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Bildung im Gesundheitswesen / Education in Health Care| Volume 156, P59-67, November 2020

Klimawandel: Ursachen, Folgen, Lösungsansätze und Implikationen für das Gesundheitswesen

Open AccessPublished:August 25, 2020DOI:https://doi.org/10.1016/j.zefq.2020.07.008

      Zusammenfassung

      Hintergrund

      Die Erderwärmung ist eine elementare Bedrohung für die menschliche Zivilisation. Es sind dringende und umfassende Maßnahmen notwendig, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, eine strukturierte Übersicht zur globalen Erwärmung und Querbezüge zum Gesundheitssystem zu schaffen.

      Methode

      In einem narrativen Review werden Ursachen, Konsequenzen und notwendige Maßnahmen in Bezug auf die Erderwärmung und Implikationen für das Gesundheitswesen skizziert.

      Ergebnisse und Diskussion

      Dem Ausstoß von Treibhausgasen, der eng mit unseren Verhaltensweisen und unserem Wirtschaftsgefüge assoziiert ist, kommt eine zentrale Rolle für die globale Erwärmung zu. Es kommt zu einer Häufung von Temperaturrekorden und Hitzewellen sowie Dürren mit Ernteeinbußen, einem Meeresspiegelanstieg und nicht zuletzt zu Auswirkungen auf den menschlichen Körper und seine Psyche. Trotz dieser Gefährdung besteht eine Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln. Dringlich erforderlich sind Maßnahmen auf politischer, innovativer, wirtschaftlicher und persönlicher Ebene. Das Gesundheitswesen trägt als relevanter Treibhausgasemittent mit Verantwortung. Im Gesundheitswesen tätige Menschen werden einerseits durch die Behandlung vom Klimawandel betroffener Patienten mit dessen Auswirkungen konfrontiert, andererseits können sie als Vorbild in Erscheinung treten. Notwendige Lebens(stil)änderungen bergen neben einem bewussteren Umgang mit unseren Ressourcen auch die Chance einer neuen Form der gesellschaftlichen Solidarität.

      Schlussfolgerung

      Institutionen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen können als Emittenten, Behandler und Rollenvorbilder eine bedeutsame Funktion einnehmen, um der Erderwärmung zu begegnen.

      Abstract

      Background

      Global warming is a fundamental threat to human civilization. Urgent and comprehensive actions are needed to achieve the Paris Climate Convention goals. This work aims to provide a systematic overview of global warming and its linkages to public healthcare.

      Methods

      In a narrative review, we outline causes, consequences, and necessary measures regarding global warming and the implications for public healthcare.

      Results and Discussion

      Closely linked to our resource behaviours and economic systems, greenhouse gas emissions play a central role in global warming. We are seeing an increase in temperature records and heat waves as well as droughts with crop losses, rising sea levels and, ultimately, effects on the human body and mind. Despite these threats, there is a gap between awareness and action. Measures are urgently needed at a political, innovative, economic and individual level. As a significant greenhouse gas emitter, the public health sector bears responsibility. Healthcare professionals are directly confronted with the impact of global warming through the treatment of people suffering from its effects; they can serve as role models in tackling it. Necessary changes in life (style) do not only involve a more conscious use of our resources, but also hold the chance of creating a new form of social solidarity.

      Conclusions

      Healthcare institutions and professionals play a significant role as emitters, practitioners, and role models in global warming.

      Schlüsselwörter

      Keywords

      Thematischer Hintergrund

      Die globale Erwärmung stellt aktuell eine der größten, wenn nicht die größte Bedrohung für die Existenz unserer menschlichen Zivilisation dar. Aus wissenschaftlicher Perspektive ist die Evidenz für die anthropogene Genese des Klimawandels erdrückend [
      • Cook J.
      • Nuccitelli D.
      • Green S.A.
      • Richardson M.
      • Winkler B.
      • Painting R.
      • Way R.
      • Jacobs P.
      • Skuce A.
      Quantifying the consensus on anthropogenic global warming in the scientific literature.
      ]. Obwohl sich die bedrohlichen Auswirkungen des Klimawandels deutlich abzeichnen, handelt es sich offensichtlich um eine schwer zu bewältigende Herausforderung, den Entwicklungen mit angemessenen Maßnahmen entgegenzuwirken. Viele Wissenschaftler/innen (https://www.scientists4future.org/), Psychotherapeut/innen (https://psychologistsforfuture.org/) und Ärzte/innen („Doctors for Future“; [

      Deutsches Ärzteblatt, Doctors for Future rufen Ärzte zum Klimaschutz auf. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/103436/Doctors-for-Future-rufen-Aerzte-zum-Klimaschutz-auf, 2019.(zugegriffen 11 November 2019).

      ]) sehen sich in einer verantwortlichen gesellschaftlichen Rolle, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen. Im Frühjahr 2019 unterstützen über 26.000 deutschsprachige Wissenschaftler/innen die Forderungen der „Fridays for Future“-Bewegung (FFF, https://fridaysforfuture.de/; [eREF1]); kurz darauf entstand eine internationale Unterstützungsinitiative zahlreicher Wissenschaftler/innen [
      • Hagedorn G.
      • Kalmus P.
      • Mann M.
      • Vicca S.
      • Van den Berge J.
      • van Ypersele J.-P.
      • Bourg D.
      • Rotmans J.
      • Kaaronen R.
      • Rahmstorf S.
      • Kromp-Kolb H.
      • Gottfried Kirchengast R.
      • Knutti S.I.
      • Seneviratne P.
      • Thalmann R.
      • Cretney A.
      • Green K.
      • Anderson M.
      • Hedberg D.
      • Nilsson A.
      • Kuttner K.
      • Hayhoe
      ]. Der vorliegende Beitrag folgt dem Anliegen, im Gesundheitswesen tätige Menschen über das Thema der Erderwärmung zu informieren, die Bedeutung des Gesundheitswesens als relevanten „Emittenten“ zu beleuchten und Mitarbeiter des Gesundheitssektors auf deren Vorbildrolle aufmerksam zu machen.

      Ursachen des Klimawandels

      Es gilt als erwiesen, dass die mittlere globale Erdtemperatur seit einigen Jahrzehnten steigt und diese Erhöhung mit der menschlich verursachten – anthropogenen – Emission von Treibhausgasen im Zusammenhang steht [1]. Prominentestes Treibhausgas ist Kohlendioxid (CO2). Darüber hinaus tragen weitere Gase wie Methan, Distickstoffmonoxid und gasförmige Fluorkohlenwasserstoffe zum Treibhauseffekt bei. In vereinfachender Weise wird häufig von CO2-Äquivalenten (CO2e) gesprochen - wenn die Wirkung unterschiedlicher Treibhausgase beschrieben und auf eine wirkgleiche Menge an CO2 umgerechnet wird.
      In 2017 wurden weltweit ca. 42,0 ± 3 Gigatonnen (GT) CO2 [

      The Intergovernmental Panel on Climate Change, Summary for Policymakers, in: V. Masson-Delmotte, P. Zhai, H-O. Pörtner XXT. Waterfield (Hrsg.), Global Warming of 1.5 (C. An IPCC Special Report on the impacts of global warming of 1.5 (C above pre-industrial levels and related global greenhouse gas emission pathways, in the context of strengthening the global response to the threat of climate change, sustainable development, and efforts to eradicate poverty, https://www.ipcc.ch/sr15/, 2018.(zugegriffen: 22 Juni 2020).

      ] bzw. 53,5 GT CO2e [

      UN Environment, Emissions Gap Report 2018 key messages. https://www.unenvironment.org/resources/emissions-gap-report-2018, 2018.(zugegriffen: 11 November 2019).

