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Research Article| Volume 112, SUPPLEMENT 1, S11-S15, 2016

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Registerdaten zur Nutzenbewertung – Beispiel TraumaRegister DGU®

  • Rolf Lefering
    Correspondence
    Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Rolf Lefering, Institut für Forschung in der operativen Medizin (IFOM), Universität Witten/Herdecke, Ostmerheimer Str. 200, 51109 Köln
    Affiliations
    Institut für Forschung in der operativen Medizin (IFOM), Universität Witten/Herdecke, Köln, Deutschland
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      Summary

      In some situations like a rare disease or an emergency intervention, a randomized controlled trial is rather difficult or even impossible to conduct. In these cases, the use of observational studies or registries for the assessment of effectiveness is discussed. Results from registries, however, are subject to the same methodological limitations as any non-randomized comparison. Specifically, the comparability of selected patient groups is not ensured.
      Using three examples from the TraumaRegister DGU®, a nationwide registry for severely injured patients in Germany, the advantages as well as the risks of outcome evaluation with registry data will be discussed: 1) whole-body computed tomography in the early in-hospital phase, 2) pre-hospital volume resuscitation, and 3) surgical treatment according to the principle of damage control.
      The most important prerequisite for any successful outcome evaluation using registry data is the documentation and availability of so-called confounding variables (prognostic factors), the absence of an accepted standard treatment, i.e., both interventions are routinely applied in similar situations, and, finally, the use of sophisticated statistical methods for multivariate adjustment of results.

      Zusammenfassung

      In manchen Fällen wird diskutiert, ob Ergebnisse aus Registerdaten zur Nutzenbewertung herangezogen werden sollten, insbesondere wenn die Durchführung klassischer randomisierter Studien schwierig oder kaum möglich ist, oder wenn es sich um seltene oder sehr akute Erkrankungen handelt. Die methodenbedingten Einschränkungen nicht-randomisierter Studien gelten natürlich auch für Registerdaten. Insbesondere ist eine primäre Vergleichbarkeit der Therapiegruppen in der Regel nicht gegeben. An drei Beispielen aus dem Bereich der Schwerverletztenversorgung (TraumaRegister DGU® der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie) soll gezeigt werden, welche Möglichkeiten und Grenzen für Registerdaten bestehen: 1. die Ganzkörper-Computertomographie im Schockraum; 2. die präklinische Volumentherapie, und 3. die operative Versorgung nach dem Damage Control Prinzip. Die wichtigsten Voraussetzungen für mögliche Vergleiche von Interventionen in Registern sind eine möglichst gute Kenntnis und Dokumentation von Confoundern, das Fehlen eines Therapiestandards, d.h. die beiden zu vergleichenden Maßnahmen müssen routinemäßig eingesetzt werden, sowie die Verwendung multivariater statistischer Verfahren zur Adjustierung der Ergebnisse.

