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Research Article| Volume 112, SUPPLEMENT 1, S3-S10, 2016

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Der Beitrag Klinischer Krebsregister für die Nutzenbewertung - Anforderungen und erste Ergebnisse

      Summary

      Following the adoption of the Cancer Screening and Registry Act (KFRG) to advance the development of the early detection of cancer and to promote quality assurance through Clinical Cancer Registries according to Sect. 65c SGB V, the question is raised as to what extent population-based clinical cancer registries may contribute not only to direct patient treatment benefits, but also to the requirements of health research and to other issues such as, for example, the evaluation of the benefit of new pharmaceutical products.
      Efforts to improve a nationwide quality management for oncology have so far not been successful in the development of comprehensive documentation at all levels of care. New organizational structures such as population-based clinical cancer registries were supposed to solve this problem more sufficiently, but they must be accompanied by valid trans-sectorial documentation and evaluation of clinical data.
      The need for specific real-life outcomes (effectiveness) of specific therapies has led to calls for data from outside randomised clinical trials (efficacy). First results are demonstrated in the present article.

      Zusammenfassung

      Nach Verabschiedung des Krebsfrüherkennungs- und -registergesetzes (KFRG) § 65c SGB V stellt sich für die Zukunft die Frage, welchen Beitrag die flächendeckend und bevölkerungsbezogen aufgebauten Klinischen Krebsregister nicht nur für die direkte Patientenbehandlung, für die transparente Abbildbarkeit der Versorgung, sondern auch für weitere Fragestellungen z.B. für die Nutzenbewertung neuer Arzneimittel leisten können.
      In vielen Bereichen gelang es bisher nicht, Behandlungen in und aus allen Versorgungsebenen umfassend darzustellen. Ziel dieses Beitrags ist, das Potential der Klinischen Krebsregister für die Nutzenbewertung darzustellen. Dazu werden strukturelle und inhaltliche Entwicklungen der vergangenen Jahre berichtet, die die Voraussetzungen für eine umfassende und einheitliche Darstellung von Qualität und Outcome im Fokus haben. Da zunehmend auch Behandlungsdaten außerhalb von klinischen Studien gefordert werden, um bevölkerungsbezogene Aussagen zur Ergebnisqualität (Effektivität) spezifischer diagnostischer und therapiebezogener Maßnahmen zu erlangen, werden Voraussetzungen hierzu und erste Ergebnisse aufgezeigt.

      Schlüsselwörter

      Keywords

      Einleitung

      Notwendig zur transparenten Darstellung und Beurteilung spezifischer Behandlungen in der Onkologie sind bevölkerungsbezogene, flächendeckend objektiv und standardisiert erhobene Daten der Inzidenz und des gesamten Behandlungsverlaufes von Krebserkrankungen. Die zunehmende Entwicklung hochwertiger Leitlinien, die Implementierung und Umsetzung geforderter Qualitätsindikatoren in die klinische Versorgung wie z. B. in zertifizierten Zentren zur qualitätsgesicherten Versorgung und ebenso die Verabschiedung des KFRG zur Etablierung flächendeckender Klinischer Krebsregister in Deutschland sind die entscheidenden Motoren zur Optimierung der Behandlung und aussagekräftiger Daten. Standardisierte vollzählige und vollständige Erfassung von Primärdaten bildet die Grundlage sowohl für die transparente Abbildung der Behandlungsrealität als auch für die erweiterte Verwendung dieser Daten für das Outcome neuer Therapieoptionen und Nutzenbewertungen.
      Klinische Krebsregister müssen bis Ende 2017 nach einheitlichen Standards in den einzelnen Bundesländern aufgebaut sein und zur weiteren Finanzierung durch die Krankenkassen eine Vielzahl von Förderkriterien erfüllen [].
      Zu ihnen zählen vor allem die zeitnahe und einheitliche Erfassung aller Behandlungsdaten auf der Grundlage des gesetzlich festgelegten einheitlichen onkologischen Basisdatensatzes der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren (ADT) und der Gesellschaft der Epidemiologischen Krebsregister in Deutschland (GEKID) und seiner Module (Abb. 1). Weitere wesentliche Förderkriterien sind die neutrale und unabhängige Zusammenführung und Auswertung der Behandlungsdaten, deren Rückmeldung an die behandelnden Ärzte und die gemeinsame Entwicklung von Verbesserungsstrategien bei auftretenden Defiziten.
      Figure thumbnail gr1
      Abbildung 1Einheitlicher onkologischer Basisdatensatz ADT/GEKID (www.tumorzentren.de)
      Neben direkt patientenbezogenen Aufgaben und deren Abbildung in den Förderkriterien spielt für übergeordnete Fragestellungen, wie z.B. die Beurteilung des Nutzens spezifischer Therapien, die Analyse der Versorgungssituation eine wesentliche Rolle. Beobachtungsgegenstand klinischer Krebsregistrierung ist der gesamte Erkrankungsverlauf eines Patienten von der Diagnose, über jeden einzelnen Therapieabschnitt bis hin zur Nachsorge, Rezidiven, Überleben und Tod. Im Gegensatz zu vielen anderen Erkrankungen ist die onkologische Behandlung verbunden mit der Einbindung vieler Fachdisziplinen, dem häufigen Wechsel der Patienten zwischen den Sektoren des Gesundheitssystems (stationär-ambulant) und verschiedenen Versorgungseinrichtungen. Erst die Zusammenarbeit aller behandelnden Ärzte mit Klinischen Krebsregistern ermöglicht die vollzählige und vollständige Erfassung und Darstellung der aktuellen Versorgung in allen Abschnitten der Behandlung.
      Auf dieser Grundlage können die erhobenen Daten für eine Vielzahl von versorgungsrelevanten Fragestellungen genutzt werden und auch für Nutzenbewertungen zur Verfügung stehen. Sicher aber zeigen sie die Effektivität herkömmlicher und neuer Arzneimittel unter Alltagsbedingungen und im Langzeitverlauf.