      ] in die Atmosphäre emittiert. Der Eintrag von CO2 steigt jährlich um ca. eine GT [eREF2]. Deutschland verursachte 2018 eine Emission von ca. 0,760 GT CO2 [

      BMU, Klimaschutz in Zahlen Fakten, Trends und Impulse deutscher Klimapolitik Ausgabe 2019.https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Broschueren/klimaschutz_zahlen_2019_broschuere_bf.pdf, 2019 (zugegriffen: 11 November 2019).

      ] bzw. 0,865 GT CO2e [
      • Xu Y.
      • Ramanathan V.
      • Victor D.G.
      Global warming will happen faster than we think.
      ]. Die höchsten Anteile an der weltweiten CO2 Emission wiesen 2017 China (27%), die USA (15%), Europa (10%) und Indien (7%) auf [

      Global Carbon Project, Global Carbon Budget https://www.globalcarbonproject.org/carbonbudget/index.html, 2018.(zugegriffen: 11 November 2019).

      ]. Den größten pro-Kopf-Ausstoß an CO2 verzeichneten im gleichen Jahr mit ca. 19,3 t / Jahr die Bürger von Saudi-Arabien; Einwohner der USA hatten zu diesem Zeitpunkt einen CO2-pro-Kopf-Ausstoß von 16,2 t Jahr [

      Global Carbon Project, Global Carbon Budget https://www.globalcarbonproject.org/carbonbudget/index.html, 2018.(zugegriffen: 11 November 2019).

      ], die deutschen Bundesbürger von 9,6 t / Jahr [

      BMU, Klimaschutz in Zahlen Fakten, Trends und Impulse deutscher Klimapolitik Ausgabe 2019.https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Broschueren/klimaschutz_zahlen_2019_broschuere_bf.pdf, 2019 (zugegriffen: 11 November 2019).

      ]. Der mittlere CO2-Ausstoß weltweit lag dagegen bei ca. 4,8 t / Jahr und Mensch [

      BMU, Klimaschutz in Zahlen Fakten, Trends und Impulse deutscher Klimapolitik Ausgabe 2019.https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Broschueren/klimaschutz_zahlen_2019_broschuere_bf.pdf, 2019 (zugegriffen: 11 November 2019).

      ]. Unter Berücksichtigung anderer Treibhausgase ergeben sich für 2017 Werte von ca. 11,3 t CO2e pro Kopf für Deutschland [eREF3], bei einem globalen Mittelwert von ca. 7 t CO2e.
      Der CO2-Gehalt in der Erdatmosphäre betrug zu Beginn der industriellen Revolution ca. 275 parts per million (ppm) [eREF4]. Im Jahr 2015 – also im Jahr des Pariser Klimaabkommens - wurde der Wert von 400 ppm erreicht [eREF4], wobei bereits ein CO2-Gehalt von 350 ppm als „Schwellenwert“ für das Auftreten gefährlicher Klimaeffekte gilt [

      Scripps Institute of Oceanography, Comment on Recent Record-Breaking CO2 Concentrations. https://scripps.ucsd.edu/programs/keelingcurve/2016/04/20/comment-on-recent-record-breaking-co2-concentrations/, 2016. (zugegriffen: 15. August 2019).

      ,
      • Rockström J.
      • Steffen W.
      • Noone K.
      • Johan Rockström W.
      • Steffen
      • Kevin Noone
      • Åsa Persson F.S.
      • Chapin E.F.
      • Lambin T.M.
      • Lenton M.
      • Scheffer C.
      • Folke H.J.
      • Schellnhuber B.
      • Nykvist C.A.
      • de Wit T.
      • Hughes S.
      • van der Leeuw H.
      • Rodhe S.
      • Sörlin P.K.
      • Snyder
      • Robert Costanza U.
      • Svedin M.
      • Falkenmark L.
      • Karlberg R.W.
      • Corell V.J.
      • Fabry J.
      • Hansen B.
      • Walker D.
      • Liverman K.
      • Richardson P.
      • Crutzen J.A.
      • Foley
      A safe operating space for humanity.
      ]. Eine solch hohe atmosphärische CO2-Konzentration konnte mindestens während der letzten drei Millionen Jahren nicht ausgemacht werden [eREF5]. Erfolgt ein ungehinderter weiterer Ausstoß von CO2, wie wir ihn aktuell erleben, wird die CO2-Konzentration bis 2035 auf ca. 450 ppm ansteigen und bis 2065 die 500 ppm-Marke erreichen [eREF4, 8] – ein Wert, von dem nicht zu erwarten ist, dass er innerhalb eines Zeitraums von 1000 Jahren wieder unter 350 ppm sinken kann und wird [

      Scripps Institute of Oceanography, Comment on Recent Record-Breaking CO2 Concentrations. https://scripps.ucsd.edu/programs/keelingcurve/2016/04/20/comment-on-recent-record-breaking-co2-concentrations/, 2016. (zugegriffen: 15. August 2019).

      ].
      Um die Pariser Klimaziele einzuhalten, also die maximale Erhöhung der mittleren Erdtemperatur auf deutlich unter 2 °C, wenn möglich auf 1,5 °C, zu begrenzen, verwendet man den Ansatz eines globalen Restbudgets [
      • Figueres C.
      • Schellnhuber H.J.
      • Whiteman G.
      • Rockström J.
      • Hobley A.
      • Rahmstorf S.
      Three years to safeguard our climate.
      ,
      • Figueres C.
      • Le Quéré C.
      • Mahindra A.
      • Bäte O.
      • Whiteman G.
      • Peters G.
      • Guan D.
      Emissions Are Still Rising: Ramp Up the Cuts.
      ]: Dieses Restbudget umfasst eine Menge von ca. 420 GT CO2 (1,5 °C-Ziel) oder ca. 1170 GT CO2 (2 °C-Ziel) [

      MCC Mercator Institute on Global Commons and Climate Change, Forschung. https://www.mcc-berlin.net/forschung.html, 2018.(zugegriffen: 11 November 2019).

      ]. Daraus ergeben sich verschiedene nationale Restbudgets. Diese können in ein verfügbares Budget pro Person und Jahr umgerechnet werden. Um das 2 °C-Ziel zu erreichen, wird für Deutschland aktuell ein Budget von ca. 2,5 CO2e pro Kopf und Jahr veranschlagt (https://www.eingutertag.org/de/warum-68kg-co2-eq.html), korrespondierend mit einem Tagesbudget von 6,8 kg pro Person. Dieses muss laut Umweltbundesamt bis 2050 kontinuierlich auf einen Wert von 1t CO2e pro Jahr und Kopf gesenkt werden (https://uba.co2-rechner.de/de_DE/), was einem täglichen Budget von ca. 2,7 kg pro Person entspricht. Nachfolgend müssen dann „Netto-Null“-Emissionen oder „Negativemissionen“ erreicht werden. Tabelle 1 zeigt den CO2-Ausstoß einzelner Verhaltensweisen und Aktivitäten.
      Tabelle 1Beispielhafte Mengen an CO2e-Emissionen
      CO2e=CO2-Äquivalente.
      für einzelne Verhaltensweisen im Alltag bzw. Konsumgüter (Datenquelle: www.eingutertag.org) bezogen auf ein persönliches CO2e-Budget von 2,5 t CO2e / Jahr, entsprechend 6,8 kg / d.
      Verhaltensweise / Konsumgutkorrespondierender