      Schlüsselwörter

      Keywords

      Einleitung

      Die randomisiert-kontrollierte Studie ist der Goldstandard der Nutzenbewertung in der Medizin. Bei hinreichend großer Fallzahl generiert sie vergleichbare Gruppen von Patienten, und Unterschiede im Behandlungsergebnis lassen sich dann mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die unterschiedliche Behandlung in den Studiengruppen zurückführen. Die Durchführung randomisierter Studien ist allerdings zeitaufwändig, teuer, und verlangt von den Beteiligten die Bereitschaft zu experimentellem Handeln. Zudem gibt es Bereiche, wo die Durchführung randomisierter Studien eingeschränkt ist, zum Beispiel wenn die Erkrankung selten ist, die Ergebnisse erst sehr spät sichtbar werden, oder wenn akutes Handeln erforderlich ist. Das letzte trifft auf die Notfallmedizin zu. In diesen Situationen wird oft die Frage gestellt, ob nicht auch Ergebnisse aus prospektiven Beobachtungsstudien oder Registern zur Nutzenbewertung herangezogen werden können.
      Um aus Registerdaten Hinweise zum Nutzen einer Intervention zu erlangen, sind mehrere Voraussetzungen notwendig: 1. Es muss in etwa vergleichbare Situationen geben, wo bei einigen Patienten die Intervention durchgeführt wird, bei anderen aber nicht. Sobald eine Intervention als Standard anerkannt ist und flächendeckend angewendet wird, lassen sich keine Vergleiche mehr durchführen. 2. Potentielle Confounder müssen bekannt und dokumentiert worden sein. Confounder sind Faktoren, die neben der betrachteten Intervention ebenfalls einen Effekt auf das Behandlungsergebnis haben können. Confounder können in der Person des Patienten (Alter, Vorerkrankungen), in der Erkrankung (Schweregrad, Stadium) oder in der Vorbehandlung zu finden sein. 3. Es müssen Methoden angewendet werden, die eine möglichst gute Vergleichbarkeit erzeugen. Da zugleich mehrere Faktoren zu berücksichtigen sind, handelt es sich zumeist um multivariate Verfahren [
      • Lefering R.
      Strategies for comparative analyses in registry data.
      ].
      An Hand von drei klinischen Beispielen aus demTraumaRegister DGU® (TR-DGU) der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) soll exemplarisch gezeigt werden, welche Möglichkeiten und Schwierigkeiten beim Nachweis eines Nutzens mit Registerdaten existieren.

      TraumaRegister DGU

      Das TraumaRegister DGU® wurde 1993 von 5 deutschen unfallchirurgischen Kliniken geründet, nach dem Vorbild der Major Trauma Outcome Study in den USA [
      • TraumaRegister DGU
      20 years TraumaRegister DGU®: Development, aims and structure.
      ]. Primäres Ziel war der externe Qualitätssicherung, also der Vergleich von Behandlungsergebnissen Schwerverletzter zwischen mehreren Kliniken. Darüber hinaus sollte der über die Jahre anwachsende Datensatz auch für wissenschaftliche Auswertungen zur Verfügung stehen. Seit Gründung lokaler TraumaNetzwerke, in denen die Kliniken auditiert und zertifiziert werden, ist das TR-DGU ein verpflichtendes Instrument zur Qualitätssicherung. Pro Jahr werden derzeit über 35.000 Patienten aus etwa 600 Kliniken dokumentiert [
      • TraumaRegister DGU
      20 years TraumaRegister DGU®: Development, aims and structure.
      ]. Es werden nicht alle Verletzten erfasst, sondern nur die besonders schwer Verletzten, weil sich hier das Zusammenwirken verschiedener Fachdisziplinen besonders gut darstellen lässt. Als Einschlusskriterium dient die Intensivpflichtigkeitvon Patienten, die über den Schockraum aufgenommen werden. Pro Patient werden abhängig von der Anzahl von Verletzungen ca. 100 Daten erfasst. Kleinere Häuser innerhalb vonTraumaNetzwerken können auch einen reduzierten Datensatz mit ca. 40 Angaben pro Patient verwenden.
      Alle teilnehmenden Kliniken erhalten einmal jährlich einen ausführlichen Qualitätsbericht. Dabei steht als primäres Outcome-Kriterium die Sterblichkeit im Mittelpunkt. Um unterschiedliche Krankenhäuser hinsichtlich ihrer Sterblichkeit miteinander vergleichen zu können, wird eine erwartete Sterblichkeit (Prognose) ermittelt. Dazu wird ein im TR-DGU entwickelter und wiederholt validierter Prognosescore eingesetzt, der Revised Injury Severity Classification Score [
      • Lefering R.
      Development and validation of the Revised Injury Severity Classification (RISC) score for severely injured patients.
      ]. Seit 2013 existiert eine aktualisierte Version dieses Scores, der RISC II, entwickelt mit Daten von über 30.000 Unfallopfern [
      • Lefering R.
      • Huber-Wagner S.
      • Nienaber U.
      • Maegele M.
      • Bouillon B.
      Update of the trauma risk adjustment model of the TraumaRegister DGU: the revised injury severity classification, version II.
      ]. Er enthält 13 verschiedene Angaben vom Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme, aus denen für jeden betroffenen Patienten eine Prognose berechnet werden kann. In Patientengruppen wird dann die gemittelte Prognose mit der tatsächlich beobachteten Sterblichkeit verglichen. So lassen sich auch Krankenhäuser mit unterschiedlich schwer verletzten Patienten und unterschiedlichen Letalitätsraten effektiv vergleichen.

