine Übersichtsarbeit von Prasad et al. zeigte, dass die Therapieabbruchrate oraler Tumortherapeutika in klinischen Studien mit durchschnittlich 16,4% (3,2-49,2%) höher ist als bei intravenösen Tumortherapien (8,3%, 1,2-20%, [
      • Prasad V.
      • Massey P.R.
      • Fojo T.
      Oral anticancer drugs: how limited dosing options and dose reductions may affect outcomes in comparative trials and efficacy in patients.
      ]). Bei AMBORA lag die Abbruchrate mit knapp 25% höher [
      • Dürr P.
      • Schlichtig K.
      • Kelz C.
      • et al.
      The randomized AMBORA trial: impact of pharmacological/pharmaceutical care on medication safety and patient-reported outcomes during treatment with new oral anticancer agents.
      ]. Auch die Analyse der Verordnungsdaten der AOK Bayern weist auf höhere Abbruchraten außerhalb klinischer Studien hin: 34% (n = 2.724) der Verordnungen hatten eine Dauer von ≤ 12 Wochen. Wie bereits erwähnt, konnte anhand der Verordnungsdaten der AOK Bayern nicht beurteilt werden, aus welchem Grund die Therapie nicht fortgeführt wurde. Viele neue orale Tumortherapeutika sind jedoch zur Behandlung fortgeschrittener oder metastasierter Erkrankungen zugelassen und werden üblicherweise weiter verabreicht solange der/die Patient*in von der Behandlung profitiert. Ein Therapieende innerhalb von 12 Wochen beruht daher oft z.B. auf mangelndem Tumoransprechen oder nicht akzeptabler Toxizität und ist somit meist als ungeplanter Therapieabbruch zu werten.
      Während zu Verwürfen parenteraler Onkologika bereits Studien existieren [
      • Bach P.B.
      • Conti R.M.
      • Muller R.J.
      • Schnorr G.C.
      • Saltz L.B.
      Overspending driven by oversized single dose vials of cancer drugs.
      ,
      • Truong J.
      • Cheung M.C.
      • Mai H.
      • et al.
      The impact of cancer drug wastage on economic evaluations.
      ,
      • Krämer I.
      • Grandt D.
      Verwurf und Haltbarkeitsangaben als Strategien zur Umsatzmaximierung.
      ], fehlen für orale Tumortherapeutika bislang entsprechende Daten aus Deutschland. In einer Untersuchung von Bekker et al. aus den Niederlanden blieben bei ca. 46% der Patient*innen Restmengen oraler Tumormedikamente aufgrund von Therapieabbrüchen zurück [
      • Bekker C.L.
      • Melis E.J.
      • Egberts A.C.G.
      • Bouvy M.L.
      • Gardarsdottir H.
      • Van Den Bemt B.J.F.
      Quantity and economic value of unused oral anti-cancer and biological disease-modifying anti-rheumatic drugs among outpatient pharmacy patients who discontinue therapy.
      ]. Knapp 40% der Patient*innen brachen die Therapie nach weniger als 6 Monaten ab und es traten Verwürfe in Höhe von 34.536 € bei 22 Patient*innen auf [
      • Bekker C.L.
      • Melis E.J.
      • Egberts A.C.G.
      • Bouvy M.L.
      • Gardarsdottir H.
      • Van Den Bemt B.J.F.
      Quantity and economic value of unused oral anti-cancer and biological disease-modifying anti-rheumatic drugs among outpatient pharmacy patients who discontinue therapy.
      ]. In einer Studie von Monga et al. aus den USA traten bei 41% der mit oralen Tumortherapeutika behandelten Patient*innen Medikamentenverwürfe durch Therapieabbrüche und Dosisanpassungen auf [
      • Monga V.
      • Meyer C.
      • Vakiner B.
      • Clamon G.
      Financial impact of oral chemotherapy wastage on society and the patient.
      ]. Bei den 88 untersuchten Patient*innen wurden Tumortherapeutika im Wert von $ 248.596 verworfen [
      • Monga V.
      • Meyer C.
      • Vakiner B.
      • Clamon G.
      Financial impact of oral chemotherapy wastage on society and the patient.
      ]. Die AMBORA-Studie [
      • Dürr P.
      • Schlichtig K.
      • Kelz C.
      • et al.
      The randomized AMBORA trial: impact of pharmacological/pharmaceutical care on medication safety and patient-reported outcomes during treatment with new oral anticancer agents.
      ] ist unseres Wissens nach die erste in Deutschland durchgeführte Untersuchung, die das Ausmaß der Verwürfe oraler Tumortherapeutika evaluierte. Bei AMBORA kam es bei 85% der Patient*innen (29 von 34), die einen Therapieabbruch hatten, zu Verwürfen. Der Gesamtwert der Verwürfe lag bei 112.212 €.
      Angesichts der hohen Rate an Therapieabbrüchen und Medikamentenverwürfen stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten bestehen, um Therapieabbrüche und Verwürfe zu reduzieren und somit Kosten einzusparen. Dabei ist zu beachten, dass Therapieabbrüche unterschiedlichste Ursachen haben können [
      • Bekker C.L.
      • Melis E.J.
      • Egberts A.C.G.
      • Bouvy M.L.
      • Gardarsdottir H.
      • Van Den Bemt B.J.F.
      Quantity and economic value of unused oral anti-cancer and biological disease-modifying anti-rheumatic drugs among outpatient pharmacy patients who discontinue therapy.
      ,
      • Monga V.
      • Meyer C.
      • Vakiner B.
      • Clamon G.
      Financial impact of oral chemotherapy wastage on society and the patient.
      ,
      • Khandelwal N.
      • Duncan I.
      • Ahmed T.
      • Rubinstein E.
      • Pegus C.
      Oral chemotherapy program improves adherence and reduces medication wastage and hospital admissions.
      ], von denen in praxi nur einige vermeidbar sind.