      Methoden und Anforderungen

      Der einheitliche onkologische Basisdatensatz und seine organspezifischen Module dient für alle onkologischen Erkrankungen als Grundlage der Erfassung jedes Behandlungsschrittes nach klaren Vorgaben. Beispielhaft wird dies an der Art der Erfassung systemischer Therapie aufgezeigt (Abb. 2).
      Figure thumbnail gr2
      Abbildung 2Auswahl standardisierter Items des einheitlichen onkologischen Datensatzes im Bereich systemischer Therapie
      Zur Übermittlung der Behandlungen dienen je nach Landesgesetz Arztbriefe, standardisierte Meldeformulare, Pathologiebefunde und elektronische Meldeverfahren im XML Format. Personenbezogene Daten zum jeweiligen Behandlungsabschnitt der Operation, Chemotherapie mit Zyklen- und Dosiserfassung, Strahlentherapie mit Bestrahlungsregion mit Einzel- und Gesamtdosis, jede Nachsorgeuntersuchung, Rezidiv mit zugehöriger detaillierter Therapie, sowie Überlebensdaten aus den zuständigen Einwohnermeldeämtern und Gesundheitsämtern werden in einem regionalen, bevölkerungsbezogenen und flächendeckenden klinischen Krebsregister zusammengeführt. Die Daten- und Ergebnisqualität wird geprüft, rückgemeldet und leistungserbringenden Ärzten (Krankenhäuser, Zentren, Praxen) unter Wahrung der datenschutzrechtlichen Vorgaben zur Verfügung gestellt. Krebsregister umfassen somit den gesamten stationären und ambulanten Sektor des Gesundheitssystems und nehmen bei der Aufbereitung und Zusammenführung der Daten eine neutrale Position ein. Sie sind unabhängig von Leistungserbringern, aber auch von politischen Entscheidungs- und Kostenträgern.
      Natürlich stellen Ärzte zunächst die erste Zielgruppe der Informationsvermittlung dar, da über die Rückmeldung der Daten die Analyse des bestehenden Qualitätsniveaus ihrer Versorgung und Hinweise zu Qualitätssteigerung ermöglicht wird. Es sollte jedoch nicht vergessen werden, dass Daten der klinischen Krebsregistrierung auch für Betroffene (Krebspatienten und ihre Angehörige) sowie Entscheidungsträger und auch für die Nutzenbewertung von neuen Arzneimitteln bereit stehen müssen. Dies ist eine zentrale Forderung des dem gesamten Prozess des Aufbaus der klinischen Krebsregistrierung zugrundeliegenden Zielepapiers 8, Handlungsfeld 2 des Nationalen Krebsplans [].
      Eine wesentliche Akzentuierung und umfangreiche Nutzung der Daten klinischer Krebsregister erfolgte durch den Aufbau von zertifizierten Zentren der Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) und die Deutsche Krebshilfe (DKH) []. Die Abbildbarkeit von Strukturen und Prozesse, aber auch der Ergebnisqualität wird standardisiert gefordert und ihre Durchführung regelmäßig in Audits überprüft. Daten klinischer Krebsregistrierung werden schon jetzt auf dieser Ebene als wesentlicher Teil der neutralen Abbildbarkeit klinischer Versorgung herangezogen [].