      Klinische Beispiele

      Beispiel 1: Ganzkörper-Computertomographie
      Die Ganzkörper-Computertomographie (GK-CT) zur Diagnostik beim Schwerverletzten in der Schockraumphase ist ein Verfahren, das sich in den letzten 10 Jahren quasi zum Standard bei der Schwerverletztenversorgung entwickelt hat. Seit etwa 2010 erhalten relativ konstant etwa 80% aller Schwerverletzten ein GK-CT; weitere 10% ein (isoliertes) Schädel-CT. Seit der Datensatzrevision von 2002 wird ein GK-CT im Register erfasst; damals lag die Rate noch unter 10%. Seit dieser Zeit haben, unterstützt durch die technische Weiterentwicklung der Geräte, von Jahr zu Jahr mehr Schwerverletzte eine sogenannte „Traumaspirale“ erhalten. Es stellte sich dabei natürlich die Frage nach dem Nutzen dieser neuen Technologie, zumal die Strahlenbelastung für die Betroffenen deutlich größer ist als die der klassischen Röntgenuntersuchung.
      Basierend auf 4113 schwerverletzten Patienten aus den Jahren 2002-2004 (InjurySeverity Score ≥ 16) wurde daher anhand von Registerdaten geprüft, ob sich mit dieser Technologie ein Überlebensvorteil nachweisen ließ [
      • Huber-Wagner S.
      • Lefering R.
      • Qvick L.M.
      • Körner M.
      • Kay M.V.
      • Pfeifer K.J.
      • Reiser M.
      • Mutschler W.
      • Kanz K.G.
      the Working Group on Polytrauma (NIS) of the German Trauma Society (DGU)
      Whole Body Computed Tomography during Trauma Resuscitation - Effect on Outcome.
      ]. Neben dem alten TRISS Score aus der Major Trauma Outcome Study wurde auch der RISC Score aus dem TR-DGU (der Vorgänger des aktuellen RISC II) eingesetzt, um für Patienten mit bzw. ohne GK-CT eine erwartete Prognose zu berechnen. Es zeigte sich nämlich, dass eine GK-CT Untersuchung tendenziell bei etwas schwerer verletzten Unfallopfern eingesetzt wurde; ein direkter Vergleich wäre also verzerrt. Im Ergebnis zeigte sich, dass mit traditioneller Diagnostik die Sterblichkeit (21,3% bei n = 2713) und die Prognose (20,6%) nahezu identisch waren. Dahingegen zeigte sich bei Patienten mit einer GK-CT Untersuchung im Schockraum ein deutlicher Überlebensvorteil von etwa 3% (Sterblichkeit 19,9% bei n = 1400; Prognose 23,0%). Auch bei zusätzlichen Adjustierungen für das Jahr der Behandlung und das Traumazentrum blieb dieser Effekt stabil.
      In einem Leserbrief wurde uns vorgeworfen, den „Immortal Time Bias“ nicht berücksichtigt zu haben. Dieser besagt, dass Patienten in beiden Vergleichsgruppen zumindest die Möglichkeit für eine GK-CT Untersuchung haben müssten. Mit anderen Worten, besonders schwer verletzte Patienten, die inden ersten Minuten der Schockraumbehandlung versterben, können gar kein GK-CT erhalten haben und würden so die Gruppe von Patienten ohne GK-CT „künstlich“ verschlechtern. Tatsächlich konnten wir zeigen, dass mit 58 vs. 8 Patienten deutlich mehr Früh-Verstorbene (<30 Min.) in der Gruppe ohne GK-CT waren. Allerdings hatten diese Patienten auch eine sehr schlechte RISC-Prognose, so dass der Ausschluss dieser Fälle zu keiner Veränderung im Gesamtbefund führte.
      Eine Reihe weiterer Untersuchungen wurden mit TR-DGU Daten zum Nutzen einer GK-CT Untersuchung durchgeführt. So konnten wir mit ähnlicher Methodik zeigen, dass auch Patienten mit einem instabilen Kreislauf von dieser Untersuchung profitieren [
      • Huber-Wagner S.
      • Biberthaler P.
      • Häberle S.
      • Wierer M.
      • Dobritz M.
      • Rummeny E.
      • van Griensven M.
      • Kanz K.G.