      Empfehlungen für die Verordnungspraxis

      In 40% der Verordnungen (26 von 65) innerhalb AMBORA hätte die Verordnung einer kleineren Packungsgröße die Verwurfsmenge ggf. reduziert. Gerade bei Erstverordnung sollte auf eine wirtschaftliche Verordnung – d.h. die Verordnung der kleinsten Packungsgröße – geachtet werden. Dies führt zwar zu häufigeren Terminen zur Rezeptausstellung, ermöglicht jedoch eine engere Führung der Patient*innen, die sich positiv auf die Nebenwirkungsrate, -schwere, sowie auf toxizitätsbedingte Therapieabbrüche und Dosisreduktionen auswirken kann [
      • Khandelwal N.
      • Duncan I.
      • Ahmed T.
      • Rubinstein E.
      • Pegus C.
      Oral chemotherapy program improves adherence and reduces medication wastage and hospital admissions.
      ,
      • Dürr P.
      • Schlichtig K.
      • Kelz C.
      • et al.
      The randomized AMBORA trial: impact of pharmacological/pharmaceutical care on medication safety and patient-reported outcomes during treatment with new oral anticancer agents.
      ]. Wie die Analyse der Verordnungsdaten der AOK Bayern zeigte, werden bei Erstverordnung durchaus kleine Packungsgrößen verordnet (im Median 28 DDD). Ein generelles Problem der wirtschaftlichen Verordnung besteht jedoch oft darin, dass die kleinste Packungsgröße oraler Tumortherapeutika in vielen Fällen bereits dem Monatsbedarf entspricht. Gerade für den Therapiestart wären kleinere Start-Packungsgrößen wünschenswert.
      Im Folgenden wird auf die häufigsten in AMBORA [
      • Dürr P.
      • Schlichtig K.
      • Kelz C.
      • et al.
      The randomized AMBORA trial: impact of pharmacological/pharmaceutical care on medication safety and patient-reported outcomes during treatment with new oral anticancer agents.
      ] ermittelten Gründe eines Therapieabbruchs eingegangen und Möglichkeiten diskutiert, diesen entgegenzuwirken.