      CO2e-Verbrauch [kg]
      ca. % des CO2e-Guthabens / d bzw. Anzahl der Tagesbudgets (TB)
      Pedelec / 100 km
      korrespondierende CO2-Emission hängt stark von der Art der Stromgewinnung ab. Wo möglich, wurde den Angaben ein Europäischer Strommix zugrunde gelegt.
      0,487,0%
      Elektroauto / 100 km mit 13,5 kWh
      korrespondierende CO2-Emission hängt stark von der Art der Stromgewinnung ab. Wo möglich, wurde den Angaben ein Europäischer Strommix zugrunde gelegt.
      0,629,0%
      Zug / 100 km DB elektrisch3,6854,0%
      Reisebus / 100km3,6854,0%
      Linienbus / 100km8,641 TB + 27,0% eines weiteren TB
      PKW / 100 km 1 Pers.10,681 TB + 57,0% eines weiteren TB
      SUV / 100 km 1 Pers.35,775 TB + 26,0% eines weiteren TB
      Flugzeug / 100 km
      Berechnung für Inlandsflüge.
      25,033 TB + 68,0% eines weiteren TB
      Wasserkocher / l Wasser
      korrespondierende CO2-Emission hängt stark von der Art der Stromgewinnung ab. Wo möglich, wurde den Angaben ein Europäischer Strommix zugrunde gelegt.
      0,040,6%
      Laptop / h
      korrespondierende CO2-Emission hängt stark von der Art der Stromgewinnung ab. Wo möglich, wurde den Angaben ein Europäischer Strommix zugrunde gelegt.
      0,030,4%
      Computer / h
      korrespondierende CO2-Emission hängt stark von der Art der Stromgewinnung ab. Wo möglich, wurde den Angaben ein Europäischer Strommix zugrunde gelegt.
      (offline-Betrieb)
      0,071,0%
      Streaming / h
      korrespondierende CO2-Emission hängt stark von der Art der Stromgewinnung ab. Wo möglich, wurde den Angaben ein Europäischer Strommix zugrunde gelegt.
      ,
      Quelle: Shift-Project.
      0,203,0%
      Hosenkauf (Benutzung 6 Monat)0,21 / d für 6 Monate3,0% für 6 Monate
      T-Shirt-Kauf (Benutzung 6 Monat)0,04 /d für 6 Monate0,5% für 6 Monate
      Waschmaschine / Waschgang x
      korrespondierende CO2-Emission hängt stark von der Art der Stromgewinnung ab. Wo möglich, wurde den Angaben ein Europäischer Strommix zugrunde gelegt.
      ,
      starke Abhängigkeit von der Programmwahl.
      0,6810,0%
      Duschen (ca. 2 min)
      bei ca. 12 l / min und 40°C Wassertemperatur.
      0,274,0%
      Hotelunterkunft (von … bis …)12,52

      17,00
      1 TB + 84,0% eines weiteren TB

      2 TB + 50,0% eines weiteren TB
      1/8 l Wein (importiert per LKW)0,284,0%
      0,5 l Bier0,050,7%
      Schweinefleisch 100g0,416,0%
      Rindfleisch / 100g1,0916,0%
      Cheeseburger mit Pommes2,5938,0%
      100 g Tiefkühlpizza0,487,0%
      15 g Butter0,416,0%
      Milchschokolade / 100g0,345,0%
      * CO2e = CO2-Äquivalente.
      a korrespondierende CO2-Emission hängt stark von der Art der Stromgewinnung ab. Wo möglich, wurde den Angaben ein Europäischer Strommix zugrunde gelegt.
      b Berechnung für Inlandsflüge.
      c Quelle: Shift-Project.
      d starke Abhängigkeit von der Programmwahl.
      e bei ca. 12 l / min und 40 °C Wassertemperatur.

      CO2-Anstieg und Auswirkungen auf die mittlere Erdtemperatur

      Die mittlere Erdtemperatur ist der Temperaturwert, den man erhält, wenn an unterschiedlichen weltweiten Standorten die aktuelle Temperatur über das Jahr gemittelt erfasst und von diesen Werten wiederum der Mittelwert gebildet wird. Die lokale Temperatur kann davon erheblich abweichen. Der bisherige CO2-Eintrag in die Atmosphäre hat dafür gesorgt, dass die mittlere Erdtemperatur bis 2015 im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um ca. 1 °C angestiegen ist [eREF6]. Die aktuellen Maßnahmen zur CO2-Reduktion werden nicht gewährleisten, bis zur Jahrhundertwende den Anstieg der mittleren Erdtemperatur auf 2 °C zu begrenzen. Vielmehr ist aktuell davon auszugehen, dass bereits bis 2030 eine mittlere Temperaturerhöhung von 1,5 °C, bis zum Jahr 2045 eine Erhöhung von 2 °C [eREF6] und bis zum Ende des Jahrhunderts von 3 °C auftritt [eREF7]. Diese Dynamik wird von Wissenschaftlern als „katastrophal“ angesehen [
      • Xu Y.
      • Ramanathan V.
      Well below 2 (C: Mitigation strategies for avoiding dangerous to catastrophic climate changes.
      ]. Sollte sich gleichzeitig die Aufnahmekapazität von Meeren und Landstrichen für CO2 erschöpfen, muss sogar davon ausgegangen werden, dass bereits 2030 eine Temperaturerhöhung von 3 °C [
      • Xu Y.
      • Ramanathan V.
      Well below 2 (C: Mitigation strategies for avoiding dangerous to catastrophic climate changes.
      ] und 2100 von 5 °C evident wird („worst-case“-Szenario) [

      MIT Joint Program on the Science and Policy of Global Change, Energy and Climate Outlook: Perspectives from 2015. J. Reilly, S. Paltsev, E. Monier, J. Reilly, S. Paltsev, E. Monier, H. Chen, A. Sokolov, J. Huang, Q. Ejaz, J. Scott, J. Morris, A. Schlosser. https://globalchange.mit.edu/sites/default/files/newsletters/files/2015%20Energy%20%26%20Climate%20Outlook.pdf, 2015. (zugegriffen: 16 August 2019).

      ]. Wenn die vorhergesagten Kipp-Elemente eintreten, sehen die Prognosen noch schlechter aus (Details unten).

      Folgen des Anstiegs der mittleren Erdtemperatur

      Lokale Temperaturrekorde und Hitzewellen

      Klimawissenschaftler unterscheiden verschiedene Vorhersageszenarien, sogenannte RCP-Szenarien („representative concentration paths“), die verschiedene Verläufe der Treibhausgasemissionen repräsentieren und zu einer unterschiedlichen globalen Erwärmung bis 2100 führen. Dabei spielt für die Temperaturmodelle die sogenannte „wet bulb temperature“ (Tw) – die unter konstantem Druck und einer maximalen Wassersättigung ermittelte Temperatur – eine entscheidende Rolle. Eine Tw von 35 °C ist die obere Grenze für die Überlebensfähigkeit des menschlichen Organismus und führt sogar bei Aufenthalt im Schatten innerhalb weniger Stunden zum Tod. Das sogenannte RPC 8.5-Szenario ist mit einer mittleren globalen Temperaturerhöhung von ca. 4,5° C verbunden. Wenn dieses Szenario eintreten sollte, dann würde eine Tw von 35° C für weite Landstriche des nördlichen Indiens das Leben dort unmöglich machen [
      • Im E.S.
      • Pal J.S.
      • Eltahir E.A.B.
      Deadly heat waves projected in the densely populated agricultural regions of South Asia.
      ]. Äquivalentes trifft für das nördliche Südamerika, Mittelamerika und die südliche Sahararegion zu [eREF8]. Bereits jetzt wurde am 31. Juli 2015 in der Golfregion bei einer Spitzentemperatur von 46° C eine Tw von 34.5° C gemessen [
      • Schär C.
      The worst heat waves to come.
      ].