      Lefering R and TraumaRegister DGU. Whole-body CT in haemodynamically unstable severely injured patients - A retrospective, multicentre study.
      ]. Auch der Standort des GK-CT Gerätes hat einen Einfluss; Kliniken, in denen sich der Scanner nicht im oder nahe beim Schockraum befindet, haben nachweislich ein schlechteres Outcome (wiederum im Vergleich von beobachteter und erwarteter Sterblichkeit) [
      • Huber-Wagner S.
      • Mand C.
      • Ruchholtz S.
      • Kühne C.
      • Holzapfel K.
      • Kanz K.G.
      • van Griensven M.
      • Biberthaler A.
      • Lefering R.
      TraumaRegister DGU. Effect of the localisation of the CT scanner during trauma resus-citation on survival – A retrospective, multicentre study.
      ].
      Beispiel 2: Präklinische Volumentherapie
      Die präklinische Volumengabe soll den Blutverlust ausgleichen und damit verhindern, dass der Blutdruck auf ein kritisches Niveau absinkt. Die Indikation zur präklinischen Volumengabe wird nach wie vor sehr liberal gesehen; mehr als 90% aller Schwerverletzten erhalten Volumen. Jedoch geht die gegebene Menge seit Jahren zurück. In den 1990er Jahren hat ein Schwerverletzter im Mittel fast 2 Liter Flüssigkeit erhalten, während die durchschnittliche Menge mittlerweile auf unter 800 ml zurückgegangen ist [
      • TraumaRegister DGU.
      20 years of trauma documentation in Germany – Actual trends and developments.
      ]. Gegner einer liberalen Volumengabe warnen, dass durch den Verdünnungseffekt das Blut seine physiologischen Aufgaben, insbesondere die Gerinnung, nicht mehr adäquat erfüllen kann.
      Da die präklinische Volumengabe (Art und Menge) im TR-DGU erfasst wird, könnte man versuchen, den Effekt einer präklinischen Volumengabe anhand der Registerdaten zu evaluieren. Da Patienten mit relevanter Volumengabe aber deutlich schwerer verletzt sind als Patienten, die kein Volumen (oder nur eine geringe Menge) erhalten haben, ist der direkte Vergleich von Patienten mit und ohne Volumengabe nicht sinnvoll. Hussmann et al. haben daher eine Matched-Pairs-Analyse durchgeführt, bei der für Patienten mit einer relevanten Volumengabe (>1500 ml) jeweils ein Partner mit geringer Volumengabe (≤1500 ml) gesucht wurde [
      • Hussmann B.
      • Lefering R.
      • Waydhas C.
      • Touma A.
      • Ruchholtz S.
      Lendemanns S and the Trauma Registry of the German Society for Trauma Surgery. Does increased prehospital replacement volume lead to a poor clinical course and an increased mortality? A matched-pair analysis of 1896 patients of the trauma registry of the German Society for Trauma Surgery who were managed by an emergency doctor at the accident site.
      ]. Alter, Geschlecht, Verletzungsmuster, Blutdruck und Unfalljahr mussten aber übereinstimmen. Es konnten auf diese Weise 1896 Pärchen gebildet werden, die sich in vielen Merkmalen sehr ähnlich waren. Dies trifft insbesondere auf die zum Matching verwendeten Variablen zu. Die durchschnittliche Volumengabe unterschied sich aber deutlich: 1110 versus 2649 ml.