      Unzureichendes Therapieansprechen

      Vermeidbare Ursachen hierfür können Interaktionen mit der Begleitmedikation sowie mit Nahrungs- und Genussmitteln sein, die durch eine ausführliche Medikationsanalyse erkannt und verhindert werden können [
      • Schlichtig K.
      • Dürr P.
      • Dörje F.
      • Fromm M.F.
      New oral anti-cancer drugs and medication safety.
      ]. Ein weiterer Grund für mangelhaftes Therapieansprechen kann unzureichende Therapieadhärenz sein [
      • Marin D.
      • Bazeos A.
      • Mahon F.-X.
      • et al.
      Adherence is the critical factor for achieving molecular responses in patients with chronic myeloid leukemia who achieve complete cytogenetic responses on imatinib.
      ,
      • Noens L.
      • Van Lierde M.-A.
      • De Bock R.
      • et al.
      ,
      • Williams A.M.
      • Baran A.M.
      • Casulo C.
      • et al.
      Ibrutinib dose adherence and therapeutic efficacy in non-hodgkin lymphoma: a single-center experience.
      ]. Patient*innen sollten daher entsprechend geschult werden [
      • Schlichtig K.
      • Dürr P.
      • Dörje F.
      • Fromm M.F.
      New oral anti-cancer drugs and medication safety.
      ]. Kurz vor geplanten Kontrolluntersuchungen zur Beurteilung des Therapieansprechens sollten zudem keine großen Packungsgrößen verordnet und der zeitliche Ablauf gut koordiniert werden. Zeigt sich ein Krankheitsprogress, kann es ansonsten zu großen – jedoch leicht vermeidbaren – Verwürfen kommen. Resistenzentwicklungen können ein weiterer Grund eines Tumorprogresses sein. Maligne Melanome sind beispielweise für eine rasche Resistenzentwicklung gegen BRAF-/MEK-Kinaseinhibitoren bekannt, wodurch das Ansprechen oft auf wenige Monate begrenzt ist [

      NCCN Clinical Practice Guidelines in Oncology (NCCN Guidelines®), Melanoma: Cutaneous, Version 2.2021, https://www.nccn.org/guidelines/category_1.(accessed 14 July 2021).

      ]. Die Verordnungsdaten der AOK Bayern zeigen, dass nur 18 bzw. 20% der Verordnungen von MEK- und BRAF-Inhibitoren nach 12 Monaten fortgeführt wurden (Abbildung 2). Diese Wirkstoffklassen wurden somit innerhalb der Kinaseinhibitoren nach 12 Monaten am seltensten weiterverordnet.

      Toxizität

      Eine engmaschige Therapiebegleitung im interprofessionellen Team mit umfassender Schulung der Patient*innen über Einnahmemodalitäten sowie Prophylaxe und Therapie möglicher Nebenwirkungen kann dazu beitragen, die Nebenwirkungsrate sowie die Wahrscheinlichkeit von Therapieabbrüchen zu reduzieren [
      • Dürr P.
      • Schlichtig K.
      • Kelz C.
      • et al.
      The randomized AMBORA trial: impact of pharmacological/pharmaceutical care on medication safety and patient-reported outcomes during treatment with new oral anticancer agents.
      ,
      • Riese C.
      • Weiß B.
      • Borges Jr., U.
      • et al.
      Effectiveness of a standardized patient education program on therapy-related side effects and unplanned therapy interruptions in oral cancer therapy: a cluster-randomized controlled trial.
      ,
      • Ribed A.
      • Romero-Jimenez R.M.
      • Escudero-Vilaplana V.
      • et al.
      Pharmaceutical care program for onco-hematologic outpatients: safety, efficiency and patient satisfaction, Int J Clin Pharm.
      ]. Treten Nebenwirkungen auf, führt dies meist zunächst zu Dosisreduktionen. Biskupiak et al. verglichen die Kosten von Arzneimittelverwürfen durch Dosisreduktionen am Beispiel der oralen Antitumorwirkstoffe Ribociclib und Palbociclib. Während bei Palbociclib zur Dosisreduktion eine kleinere Wirkstärke neu verordnet werden muss, kann bei Ribociclib die Dosis durch eine Reduktion der Tablettenanzahl angepasst werden. Dies ist eine sinnvolle Methode zur Reduktion von Verwürfen und Kosten [
      • Biskupiak J.
      • Oderda G.
      • Brixner D.
      • Tang D.
      • Zacker C.
      • Dalal A.A.
      Quantification of economic impact of drug wastage in oral oncology medications: Comparison of 3 methods using palbociclib and ribociclib in advanced or metastatic breast cancer.
      ], setzt allerdings die Verfügbarkeit entsprechender Wirkstärken voraus. Es wäre wünschenswert, dass diese Thematik bei der Entwicklung oraler Tumortherapeutika mehr Beachtung findet. An dieser Stelle sind auch mögliche Nachteile (z.B. „pill burden“, negative Auswirkungen auf die Therapieadhärenz) abwägend mit zu berücksichtigen.