      Veränderung und Zerstörung von Ökosystemen durch Kipp-Elemente

      Eines der zentralen Konzepte der Klimawissenschaft zur Wechselwirkung zwischen einzelnen Systemen unserer Umwelt sind die „Kipp-Elemente oder -Punkte“ („tipping points“) [
      • Lenton T.
      • Held H.
      • Kriegler E.
      • et al.
      Tipping elements in the Earth's climate system.
      ]. Dabei werden verschiedene Subsysteme unterschieden, namentlich das „Eiskörpersystem“, das „Strömungssystem“ und das „Ökosystem“; einzelne Subsysteme werden bereits bei einem mittleren globalen Temperaturanstieg von 2 °C unwiederbringlich beschädigt oder zerstört (siehe Abbildung 1). So werden die Gletscher, der Grönlandeisschild, das Westantarktische Sommermeereis – alles Teile des „Eiskörpersystems“ – und die tropischen Korallenriffe als Teil des Ökosystems bereits innerhalb der „2 °C-Grenze“ massiv zerstört. Dies wiederum wird elementare, kaum vorhersehbare Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Subsystemen, sprunghafte Temperaturanstiege und weitere (Selbst-)Zerstörungsprozesse nach sich ziehen [
      • Lenton T.
      • Held H.
      • Kriegler E.
      • et al.
      Tipping elements in the Earth's climate system.
      ].
      Figure thumbnail gr1
      Abbildung 1Kipp-Elemente unserer Erde. Mit Stern () gekennzeichnet sind jene, die bereits innerhalb der Richtwerte des Pariser Klimaabkommens mit sehr großer Wahrscheinlichkeit weitgehend zerstört werden.

      Dürre und Ernteausfälle

      Von 1980 bis 2008 ist es klimabedingt zu einer um 5% verminderten Produktion von Mais und Weizen gekommen, während sich bei der globalen Produktion von Sojabohnen und Reis regionale Ernteausfälle einerseits und Ertragssteigerungen andererseits ausbalancieren und sich somit die globalen Gesamterträge nicht verändert haben. Dürrebedingte Ernteeinbußen werden in aktuellen Simulationsmodellen bis Ende des 21. Jahrhunderts für Weizen mit bis zu 12%, für Mais mit bis zu 6%, für Reis mit bis zu 19% und für Sojabohnen mit bis zu 16% erwartet [
      • Leng G.
      • Hall J.
      Crop yield sensitivity of global major agricultural countries to droughts and the projected changes in the future.
      ]. Hiermit verschärft sich die ohnehin angespannte Ernährungssituation für die derzeit 7,7 Milliarden Menschen auf unserem Planeten. Unsere Fähigkeit, Nahrungsmittelsicherheit zu gewährleisten, wird für die globale Gesundheit im nächsten Jahrhundert von entscheidender Bedeutung sein.

      Anstieg des Meeresspiegels

      In den vergangenen 25 Jahren betrug der Anstieg des Meeresspiegels ca. 3 mm pro Jahr [
      • Bamber J.L.
      • Oppenheimer M.
      • Kopp R.E.
      • Aspinall W.P.
      • Cooke R.M.
      Ice sheet contributions to future sea-level rise from structured expert judgment.
      ]. Der am schwierigsten vorherzusagende Faktor für eine zuverlässige Prognose des Meeresspiegelanstiegs ist das Verhalten des Festlandeises. Innerhalb eines 2 °C-Szenarios ist bis Ende des Jahrhunderts mit einem Meeresspiegelanstieg von 26 bis 81 cm zu rechnen. Für ein 5 °C-Szenario betragen diese Werte 51 bis 178 cm bzw. über 2 m, wenn die thermische Volumenzunahme des Meerwassers einberechnet werden. Damit würden 1,79 Millionen Quadratkilometer Land (entsprechend einer Fläche der Größe von Ägypten und der Türkei) überflutet und bis zu 187 Millionen Menschen vertrieben werden. Im Jahr 2200 ist eine Meeresspiegelerhöhung von bis zu 7,5 m für ein 5 °C-Szenario in Betracht zu ziehen [
      • Bamber J.L.
      • Oppenheimer M.
      • Kopp R.E.
      • Aspinall W.P.
      • Cooke R.M.
      Ice sheet contributions to future sea-level rise from structured expert judgment.
      ].

      Verlust der Artenvielfalt

      Der aktuell stattfindende weltweite Artenschwund wird als das „6. große Artensterben“ auf unserem Planeten bezeichnet [eREF9]. Tatsächlich zeigt sich, dass sich die vorhandene Fauna und Flora nicht schnell genug an die klimatischen Veränderungen anpassen kann. In einer Studie von Wiens [eREF10] konnte bereits beobachtet werden, dass sich die Pflanzen- und Tier-Subpopulationen in den Randzonen mit einer besonders starken Temperaturzunahme im Rahmen der aktuellen Temperaturerhöhungen nicht schnell genug an die Erwärmung adaptieren. In diesen Randzonen sterben aktuell 39% der lokalen Pflanzenpopulationen und 50% der lokalen Tierpopulationen aus. Der Artenrückgang wird zudem durch die veränderte Flächennutzung und Landnahme befeuert [eREF11] – der weltweit extrem hohe Fleischkonsum führt zu einer hohen Nachfrage nach Fleisch und macht es damit attraktiv immer mehr Flächen für die Tierhaltung und die Futtermittelproduktion zu nutzen.

      Konsequenzen für die körperliche und psychische Gesundheit

      Folgen für den menschlichen Körper

      Extremwetterereignisse wie Stürme, Überflutungen, Hochwasser, Starkregen und Hitzewellen können zu Unfällen/Ereignissen mit traumatischen Verletzungen und Belastungen des Organismus bis hin zum Tod führen [
      • Bunz M.
      • Mücke H.-G.
      Klimawandel – physische und psychische Folgen.
      ]. Die Temperatursteigerungen führen zu einem erhöhten Risiko für Herzkreislauf- und Atemwegserkrankungen, häufigeren Infektionen und Wundheilungsstörungen sowie einer reduzierten Lebensmittelsicherheit [
      • Bunz M.
      • Mücke H.-G.
      Klimawandel – physische und psychische Folgen.
      ]. FSME und Borreliose, aber auch neue Infektionskrankheiten, wie Dengue, Zika und Chikungunya oder das 2019 in Deutschland erstmals aufgetretene West-Nil-Fieber treten gehäuft auf [eREF12]. Die durchschnittliche Mortalität erhöht sich während Hitzewellen um 8-12% [
      • Van der Heiden M.
      • Buchholz U.
      • Uphoff H.
      Schätzung der Zahl hitzebedingter Sterbefälle infolge der Hitzewelle 2018.
      ] mit überproportional vielen Todesfällen unter Älteren. Von ihnen versterben 300 von 100.000 Personen bei ausbleibenden Schutzmaßnahmen [
      • Van der Heiden M.
      • Buchholz U.
      • Uphoff H.
      Schätzung der Zahl hitzebedingter Sterbefälle infolge der Hitzewelle 2018.
      ]. Deutschland verzeichnete im Sommer 2003 7600 Hitzetote, wobei sich die extremsten Auswirkungen der Hitze bei der Gruppe der über 75-Jährigen zeigte [eREF13]. Kann der globale Temperaturanstieg auf 1,5° C begrenzt werden, so würden sich im Vergleich zu einem 3 °C-Szenario allein in Deutschland 1000 Herzinfarktereignisse pro Jahr vermeiden lassen [
      • Chen K.
      • Breitner S.
      • Wolf K.
      • et al.
      Zukünftige Häufigkeit temperaturbedingter Herzinfarkte in der Region Augsburg Eine Hochrechnung auf der Grundlage der Zielwerte der Pariser UN-Klimakonferenz.
      ].
      Durch die globale Erwärmung verstärken sich allergische Erkrankungen, da sich die Phasen der Allergenbildung verlängern [
      • Bunz M.
      • Mücke H.-G.
      Klimawandel – physische und psychische Folgen.
      ]. Für einige Medikamente verändert sich das Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil und deren Toxizität [

      UK Medicines Information (2017) Which medicines could cause problems for patients during a heatwave? https://www.sps.nhs.uk/wp-content/uploads/2017/07/UKMI_QA_Drugs-and-heatwave_May-2017.doc Zugegriffen: 11. November 2019.