      Beispiele und Ergebnisse klinischer Krebsregistrierung

      Um das Potential der auf dieser Grundlage erhobenen Daten auch für andere Fragestellungen aufzuzeigen werden beispielhafte Analysen bestehender Leitlinienempfehlungen im Bereich Darmkrebs dargestellt.
      In der Vergangenheit war es trotz der Heterogenität der Klinischen Krebsregister zu bestimmten Fragestellungen möglich, überregionale Zusammenführungen bundesweit vorhandener Daten durchzuführen. So konnte z.B. die Umsetzung und Ergebnisqualität des Qualitätsindikators der S3 Leitlinie Kolorektales Karzinom [

      Schmiegel W. S3 Leitlinie Kolorektales Karzinom, Leitlinienprogramm Onkologie, 2014.

      ,
      • Klinkhammer-Schalke M.
      Was können Klinische Krebsregister in Zukunft für die bevölkerungsbezogene Umsetzung evidenzbasierter Leitlinien leisten?.
      ] zur Durchführung neoadjuvanter Radiochemotherapie beim Rektumkarzinom des unteren und mittleren Drittels im Stadium UICC II und III untersucht und gezeigt werden, dass der Anteil der Patienten mit leitliniengerechter neoadjuvanter Radiochemotherapie von 21% im Jahr 2000 auf 70% im Jahr 2014 anstieg (Abb. 3). Zudem konnte im 5-Jahres-Verlauf ein deutlicher Überlebensvorteil bei leitliniengerechter Behandlung von Patientinnen und Patienten mit neoadjuvanter und postoperativer adjuvanter Radiochemotherapie aufgezeigt werden, wie die Kaplan-Meier-Überlebenskurven in Abb. 4 zeigen.
      Figure thumbnail gr3
      Abbildung 3Stand und Entwicklung der Durchführung perioperativer, insbesondere neoadjuvanter Radiochemotherapie beim Rektumkarzinom des unteren und mittleren Drittels im Stadium II und III (n = 17 170)
      Figure thumbnail gr4
      Abbildung 4Kaplan-Meier-Kurven für das 5-Jahres-Gesamtüberleben nach vollständiger neoadjuvanter und adjuvanter Radiochemotherapie, alleiniger neoadjuvanter und alleiniger adjuvanter Radiochemotherapie, sowie keiner perioperativen Therapie beim Rektumkarzinom des unteren und mittleren Drittels im Stadium II und III (n = 16 838, ausgeschlossen sindinnerhalb von 90 Tagen postoperativ verstorbene Patienten)
      Diese bundesweite Untersuchung an 17 170 Patienten [

      German Cancer registry group: bundesweite onkologische Qualitätskonferenz, www.tumorzentren.de, 2016.