      Verschlechterung des Allgemeinzustandes oder Tod

      Da viele neue orale Tumortherapeutika palliativ eingesetzt werden, sind diese Therapieabbruchgründe nur begrenzt vermeidbar. Allerdings sollte die Verordnung palliativer Tumortherapien bei Patient*innen mit stark eingeschränktem Allgemeinzustand kritisch hinterfragt werden. Um Patient*innen zusätzliche Nebenwirkungen zu ersparen, kann eine frühzeitige palliative Betreuung mit symptomorientierter Supportivtherapie eine gute Alternative zu einer Antitumortherapie sein [

      ASCO American Society of Clinical Oncology, Choosing Wisely®, Five things physicians and patients should question, last reviewed 2019, https://www.choosingwisely.org/societies/american-society-of-clinical-oncology/.(accessed 14 July 2021).

      ]. Dass bei dieser Entscheidung ethische Aspekte sowie Wünsche der Patient*innen und Angehörigen eine entscheidende Rolle spielen, steht außer Frage.

      Gesetzliche und strukturelle Aspekte

      §5 des Arzneimittelgesetzes verbietet das Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel [

      Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG) §312 Absatz 2 Satz 1a BGB, Ausfertigungsdatum: 24.08.1976, https://www.gesetze-im-internet.de/amg_1976/AMG.pdf.(accessed 14 July 2021).

      ]. Nehmen Apotheken Medikamente zurück, die bereits an Patient*innen abgegeben wurden, ist die Unbedenklichkeit z.B. bezüglich korrekter Lagerung nicht mehr gewährleistet. Eine Wiederverwendung dieser Medikamente ist daher gesetzeswidrig. Sog. Split-fills, die in spezialisierten Apotheken in den USA angeboten werden, umgehen dieses Problem [
      • Khandelwal N.
      • Duncan I.
      • Ahmed T.
      • Rubinstein E.
      • Pegus C.
      Oral chemotherapy program improves adherence and reduces medication wastage and hospital admissions.
      ,
      • Staskon F.C.
      • Kirkham H.S.
      • Pfeifer A.
      • Miller R.T.
      Estimated cost and savings in a patient management program for oral oncology medications: impact of a split-fill component.
      ]. Dabei erhalten die Patient*innen zunächst nur einen Teil der verordneten Packung. Bei guter Verträglichkeit werden die restlichen Tabletten bei Folgeterminen abgegeben. Bei Therapieabbrüchen oder Dosisreduktionen können Restmengen legal weiterverwendet werden, da die qualitätsgesicherte Lagerung gewährleistet ist. Sinnvollerweise erfolgt ergänzend ein Nebenwirkungsmanagement durch ein interprofessionelles Team. Khandelwal et al. konnten zeigen, dass das Split-fill-Verfahren etwa $ 934 pro Patient*in einsparte [
      • Khandelwal N.
      • Duncan I.
      • Ahmed T.
      • Rubinstein E.
      • Pegus C.
      Oral chemotherapy program improves adherence and reduces medication wastage and hospital admissions.
      ]. Die engmaschig begleiteten Patient*innen, die über 6 Monate nachbeobachtet wurden, waren adhärenter und wurden seltener toxizitätsbedingt hospitalisiert, was weitere $ 452 pro Patient*in einsparte [
      • Khandelwal N.
      • Duncan I.
      • Ahmed T.
      • Rubinstein E.
      • Pegus C.
      Oral chemotherapy program improves adherence and reduces medication wastage and hospital admissions.
      ]. Ein solches Vorgehen bietet daher nicht nur großes Potential zur Kostenreduktion, sondern auch zur Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit sowie der Therapieadhärenz.