      ]: Neuroleptika und Antidepressiva beispielsweise können als Nebenwirkung ohnehin eine Körpertemperaturerhöhung verursachen, welche durch auftretende Hitzewellen verstärkt wird; zudem können die der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer die zentrale Thermoregulation hemmen. Durch Dehydration kann die Toxizität von z.B. Lithium erhöht werden, durch β-Blocker verringert sich möglicherweise die Hitzeadaptationsfähigkeit des Organismus. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die gesundheitliche Zukunft der Gesellschaft davon abhängt, wie mit den Klimaveränderungen umgegangen wird [
      • Watts N.
      • Amann M.
      • Arnell N.
      • et al.
      The 2019 report of The Lancet Countdown on health and climate change: ensuring that the health of a child born today is not defined by a changing climate.
      ].

      Folgen für die menschliche Psyche

      Doch nicht nur für den menschlichen Körper, sondern auch für die menschliche Psyche kann die globale Erwärmung schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen. Die unmittelbarste Form der psychischen Belastung tritt dann ein, wenn man selbst von einem Extremereignis betroffen ist. Wird die physische Integrität durch eine Naturkatastrophe bedroht, so ist davon auszugehen, dass bis zu 70,5% der Betroffenen eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) mit den Kardinalsymptomen des intrusiven Wiedererlebens, des Hyperarousals und dem Vermeiden von traumaassoziierten Triggern entwickeln [eREF14]. Darüber hinaus können sich durch Bedrohung von Extremereignissen, Verlust von Hab und Gut und durch erforderliche oder selbst herbeigeführte Lebensstilveränderungen weitere psychische Symptome entwickeln, die wiederum in depressiven Störungen, Angsterkrankungen und Anpassungsstörungen münden können [
      • Bunz M.
      • Mücke H.-G.
      Klimawandel – physische und psychische Folgen.
      ]. Ohne dass bisher evidenzbasierte Daten vorliegen, hat sich der Begriff der „eco-anxiety“ für Menschen neu etabliert, die aus Sorge vor dem Klimawandel und damit einhergehenden depressiven Symptomen, Angstsymptomen und Stress professionelle therapeutische Hilfe aufsuchen [eREF15].

      Körperliche und psychische Belastungen in Folge von Klimamigration

      Als direkte Folge der Extremwetterereignisse, der lokalen Hitzephänomene und des Anstiegs des Meeresspiegels sowie durch die indirekten Folgen der Erhöhung der mittleren Erdtemperatur in Form von Nahrungsmittelverknappung wird es unweigerlich zu Flucht- und Migrationsbewegungen kommen. Aktuell befinden sich weltweit ca. 70,8 Millionen Menschen auf der Flucht [

      UNHCR Deutschland (2019) Statistiken. https://www.unhcr.org/dach/de/services/statistiken Zugegriffen: 11. November 2019.

      ]. Die Zahl der Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt aufgrund klimatischer Veränderungen verlagern, wird aktuell auf 17,2 Millionen geschätzt [eREF16]. Es ist davon auszugehen, dass bei einer ungebremsten Emission aufgrund der damit verbundenen klimatischen Veränderungen bis zum Jahr 2050 zusätzliche 140 Millionen Menschen der Sub-Sahara, aus Süd-Asien und Latein-Amerika ihre Heimat verlassen werden (müssen) [
      • Rigaud K.K.
      • Jones B.
      • Bergmann J.
      • et al.
      Groundswell: Preparing for Internal Climate Migration. World Bank.
      ]. Fluchtbewegungen bringen häufig physische und psychische Extremsituationen wie Hunger, Kälte, Bedrohung mit dem Tod, Vergewaltigung und Versklavung im Sinne von peri-Migrationsbelastungen mit sich [eREF17].

      Das Gesundheitssystem als CO2-Emittent

      CO2-Emissionen durch die nationalen Gesundheitssysteme machen zwischen 3% (Großbritannien, China) und 10% (USA, Australien) der jeweils nationalen CO2-Gesamtemission aus [
      • Malik A.
      • Lenzen M.
      • McAlister S.
      • McGain F.
      The carbon footprint of Australian health care.
      ] [27,eREF18]. International wird dieser Wert auf insgesamt 4,4% geschätzt [
      • Litke N.
      • Wensing M.
      • Szecsenyi J.
      • Weis A.
      Green Hospitals: Klimaschutz im Krankenhaus.
      ]. Für Deutschland wir ein Wert von 5,2% (www.noharm-global.org) angenommen. Das Betreiben öffentlicher und privater Krankenhäuser, deren Energiebedarf, die verbundene Warenlogistik, Herstellung und Transport pharmazeutischer Produkte und vorgenommene (weitere) Baumaßnahmen sind im Gesundheitswesen die Sektoren mit dem höchsten CO2-Verbrauch [27,eREF18]. Es wird angenommen, dass durch die Bandbreite an Emissionen, die durch das Gesundheitssystem im Jahr 2013 in den U.S.A erzeugt und in die Atmosphäre verbracht wurde (z.B. Treibhausgase, Smog, Ozon) ein erheblicher gesundheitlicher Schaden mit einem Verlust von über 400.000 DALYs (disability-adjusted life year) entstand [eREF19]. In den Krankenhäusern bestehen umweltbezogene Belastungen vor allem durch einen hohen Wasserbedarf von bis zu 600 l / Bett und Tag, die ineffiziente Energieverwertung, das unzureichende Abfallmanagement und klimaschädliche Baumaßnahmen [
      • Litke N.
      • Wensing M.
      • Szecsenyi J.
      • Weis A.
      Green Hospitals: Klimaschutz im Krankenhaus.
      ].

      Lösungsansätze und Implikationen für das Gesundheitswesen

      Psychologische Aspekte zur Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln

      Die Klimapsychologie beschäftigt sich mit den psychischen Auswirkungen und Folgen sowie den psychischen Ressourcen im Rahmen der globalen Erwärmung. Eine zentrale Rolle spielt hier die Frage, weshalb wir zwar um die Realität der klimatischen Veränderungen wissen, wir zeitgleich diese Erkenntnisse jedoch nicht handlungsleitend nutzen. Hierbei spielt maßgeblich der Umstand eine Rolle, dass eine Gefährdung dann als eine solche wahrgenommen wird, wenn sie unmittelbar, konkret und unstrittig ist [eREF20]. Trotz der von der Erderwärmung ausgehenden erheblichen Gefahr fehlen dem Klimawandel diese distinkten Merkmale. Zudem spielen bei der Frage, welche Fakten zum Klimawandel wir anerkennen oder nicht, „kognitive Verzerrungen“ eine Rolle [
      • Clayton S.
      • Devine-Wright P.
      • Stern P.C.
      • et al.
      Psychological research and global climate change.
      ] (siehe Abbildung 2). Psychodynamische Ansätze sehen unerträgliche Gefühle wie Trauer, Schuld, Neid und Ohnmacht als zentral dafür an, dass wir den Klimawandel in all seinen Konsequenzen und den resultierenden Handlungserfordernissen weitgehend ausblenden und uns in das Omnipotenzgefühl retten, die Krise mit Innovationen und technischen Maßnahmen bewältigen zu können [
      • Nikendei C.
      Klima Psyche und Psychotherapie.
      ]. Vor allem bei der Suche nach Lösungsansätzen gestalten sich diese aufgrund der Multivalenz der einzelnen Problemstellungen (z.B. Beendigung des Kohletagebaus, Umgang mit Inlandsflügen, CO2-Besteuerung u.v.a.m.) als zum Teil widersprüchlich. Auch das Phänomen des „vertrackten Problems“ („wicked problem“) [eREF21], welches dadurch gekennzeichnet ist, dass einzelne Lösungen wiederum schwerwiegende Folgeprobleme nach sich ziehen und an die Grenze unseres intellektuellen Fassungsvermögens gelangen („bounded rationality“), trägt maßgeblich zum sogenannten „value-action-gap“, der Kluft zwischen Wissen und Handeln, bei.
      Figure thumbnail gr2
      Abbildung 2Unterschiedliche Formen der kongnitiven Verzerrung mit zugenhongen Definitionen (nach[
      • Bracha S.
      Freeze, Flight, Fight, Fright Faint: Adaptationist Perspectives on the Acute Stress Response.
      ,

      Organization WHO (2008) Healthy hospitals, healthy planet, healthy people. Addressing climate change in health care settings 2008. https://www.who.int/globalchange/publications/climatefootprint_report.pdf Zugegriffen: 15.06.2020.