      Betrachtet man nun die Sterblichkeit in den beiden Volumengruppen, zeigt sich ein deutlich schlechteres Ergebnis in der Gruppe mit viel Volumen: 27,6% der Patienten sind verstorben, gegenüber 22,7% in der Gruppe mit geringem Volumen. Ein Unterschied von etwa 5% absolut ist durchaus relevant, wenn er denn eindeutig auf die Volumengabe zurückgeführt werden könnte. Hier zeigt sich aber eine Limitation der verwendeten Analyse, weil ein wichtiger Prognosefaktor praktisch nicht messbar ist und daher auch nicht dokumentiert werden kann, und zwar die verlorene Blutmenge. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass einige Patienten in der Gruppe mit hohem Volumen doch einen deutlich höheren Blutverlust erlitten haben als Patienten der anderen Gruppe. Der Anteil von Patienten, die im Krankenhaus eine Massentransfusion benötigten, war mit 28% gegenüber 23% deutlich erhöht bei relevanter Volumengabe. Wendet man den RISC II Prognosescore an, dann sind in beiden Gruppen die prognostizierten Sterberaten nahezu identisch mit den beobachteten Sterberaten.
      Beispiel 3: Damage Control
      Mit dem Begriff “Damage Control” bezeichnet man eine Behandlungsstrategie, die versucht, bei Schwerverletzten die im Krankenhaus durchgeführten Maßnahmen auf das Nötigste zu beschränken, um dem Körper neben den erlittenen Unfallverletzungen nicht weitere Belastungen durch zusätzliche operative Eingriffe zuzufügen. Die externe Schienung von Knochenbrüchen (z.B. mit einem Fixateur externe) ist eine solche Maßnahme, die schnell eine Stabilisierung einer Fraktur erlaubt, aber deutlich weniger invasiv ist als eine Versorgung mit einem Nagel oder eine Platte. Eine definitive Versorgung (mit Nagel oder Platte) wird dabei zeitlich später durchgeführt, wenn die initiale Phase überstanden ist. Das Gegenteil einer „Damage Control“ Versorgung beschreibt man oft auch als „Early Total Care“.
      Eine Analyse im TR-DGU bei sehr schwer verletzten Patienten mit Frakturen konnte zeigen, dass Patienten, die nach dem Damage Control Prinzip versorgt wurden, durchaus gute Ergebnisse zeigten. Zu dem Zeitpunkt wurde das Damage Control Prinzip von einigen Kliniken befürwortet, andere waren dagegen skeptisch. Daraufhin wurde eine randomisierte Studie geplant und begonnen, das Protokoll dazu sowie die Ergebnisse aus dem TR-DGU wurden publiziert [
      • Rixen D.
      • Grass G.
      • Sauerland S.
      • Lefering R.
      • Raum M.R.
      • Yücel N.
      • Bouillon B.
      Neugebauer EAM and the Polytrauma Study Group of the German Trauma Society: Evaluation of criteria for temporary ex-ternal fixation in risk-adapted damage control orthopedic surgery of femur shaft fractures in mul-tiple trauma patients: ’Evidence based medicine’ versus ’reality’ in the trauma registry of the Ger-man Trauma Society.
      ]. Der Patienteneinschluss in diese Studie verlief aber deutlich schleppender als initial geplant. Ein wesentlicher Grund dafür war auch, dass mittlerweile viele Unfallchirurgen vom Damage Control Konzept überzeugt waren und die Bereitschaft sank, in der Akutphase große operative Eingriffe durchzuführen. Die Studie musste leider vor Erreichen der geplanten Fallzahl abgebrochen werden.
      Es wurde daher ein erneuter Versuch unternommen, mit aktuelleren (und größeren) Fallzahlen aus dem TR-DGU den Effekt einer Damage Control Behandlung nachzuweisen. Es zeigte sich aber, dass mittlerweile nur noch sehr wenige Patienten nach den Early Total Care Konzept versorgt wurden. Von diesen wenigen Patienten sind zudem nur sehr wenige verstorben. Ein solches Konzept wurde also nur noch dann eingesetzt, wenn sich die akute Situation des Patienten als sehr stabil herausstellte. Damit ist eine wesentliche Voraussetzung für die vergleichende Bewertung von Verfahren in Registern nicht mehr gegeben: der parallele Einsatz beider Verfahren. Early Total Care wurde beim instabilen Patienten quasi nicht mehr angewendet.