      Limitationen

      In AMBORA lagen nicht immer exakte Informationen darüber vor, wann genau die Patient*innen ihre Rezepte eingelöst haben. Es ist daher möglich, dass Patient*innen später als angenommen mit der Einnahme begonnen oder diese früher beendet haben. Die engmaschige Therapiebegleitung innerhalb der AMBORA-Studie reduzierte die Therapieabbruchrate in der Interventionsgruppe verglichen mit der Kontrollgruppe [
      • Dürr P.
      • Schlichtig K.
      • Kelz C.
      • et al.
      The randomized AMBORA trial: impact of pharmacological/pharmaceutical care on medication safety and patient-reported outcomes during treatment with new oral anticancer agents.
      ]. Für diese Auswertung wurde nicht zwischen den Gruppen unterschieden, was eine Unterschätzung der Gesamtabbruchrate zur Folge hat. Wir sind zudem von einer 100%igen Adhärenzrate ausgegangen. In der Literatur existieren jedoch für orale Tumortherapeutika variable Adhärenzraten zwischen 46 und 100% [
      • Greer J.A.
      • Amoyal N.
      • Nisotel L.
      • et al.
      A systematic review of adherence to oral antineoplastic therapies.
      ]. Patient*innen die lediglich eine Dosisreduktion, aber keinen Therapieabbruch hatten, konnten in unserer Analyse nicht berücksichtigt werden. Die Verordnungsdaten von 16 Patient*innen mit Therapieabbruch waren nicht auswertbar und wurden bei der Analyse so behandelt, als hätten sie die Therapie nicht abgebrochen. Des Weiteren konnten Therapieabbrüche nach dem Beobachtungszeitraum von 12 Wochen nicht berücksichtigt werden. Insgesamt führen alle genannten Limitationen zu einer Unterschätzung der Restmenge nicht mehr benötigter oraler Tumortherapeutika.
      Die näherungsweise Hochrechnung der in AMBORA evaluierten Verwurfskosten auf das Verordnungsvolumen aller AOK Bayern-Versicherten desselben Untersuchungszeitraumes beruht auf geringen Fallzahlen pro Wirkstoff aus der randomisierten, multizentrischen AMBORA-Studie. Der ermittelte Wert von 3,49 Millionen € in einem Zeitraum von 12 Wochen nach Erstverordnung ist aufgrund dieser sowie der weiteren genannten Limitationen als richtungsweisende Schätzung zu sehen. Die Frage, wie hoch die tatsächlich verworfene Menge oraler Tumortherapeutika im Patient*innenkollektiv der AOK Bayern ist, konnte mit den Krankenkassen-Verordnungsdaten nicht beantwortet werden. Der innerhalb der prospektiven AMBORA-Studie ermittelte Gesamtwert der Verwürfe in Höhe von 112.212 € in einem Zeitraum von 12 Wochen nach Erstverordnung ist dagegen wesentlich valider. Unter Beachtung aller oben genannten Limitationen wird das Ausmaß der ökonomischen Belastung durch Verwürfe jedoch eher unterschätzt. Dass Verwürfe bei der Behandlung mit neuen oralen Tumortherapeutika ein relevantes Problem darstellen, konnte die AMBORA-Studie deutlich zeigen. Zur Beurteilung der ökonomischen Belastung in einem Gesamtversichertenkollektiv wären Real-Word Daten aus elektronischen Patientenakten erforderlich, so wie sie in anderen Gesundheitssystemen beispielsweise in Skandinavien bereits verfügbar sind [
      • Schmidt M.
      • Pedersen L.
      • Sørensen H.T.
      The Danish Civil Registration System as a tool in epidemiology.
      ,
      • Pottegård A.
      • Schmidt S.a.J.
      • Wallach-Kildemoes H.
      • Sørensen H.T.
      • Hallas J.
      • Schmidt M.
      Data Resource Profile: The Danish National Prescription Registry.
      ].
      Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es bei der Behandlung mit neuen oralen Tumortherapeutika häufig und frühzeitig zu Therapieabbrüchen kommt. Diese führen oftmals zu Verwürfen oraler Tumormedikamente und einer nicht unerheblichen wirtschaftlichen Belastung. Möglichkeiten Therapieabbrüche und somit Verwürfe zu reduzieren bestehen in einer optimalen Therapiebegleitung inklusive Medikationsanalysen, Nebenwirkungsmanagement und Adhärenzschulungen. Des Weiteren sollte auf eine wirtschaftliche Verordnungspraxis geachtet werden. Dennoch bestehen grundlegende strukturelle Hürden (z.B. mangelhafte Verfügbarkeit kleiner Packungsgrößen, de facto keine gelebte Teilmengen-Verordnung), deren Adressierung ein hohes Potenzial zur Kostenreduktion aufweist. Angesichts steigender Therapiekosten, zunehmender Zahlen von onkologischen Neuerkrankungen und vor dem Hintergrund begrenzter finanzieller Ressourcen, sollten diese Potenziale zukünftig Berücksichtigung finden.