      ]).

      Erste Erfolge

      Neben all den Schwierigkeiten zeichnen sich global auch erste Erfolge ab. Es scheint realistisch, dass bis 2030 die Hälfte des weltweit erzeugten Stroms durch erneuerbare Energien gedeckt wird [
      • Figueres C.
      • Le Quéré C.
      • Mahindra A.
      • Bäte O.
      • Whiteman G.
      • Peters G.
      • Guan D.
      Emissions Are Still Rising: Ramp Up the Cuts.
      ]. Aktuell werden Kohlekraftwerke vom Netz genommen und im Bau befindliche oder geplante Kohlekraftwerke von diversen Banken nicht mehr finanziert. Zeitgleich gibt es Fortschritte im Bereich der Energiespeicherung, so dass bis 2040 voraussichtlich Energie-Speichersysteme für 7% der weltweiten Energie zur Verfügung stehen werden [
      • Figueres C.
      • Le Quéré C.
      • Mahindra A.
      • Bäte O.
      • Whiteman G.
      • Peters G.
      • Guan D.
      Emissions Are Still Rising: Ramp Up the Cuts.
      ]. Im ersten Halbjahr 2017 ist der Verkauf von Elektroautomobilen global um 66% gestiegen [
      • Figueres C.
      • Le Quéré C.
      • Mahindra A.
      • Bäte O.
      • Whiteman G.
      • Peters G.
      • Guan D.
      Emissions Are Still Rising: Ramp Up the Cuts.
      ]. Manche Länder haben ein Datum festgelegt, ab dem Autos mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren nicht mehr verkauft werden dürfen (z.B. Norwegen für das Jahr 2025). Und auch die Schwerindustrie der „entwickelten Länder“ hat sich selbstverpflichtet, bis 2050 emissionsneutral zu produzieren [
      • Figueres C.
      • Le Quéré C.
      • Mahindra A.
      • Bäte O.
      • Whiteman G.
      • Peters G.
      • Guan D.
      Emissions Are Still Rising: Ramp Up the Cuts.
      ]. Und nicht zuletzt: die CO2-Preise steigen [
      • Figueres C.
      • Le Quéré C.
      • Mahindra A.
      • Bäte O.
      • Whiteman G.
      • Peters G.
      • Guan D.
      Emissions Are Still Rising: Ramp Up the Cuts.
      ].

      Persönliche Maßnahmen

      Auf persönlicher Ebene verfügt jeder Mensch gegenwärtig über ein CO2-Guthaben von ca. 2,5 t CO2e pro Jahr, dies entspricht in etwa einem Hin- und Rückflug von Frankfurt am Main / Deutschland nach Dubai in der Economy Class. Das CO2-Guthaben ist dabei in der Tendenz fallend, da die gesamte Menschheit bis 2050 „Netto Null“- bzw. Negativ-Emissionen erreichen muss [

      IPCC (2013) Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Stocker TF, Qin D, Plattner G-K, et al. (Hrsg.)]. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA, 1535 pp.

      ]. Bezogen auf einen Tag beträgt das derzeitige Guthaben an CO2 ca. 6,8 kg pro Person – eine Menge, die bereits bei der Autofahrt einer Einzelperson von ca. 65 km Länge mit einem durchschnittlichen Kleinwagen freigesetzt wird. Um den individuellen CO2-Verbrauch abschätzen zu können, empfiehlt sich die Verwendung eines CO2-Rechners (z.B. www.eingutertag.org; Pendos-CO2-Zähler; CO2-Rechner des Umweltbundesamtes). Letztlich können nur durch einen reduzierten Konsum CO2-Emmissionen vermieden werden. An zweiter Stelle steht die Suche nach Alternativen wie z.B. die Nutzung von Fahrrad oder ÖPNV anstatt des PKWs (siehe Tabelle 2). Die damit auch verbundenen gesundheitlichen Vorteile verschiedener Maßnahmen liegen auf der Hand. Lassen sich einzelne CO2-verbrauchende Aktivitäten, wie z.B. eine dienstliche Flugreise, nicht vermeiden, so gibt es die Möglichkeit, hierfür eine CO2-Kompensation zu leisten. Diese Kompensationsmöglichkeiten (z.B. 23 € pro Tonne CO2 bei www.atmosfair.de) sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich unsere „unbegrenzte CO2-Emission“ auf der Nordhalbkugel nicht allein mit der Förderung klimafreundlicher Projekte auf der Südhabkugel kompensieren lässt. Im Zentrum aller Bemühungen muss daher stehen, dass der Einsatz fossiler Rohstoffe reduziert wird.
      Tabelle 2Einsparungen von CO2e (CO2-Äquivalente) durch verhaltensmodifizierende Maßnahmen, basierend auf www.eingutertag.org.
      VerhaltensweiseCO2e-Ver-brauch [kg]Alternative VerhaltensweiseCO2e-Verbrauch [kg]CO2e-Einsparung [kg]Einsparung in Tagesbudgets (TB)
      Fahrt PKW 1 Pers.
      Fahrtstrecke bzw. Flugstrecke 100km.
      10,68Fahrt PKW 4 Pers.2,668,021 TB + 18,0% eines weiteren TB
      Fahrt PKW 1 Pers.
      Fahrtstrecke bzw. Flugstrecke 100km.
      10,68Linienbus8,642,0430,0%
      Fahrt SUV 1 Pers.
      Fahrtstrecke bzw. Flugstrecke 100km.
      35,77Linienbus8,6427,133 TB + 99,0% eines weiteren TB
      Flugzeug
      Fahrtstrecke bzw. Flugstrecke 100km.
      ,
      Berechnung für Inlandsflüge.
      25,03Reisebus3,6821,353 TB + 81,1% eines weiteren TB
      Flugzeug
      Fahrtstrecke bzw. Flugstrecke 100km.
      ,
      Berechnung für Inlandsflüge.
      25,03Zug3,6821,353 TB + 81,1% eines weiteren TB
      Duschen 8 min.1,09Duschen 4 min.0,550,548,0%
      Cheeseburger2,51Veggieburger1,021,4921,9%
      * Fahrtstrecke bzw. Flugstrecke 100 km.
      a Berechnung für Inlandsflüge.