      Diskussion

      Unbestritten erzeugt eine Randomisierung bei hinreichend großer Fallzahl die besten Veraussetzungen für einen validen Vergleich von zwei Interventionen, da sowohl bekannte wie unbekannte Einflussfaktoren auf das Ergebnis (Confounder) gleichmäßig auf beide Studiengruppen verteilt werden. In nicht-randomisierten Vergleichsstudien ist diese Vergleichbarkeit in der Regel nicht gegeben. Eine Überprüfung hinsichtlich der Vergleichbarkeit kann sich nur über bekannte und dokumentierte Faktoren erstrecken. Diese Einschränkung besteht grundsätzlich auch bei allen Analysen von Registerdaten.
      Auf der anderen Seite bieten Registerdaten aber auch Vorteile: Es besteht kein sogenannter „Studieneffekt“ (auch Hawthorne-Effekt), der darauf beruht, dass alle Beteiligten einer Studie um den experimentellen Charakter der Untersuchung wissen. Registerdaten stellen dagegen ein Abbild der Versorgungsrealität dar. Oft stehen in Registern auch deutlich mehr Fälle zur Verfügung als in klinischen Studien. Zugleich ist auch der Dokumentationsaufwand in Registern deutlich geringer. Allerdings ist auch der Umfang der Dokumentation in Registern in der Regel wesentlich geringer, und auch bei der Datenqualität stehen nicht die gleichen Möglichkeiten zur Verfügung wie in Studien (Source Data Verification, Monitoring, etc.).
      Gerade in Bereichen, wo wegen akuten Handlungsbedarfs die Durchführung randomisierter Studien sehr aufwändig und organisatorisch schwierig ist, stellt sich daher die Frage, ob nicht doch Registerdaten zur Bewertung von Interventionen herangezogen werden können. Sie stellen zumindest ein gewisses Maß empirischer Evidenz dar und sind oft valider als Expertenmeinungen. In Situationen, wo randomisierte Studien gut durchführbar sind, bei elektiven Eingriffen oder Therapien zum Beispiel, werden Register eher dazu genutzt, die Ergebnisse randomisierter Studien zu validieren und ihre Anwendung in der Routine zu beschreiben.
      Zu den Limitationen von Ergebnissen aus Registerdaten, die man kennen sollte, wenn man diese Daten interpretiert, gehört die Einsicht, dass man nur für bekannte und dokumentierte Confounder adjustieren kann. In der Schwerverletztenversorgung wird oft die Sterblichkeit als primäres Zielkriterium erachtet, was bei Raten von 10-20% durchaus angemessen ist. Als Confounder würde man hier alle jene prognostischen Faktoren betrachten, die einen Einfluss auf das Überleben eines Unfallopfers haben. Hierzu gibt es sehr viele wissenschaftliche Untersuchungen, und man kann heute sehr gut viele Faktoren benennen, und die Stärke ihres Einflusses quantifizieren. Man weiß zum Beispiel sehr gut, dass etwa ab einem Alter von 55-60 Jahren das Alter einen unabhängigen Beitrag zum Outcome der Patienten beiträgt. Und dieser Beitrag ist nicht linear, sondern steigert sich mit dem Alter. Moderne Prognose-Systeme (wie der RISC II im TR-DGU) fassen multiple Befunde zusammen und sind in der Lage, für Gruppen von Patienten valide Prognosen zu stellen. Mit Hilfe solcher Systeme kann man nicht nur die Behandlungsqualität unterschiedlicher Krankenhäuser miteinander vergleichen (im Sinne einer externen Qualitätssicherung), sondern auch wissenschaftliche Untersuchungen zur Effektivität bestimmter Interventionen durchführen.
      Trotzdem zeigen die oben beschriebenen Beispiele, dass auch bei bester Planung und der Verwendung hoch entwickelter Methoden die Befunde nie ganz frei von Verzerrung sein können. Beim Schwerverletzten ist der Blutverlust dafür ein gutes Beispiel. Diese Größe lässt sich weder valide messen noch schätzen. Daher sind wir auf sekundäre Messwerte wie das Hämoglobin, den Blutdruck, die Gerinnung oder das Basendefizit angewiesen.
      Eine weitere wichtige Voraussetzung für Vergleiche innerhalb von Registerdaten, die oft übersehen wird, ist die Abwesenheit eines klaren Standards. Wenn nahezu Einigkeit über eine bestimmte Behandlung besteht, und fast alle Patienten entsprechend behandelt werden, kann man auch mit Registerdaten keine Alternativen prüfen. Das Beispiel mit dem Damage Control Prinzip mag hierfür stellvertretend sein. Auch eine aktuelle Evaluation zum Einsatz des GK-CT innerhalb eines breiten Kollektivs erscheint heute kaum möglich, da es quasi der Standard ist. Dagegen ist der Einsatz des GK-CT beim kindlichen Polytrauma noch in der Diskussion. Hier könnten, auch wegen der deutlich geringeren Fallzahl, Registerdaten ergänzende Ergebnisse liefern.
      Zusammenfassend ist festzustellen, dass Register einen wertvollen Beitrag im Sinne der Versorgungsforschung leisten. Sie können das Versorgungsgeschehen ideal abbilden, auch Veränderungen im Zeitverlauf verfolgen, und sind unverzichtbar für eine externe Qualitätssicherung. Für den Nachweis des Nutzens einer Intervention bestehen aber grundsätzliche Einschränkungen, die man bei der Interpretation der Ergebnisse unbedingt kennen sollte, die man auch in gewissem Umfang reduzieren, aber nie gänzlich ausschalten kann. Trotzdem können sie dort, wo randomisierte Studien schwierig oder unmöglich sind, ein gewisses Maß an empirischer Evidenz liefern.