      Förderung

      Die Versorgungsforschungsstudie AMBORA wurde von der Deutschen Krebshilfe e.V. gefördert (Förderkennzeichen 70112447/70112457). Die Deutsche Krebshilfe e.V. hatte keinen Einfluss auf das Studiendesign, die Durchführung und Auswertung der Studie sowie die Veröffentlichung der erhobenen Daten.

      Danksagung

      Wir danken allen Patient*innen für die Teilnahme an der AMBORA-Studie und allen beteiligten Kolleg*innen des Comprehensive Cancer Center Erlangen-EMN. Des Weiteren danken wir der Deutsche Krebshilfe e.V. für die Förderung unserer Arbeiten zur Arzneimitteltherapiesicherheit bei oraler Antitumortherapie (Förderkennzeichen: 70112447/70112457, 70114066/70114067).

      Interessenkonflikt

      Pauline Dürr erhielt ein Vortragshonorar sowie Reisekostenerstattung von Hoffmann-La Roche AG. Katja Schlichtig erhielt ein Vortragshonorar von Hoffmann-La Roche AG. Sabine Krebs, Anja Schramm und Lukas Schötz geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Martin F. Fromm erhielt ein Beraterhonorar von Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Vortragshonorare von Janssen-Cilag GmbH sowie Drittmittel für Forschungsprojekte seiner Institution von Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Dr. Pfleger Arzneimittel GmbH und Heidelberg Pharma Research GmbH. Frank Dörje erhielt ein Beraterhonorar von Lilly Deutschland GmbH sowie Vortragshonorare von B. Braun Melsungen AG und Sanofi-Aventis Deutschland GmbH.
      Pauline Dürr, Katja Schlichtig, Martin F. Fromm und Frank Dörje erhielten ein projektgebundenes Preisgeld im Rahmen der Verleihung des 1. Platzes des MSD Gesundheitspreises 2021 an das AMBORA-Projekt.

      Autorenschaft

      Pauline Dürr: Konzeptentwicklung, Durchführung, Analyse, Verfassen des Originalentwurfs, Revision und Bearbeitung, Visualisierung. Katja Schlichtig: Konzeptentwicklung, Durchführung, Analyse, Verfassen des Originalentwurfs, Revision und Bearbeitung, Visualisierung. Sabine Krebs: Validierung, Verfassen des Originalentwurfs, Revision und Bearbeitung. Anja Schramm: Validierung, Verfassen des Originalentwurfs, Revision und Bearbeitung. Lukas Schötz: Analyse, Validierung, Verfassen des Originalentwurfs, Revision und Bearbeitung. Martin F. Fromm: Konzeptentwicklung, Durchführung, Verfassen des Originalentwurfs, Revision und Bearbeitung, Visualisierung, Projektadministration, Fördermittelakquise. Frank Dörje: Konzeptentwicklung, Durchführung, Verfassen des Originalentwurfs, Revision und Bearbeitung, Visualisierung, Projektadministration, Fördermittelakquise.

      Anhang A. Zusätzliche Daten

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