      Politische Maßnahmen

      Politische Maßnahmen können einen entscheidenden Regulationsrahmen für die Reduktion von Treibhausgasen darstellen. Diese sollten - in Analogie zu den Regularien in der Corona-Pandemie - zum Ziel haben, nicht nur das Glück des Einzelnen in den Mittelpunkt zu stellen, sondern in stärkerem Maße als bisher auch den Schutz der Grundlagen für das langfristige Überleben der Menschheit sicherzustellen [eREF22]. Vor diesem Hintergrund ist die vordringlichste Aufgabe, im Energiesektor die fossilen Brennstoffe durch erneuerbare Energien zu ersetzen [
      • Figueres C.
      • Le Quéré C.
      • Mahindra A.
      • Bäte O.
      • Whiteman G.
      • Peters G.
      • Guan D.
      Emissions Are Still Rising: Ramp Up the Cuts.
      ]. Für den Verkehrssektor müssen Standards für die Emissionen etabliert werden, die elektrobasierte Fortbewegung gefördert und der öffentliche Nah- und Fernverkehr ausgebaut werden [
      • Figueres C.
      • Le Quéré C.
      • Mahindra A.
      • Bäte O.
      • Whiteman G.
      • Peters G.
      • Guan D.
      Emissions Are Still Rising: Ramp Up the Cuts.
      ]. Im Landwirtschaftssektor muss die Landnahme beendet werden, um die CO2-Speicher zu erhalten [
      • Figueres C.
      • Le Quéré C.
      • Mahindra A.
      • Bäte O.
      • Whiteman G.
      • Peters G.
      • Guan D.
      Emissions Are Still Rising: Ramp Up the Cuts.
      ]. Das Potential der Ausdehnung der Waldflächen in China und Indien umfasst eine Bindungskapazität von ca. 1,750 GT CO2 pro Jahr [
      • Figueres C.
      • Le Quéré C.
      • Mahindra A.
      • Bäte O.
      • Whiteman G.
      • Peters G.
      • Guan D.
      Emissions Are Still Rising: Ramp Up the Cuts.
      ]. Mit dem Klimaschutzpaket hat die deutsche Bundesregierung ein Maßnahmenpaket beschlossen, welches versucht, auch die sozialen Folgen des politischen Handelns zu bedenken. Die darin formulierten Maßnahmen werden allerdings nicht genügen, um die anvisierten Klimaziele zu erreichen [

      MCC Mercator Institute on Global Commons and Climate Change, Forschung. https://www.mcc-berlin.net/forschung.html, 2018.(zugegriffen: 11 November 2019).

      ].

      Wirtschaftsökonomie

      Bereits jetzt nutzen wir energieaufwendige Prozesse mit hoher Effizienz, so dass hier nur bedingt weitere Einsparungspotentiale zu erwarten sind. Neben Effizienzstrategien, also der möglichst ergiebigen Nutzung von Materie und Energie, sollen Konsistenzstrategien, bei welchen naturverträgliche Technologien in Industrieprozessen zum Einsatz kommen, eine nachhaltige Symbiose aus Natur und Technik ermöglichen („Craddle-to-Craddle-Prinzip“). Eine weitere bedeutsame Säule zu einem naturverträglichen menschlichen Dasein stellen Suffizienzstrategien dar, bei denen es um den sorgsamen, maßvollen und verantwortungsvollen Einsatz von vorhandenen und meist endlichen Ressourcen geht, der auch Aspekte von überlegtem Konsum, langfristiger und gemeinschaftlicher Nutzung und Wiederverwertung von Konsumgütern umfasst [
      • Paech N.
      Befreiung vom Überfluss. Auf dem Weg in die Postwachstums-Ökonomie (10. Auflage). Oekom Verlag.
      ].

      Innovationen und die Idee des „technical fix“

      Technische Innovationen werden bei der Bewältigung der bevorstehenden Herausforderungen eine relevante Rolle spielen müssen. Allerdings bergen sie auch eigene Risiken und Limitationen. Wenn z.B. alle 54 Mio. deutsche PKW mit Elektromotoren ausgestattet wären und jeder 50. Besitzer abends seinen PKW laden wollte, wäre eine Netzleistung von mindestens 350 Terawatt (TW) vorzuhalten [eREF23]. Die aktuelle Netzleistung beträgt aktuell jedoch ca. 68 TW. An diesem Beispiel zeigt sich, dass für Alternativen nicht ausschließlich Vorteile bestehen, sondern auch kritische Aspekte wirksam werden. Neben solchen Innovationen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes sollen wiederum andere technische Verfahren dazu beitragen, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen, um „negative Emissionen“ zu erzeugen, z.B. durch Wiederaufforstungsmaßnahmen, das Düngen von Ozeanen oder das Herausfiltern von CO2 aus der Atmosphäre („direct air capture“) [

      MCC Mercator Institute on Global Commons and Climate Change, Forschung. https://www.mcc-berlin.net/forschung.html, 2018.(zugegriffen: 11 November 2019).

      ]. Die CO2-Capture-Verfahren sind sehr kostenaufwendig: ca. 700 Euro für eine Tonne CO2 [eREF24]. Den Verfahren zur Erzeugung „negativer Emissionen“ ist gemein, dass Sie im Wesentlichen versuchen, die Klimaschädlichkeit unserer Lebensweise abzuschwächen, ohne jedoch den Rohstoff- und Energieaufwand zu begrenzen.

      Die Rolle von Ärztinnen und Ärzten und Angehörigen anderen Gesundheitsberufe

      Ärztinnen und Ärzten kommt eine besondere Verantwortung zu, die Gesundheit der Menschen zu schützen. Dies umfasst insbesondere auch die direkten und indirekten Auswirkungen des Klimawandels [eREF25]. Ihnen kommt somit eine wichtige Rolle bei der Aufklärung und Psychoedukation von Menschen in Hinblick auf den Klimawandel zu. Darüber hinaus werden sie als gesellschaftliche Rollenmodelle erachtet [eREF25]. Aktuelle Studien zeigen, dass werdende Ärzte zwar die Konsequenzen und Verantwortung ihres Handelns als Privatpersonen anerkennen, jedoch ihre Verantwortung als potentielle Vorbilder und Rollenmodelle in ihrer ärztlichen Funktion nicht antizipieren [eREF25]. Dieser Umstand unterstreicht die Bedeutsamkeit der Integration von Lerninhalten zu gesellschaftlichen, physischen und psychischen Konsequenzen der globalen Erwärmung in die Curricula medizinischer Gesundheitsberufe [eREF 27].

      Implikationen für die Gestaltung Medizinischer Curricula

      Die herausragende (gesellschaftliche) Rolle der Angehörigen der Gesundheitsberufe und insbesondere von Ärztinnen und Ärzten macht es notwendig, die Thematik des Klimawandels und die Folgen für die körperliche und psychische Gesundheit der Menschen in die medizinische Ausbildung zu integrieren. Die Curricula sollten dabei Themen wie „physikalische Grundlagen des Klimawandels“, „körperliche und psychische Folgen der globalen Erwärmung“, „Klimamigration“, „Klimaethik“ und „Klimakommunikation“ umspannen. Lehrveranstaltung zur globalen Erwärmung stellen als longitudinaler, integrierter Bestandteil medizinischer Ausbildungsgänge mit einer nachfolgenden Überprüfung von erworbenem Wissen und themenbezogenen Kompetenzen bisher eine Seltenheit dar [eREF28, eREF27].