      Literatur

        • Lefering R.
        Strategies for comparative analyses in registry data.
        Injury. 2014; 45: S83-S88
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        Update of the trauma risk adjustment model of the TraumaRegister DGU: the revised injury severity classification, version II.
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        • Kanz K.G.
        • the Working Group on Polytrauma (NIS) of the German Trauma Society (DGU)
        Whole Body Computed Tomography during Trauma Resuscitation - Effect on Outcome.
        Lancet. 2009; 373: 1455-1461
        • Huber-Wagner S.
        • Biberthaler P.
        • Häberle S.
        • Wierer M.
        • Dobritz M.
        • Rummeny E.
        • van Griensven M.
        • Kanz K.G.
        Lefering R and TraumaRegister DGU. Whole-body CT in haemodynamically unstable severely injured patients - A retrospective, multicentre study.
        PLOS ONE. 2013; 8: e68880
        • Huber-Wagner S.
        • Mand C.
        • Ruchholtz S.
        • Kühne C.
        • Holzapfel K.
        • Kanz K.G.
        • van Griensven M.
        • Biberthaler A.
        • Lefering R.
        TraumaRegister DGU. Effect of the localisation of the CT scanner during trauma resus-citation on survival – A retrospective, multicentre study.
        Injury. 2014; 45: S76-S82
        • TraumaRegister DGU.
        20 years of trauma documentation in Germany – Actual trends and developments.
        Injury. 2014; 45: S14-S19
        • Hussmann B.
        • Lefering R.
        • Waydhas C.
        • Touma A.
        • Ruchholtz S.
        Lendemanns S and the Trauma Registry of the German Society for Trauma Surgery. Does increased prehospital replacement volume lead to a poor clinical course and an increased mortality? A matched-pair analysis of 1896 patients of the trauma registry of the German Society for Trauma Surgery who were managed by an emergency doctor at the accident site.
        Injury. 2013; 44: 611-617
        • Rixen D.
        • Grass G.
        • Sauerland S.
        • Lefering R.
        • Raum M.R.
        • Yücel N.
        • Bouillon B.
        Neugebauer EAM and the Polytrauma Study Group of the German Trauma Society: Evaluation of criteria for temporary ex-ternal fixation in risk-adapted damage control orthopedic surgery of femur shaft fractures in mul-tiple trauma patients: ’Evidence based medicine’ versus ’reality’ in the trauma registry of the Ger-man Trauma Society.
        J Trauma. 2005; 59: 1375-1395