      Erforderliche Maßnahmen im Gesundheitssystem

      Unseres Wissens nach ist Großbritannien aktuell das einzige Land, in dem ein Programm zur CO2-Reduktion für den Gesundheitssektor existiert und in dem systematisch wiederholt Messwerte zur CO2-Emission im Gesundheitswesen erhoben werden [eREF29]. Im Rahmen des WHO-Programms «Healthy Planet – Healthy Hospitals – Healthy People» [eREF30] werden unterschiedliche Maßnahmen zur CO2-Reduktion im Gesundheitssektor vorgeschlagen. Hierzu zählt die Reduktion des Energieverbrauchs inklusive der Verwendung ökologisch nachhaltiger Energieressourcen, die nachhaltige Gestaltung / Umrüstung von Gebäuden, die Abfallvermeidung und -wiederverwertung, die Verbesserungen des Transportwesens und Nutzung umweltverträglicher Transportmittel für Patienten und Angestellte sowie für Dienstreisen, zudem die Fokussierung auf lokal angebaute und ökologisch produzierte Nahrungsmittel und der sorgsame Umgang mit Wasserressourcen [
      • Tomson C.
      Reducing the carbon footprint of hospital-based care.
      ]. Eine direkt umsetzbare Maßnahme ist zudem in einem verbesserten und umfangreicheren Angebot an attraktiven vegetarischen und veganen Essensangeboten zu sehen, die eine Einsparung von Flächen für die Nutztierhaltung und damit auch eine Reduktion von CO2- und Methan-Emissionen nach sich ziehen. Weiterhin ist eine zügige CO2-Reduktion über Einsparungen und Effizienzsteigerungen beim Energieverbrauch zu erlangen [
      • Tomson C.
      Reducing the carbon footprint of hospital-based care.
      ]. Ein besonders großes CO2-Einsparungspotential bietet zudem eine Reduktion der Transportwege für Versorgungs- und Lieferketten [eREF18]. Entgegenstehende Ausschreibungsprozesse torpedieren diese Maßnahmen häufig, da unter kostengesichtspunkten europaweite Ausschreibungen vorgenommen werden (müssen).
      Ökologische Leitbilder für Gesundheitseinrichtungen sowie lokale und überregionale Klimaschutzbündnisse zwischen Kliniken und Gesundheitseinrichtungen können Nachhaltigkeitsprozesse begünstigen. Die Nichtregierungsorganisation „Health Care Without Harm“ haben den Begriff des „Green Hospital“ geprägt und definiert als ein Krankenhaus, welches die Gesundheit der Bevölkerung nicht nur auf rein medizinischer Ebene fördert, sondern auch den negativen Einfluss auf die Umwelt zu minimieren versucht, um schädliche Konsequenzen für die Gesundheit der Gesellschaft auszuschließen. Seit 2001 können Krankenhäuser mittels eines Gütesiegels des BUND e.V. als „Energiesparendes Krankenhaus“ zertifiziert werden. Auch die Bundesregierung unterstützt mit den Programmen „KLIK – Klimamanager für Kliniken“ und „KLIK green“ die Energieeinsparung, Effizienzsteigerung und Nachhaltigkeit den Klimaschutz im Krankenhaus [
      • Litke N.
      • Wensing M.
      • Szecsenyi J.
      • Weis A.
      Green Hospitals: Klimaschutz im Krankenhaus.
      ]. Neben den aufgezeigten Maßnahmen für das Gesundheitssystem gilt es auch auf der Individualebene die Idee eines „Grünen Krankenhauses“ zu vertreten. Die einzelnen im Gesundheitswesen Tätigen sollte daher versucht sein, Dienstreisen auf ein notwendiges Maß zu reduzieren, ein energie- und ressourcensparendes Arbeiten (PC zum Feierabend abschalten, Lichtschalter beim Verlassen eines Raumes betätigen, nur so viel Verbrauchsmaterial öffnen, wie medizinisch erforderlich, Heizungen beim Verlassen der Räume herunterregulieren oder ausschalten) dazu beitragen, dass sich der CO2-Fußabdruck der Gesundheitseinrichtung verringert.

      Motivationspsychologische Aspekte

      Verhaltensänderungen sind große Herausforderungen, vor allem, wenn Sie im Falle der CO2-Reduktion mit Maßhalten und bewusstem Konsum assoziiert werden. Sie gelingen meist dann am besten, wenn damit eigene transzendente Werte und eigener Status symbolhaft zum Ausdruck gebracht werden können und das soziale Umfeld eine unterstützende Haltung einnimmt. Intrinsische Motivationsfaktoren wirken dabei nachhaltiger als extrinsische Motivationen, wie z.B. monetäre Anreize. Die beste Möglichkeit, als einzelner Mensch aktiv zu werden, ist das Handeln im sozialen Kollektiv [
      • Clayton S.
      • Devine-Wright P.
      • Stern P.C.
      • et al.
      Psychological research and global climate change.
      ]. Auch internetbasierte Informationen zu diesem Thema und motivierende Berichte über persönliche Erfolgserlebnisse zu Lebensstiländerungen können zu eigenen Aktivitäten anregen (z.B. www.klimaandmore.de). Äußerst fragwürdig bleibt, ob die Klimakrise durch Innovation und Wettbewerb allein zu bewältigen ist, zumal die Klimaveränderungen so weitreichend fortgeschritten sind, dass ein akutes Handeln vonnöten ist. Allerdings sollten wir angesichts des Ausmaßes der Bedrohung alle Hebel in Bewegung setzen, um das vereinte Potential aus politischer, wirtschaftsbezogener, innovativer und persönlicher Handlungsanstrengung zu nutzen. Es bleibt zu hoffen, dass ein gesellschaftlicher Wertewandel möglich wird, der neue ethische Maßstäbe mit sich bringt, wie es sich beispielswiese beim Phänomen der „Flugscham“ andeutet, welches klimabezogene Beschämungsgefühle für die Inanspruchnahme von Flugreisen beschreibt. Idealerweise kommen nicht nur klimatische Kipp-Punkte, sondern auch „soziale Kipp-Punkte“, also eine gesamtgesellschaftliche Änderung von Wertehaltungen in Bezug auf die globale Erwärmung zum Tragen, welche ein suffizientes Gegengewicht darstellen können [
      • Bentley R.A.
      • Maddison E.J.
      • Ranner P.H.
      • et al.
      Social tipping points and Earth systems dynamics.
      ].

      Fazit

      Die Erderwärmung ist eine elementare Bedrohung für die menschliche Zivilisation. Dem Ausstoß von Treibhausgasen, der eng mit unseren Verhaltensweisen und unserem Wirtschaftsgefüge assoziiert ist, kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Klimawandelfolgen gehen mit einer Häufung von Temperaturrekorden und Hitzewellen sowie Dürren mit resultierenden Ernteeinbußen einher. Auch die Folgen für den menschlichen Körper und seine Psyche und resultierende Migrationsbewegungen sind enorm. Trotz dieser immensen Gefährdung lässt sich ein Widerspruch zwischen „Wissen und Handeln“ feststellen. Dringlich erforderlich sind Maßnahmen auf politischer, innovativer, wirtschaftlicher und persönlicher Ebene. Die Institutionen des Gesundheitswesens tragen als bedeutsame Emittenten von Treibhausgasen dabei eine relevante Verantwortung. Menschen, die im Gesundheitswesen tätig sind, können einerseits als Behandler von vom Klimawandel betroffenen Patienten mit den Auswirkungen konfrontiert werden, andererseits als Personen mit möglicher Vorbildfunktion in Erscheinung treten und sich an energiesparenden Maßnahmen im Gesundheitssystem beteiligen und sich für diese stark machen. Notwendigen umfassenden Lebens(stil)änderungen bergen neben den Aspekten eines bewussteren Umgangs mit unseren Ressourcen auch die Chancen einer neuen Form der gesellschaftlichen Solidarität.

      Interessenkonflikt

      Alle Autoren erklären hiermit, dass ethische Leitlinien bei der Erstellung des Manuskriptes eingehalten wurden. Alle Autoren erklären und bestätigen, dass keinerlei Interessenskonflikte vorliegen.

      Autorenschaft

      CN konzeptualisierte die Übersichtsarbeit, CN, TJB, SJK, MK nahmen die Literatur-Recherche vor. FN und SJK waren für die Erstellung der Abbildungen verantwortlich (FN für Abb. 1, SJK für Abb. 2). CN schrieben den ersten Entwurf des Manuskriptes. Alle Autoren begutachteten den Entwurf und trugen substantiell zur Überarbeitung und Erweiterung des Manuskriptes bei.

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