      ] zeigte nicht nur eine Überlegenheit der vollständigen neoadjuvanten Radiochemotherapie (inclusive postoperativer adjuvanter Chemotherapie) im Vergleich zu perioperativ behandelten Patienten, sondern auch gegenüber nicht vollständig, d.h nur prä- und nur postoperativ therapierten Patienten. Die Hazard Ratios gegenüber nicht durchgeführter Therapie betrugen für die vollständige prä- und postoperative Therapie 0,55 (95%-KI: 0,50 - 0,60), für die alleinige neoadjuvante Therapie 0,82 (95%-KI: 0,76 – 0,89) und die nur mit adjuvanter Therapie behandelte Gruppe 0,73 (95%-KI: 0,67 – 0,79).
      Um einer möglichen Verzerrung durch Selektion jüngerer und gesundheitlich geeigneter Patienten für die Radiochemotherapie in der Analyse entgegenzuwirken, wurde hierbei einerseits eine Risikoadjustierung vermittels multivariabler Cox-Regressionsanalyse mit Berücksichtigung weiterer Einflussfaktoren vorgenommen (Alter, Geschlecht, Stadium, Grading, Anzahl untersuchter Lymphknoten und Residualklassifikation). Weiterhin und aus gleichem Grund wurden Patienten, die innerhalb von 90 Tagen nach primärer Rektumoperation gestorben sind, von der Analyse ausgeschlossen.
      Differenzierter können regionale Untersuchungen auf dem Boden vollzähliger und vollständiger Erfassung aller Behandlungen zu Fragestellungen durchgeführt werden, zu denen es bisher keine eindeutigen Empfehlungen gibt. Ein Beispiel für diese regionalen Forschungsanalysen ist die Analyse zum Outcome bei Patientinnen und Patienten mit Kolonkarzinom im UICC Stadium II und durchgeführter Chemotherapiegabe. Die S3 Leitlinie bleibt bei dieser Empfehlung vage, da eindeutige Studienergebnisse fehlen. In Studien [
      • Moertel C.G.
      • Fleming T.R.
      • Macdonald J.S.
      • Haller D.G.
      • Laurie J.A.
      • Goodman P.J.
      • Ungerleider J.S.
      • Emerson W.A.
      • Tormey D.C.
      • Glick J.H.
      • et al.
      Levamisole and fluorouracil for adjuvant therapy of resected colon carcinoma.
      ,
      • Klinkhammer-Schalke M.
      • Marschner N.
      • Hofstaedter F.
      Tumor registries – what can they do for oncology health services research?.
      ] konnte ein klarer Überlebensvorteil für die adjuvante Chemotherapie im Stadium III gezeigt werden - ob das auch im Stadium II zu belegen ist, blieb offen. Studienergebnisse ergaben hier für Patienten im Stadium II ohne Risikofaktoren kein signifikant besseres Überleben. In einer bevölkerungsbezogenen Region von 2.2 Millionen Einwohner wurde anhand der Daten eines regionalen klinischen Registers für Jahre 2002-2012 das Outcome von Kolonkarzinompatienten im Stadium UICC II (n = 1937) mit großen T4 Tumoren mit und ohne adjuvante Chemotherapie untersucht. 77 (33%) von insgesamt 240 Erkrankten mit T4-Tumor erhielten eine adjuvante Chemotherapie. Patientinnen und Patienten über 80 Jahre, die innerhalb von 30 Tagen verstarben und somit keine Chemotherapie erhalten konnten, wurden hierbei ausgeschlossen.
      Die Ergebnisse zeigen in der Kaplan-Meier-Analyse und in der nach Alter, Geschlecht und Grading risikoadjustierten multivariablen Cox-Regressionsanalyse einen deutlichen Benefit für Patienten mit Chemotherapie mit einem signifikanten Unterschied im Gesamtüberleben (p < 0.001) und in der rezidivfreien Zeit (p < 0.008). Auch in der Subgruppenanalyse der T4 G2- und G3-Tumoren ließen sich diese Ergebnisse nachweisen. Kein Unterschied konnte im Vergleich einer alleinigen 5-fluorouracilbasierten (5-FU) mit einer 5-FU basierten Therapie in Kombination mit Oxaliplatin verzeichnet werden [
      • Teufel A.
      • Gerken M.
      • Hartl J.
      • Itzel T.
      • Fichtner-Feigl S.
      • Stroszczynski C.
      • Schlitt H.J.
      • Hofstädter F.
      • Klinkhammer-Schalke M.
      Benefit of adjuvant chemotherapy in patients with T4 UICC II colon cancer.
      ]. Es konnte nicht nach prognostischen Biomarkern, wie dem caudal-type homeobox transcription factor 2 (CDX2) differenziert werden, der bei negativem Befund und Gabe einer Chemotherapie ein deutlich besseres Überleben bei Patienten mit Kolonkarzinom Stadium II ermöglicht, als ohne Chemotherapie [
      • Dalerba P.
      • et al.
      CDX2 as a prognostic Biomarker in Stage II an Stage III Colon Cancer.
      ].
      Eine weitere bundesweit aus Krebsregisterdaten gepoolte Analyse der Ergebnisqualität von Patienten und Patientinnen mit synchronen Lebermetastasen eines kolorektalen Karzinoms UICC Stadium IV (n = 30 838) zeigt bei operativer Entfernung von Lebermetastasen einen deutlichen Überlebensvorteil für die primäre Lebermetastasenresektion, deutlicher noch bei sekundärer Resektion nach vorheriger Chemotherapie gegenüber der alleinigen Chemotherapie und anderer Therapie oder fehlender Therapie. Die 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit liegt nachprimärer Entfernung bei 32%, nach sekundärer Resektion bei 41% (Abb. 5, Abb. 6).
      Figure thumbnail gr5
      Abbildung 5Stand und Durchführung der operativen Entfernung von Lebermetastasen bei Patientinnen und Patienten mit Kolorektalem Karzinom im UICC Stadium IV für die Jahre 2000-2014
      Figure thumbnail gr6
      Abbildung 6Kaplan-Meier-Kurven für das 5-Jahres-Gesamtüberleben nach primärer und sekundärer Lebermetastasenresektion, alleiniger Chemotherapie und anderer oder fehlender Therapie bei Patientinnen und Patienten mit synchronen Lebermetastasen eines kolorektalen Karzinoms UICC Stadium IV (n = 24 788, ausgeschlossen sind innerhalb von 90 Tagen nach Metastasendiagnose verstorbene Patienten)
      Auch hier bleibt dieser Vorteil nach Risikoadjustierung und Ausschluss der innerhalb von 90 Tagen nach Diagnose Verstorbenen erhalten. Gegenüber der Gruppe ohne, bzw. anderer oder fehlender Therapie betragen die adjustierten Hazard Ratios 0,40 (95%-KI: 0,37-0,43) für die sekundäre Lebermetastasenresektion, 0,53 (95%-KI: 0,50-0,56) für die primäre Resektion und 0,89 (95%-KI: 0,86-0,92) für die nur chemotherapierten Patienten.
      Sichtbar wird, dass Lebermetastasen zunehmend operativ entfernt werden (10, 5% 2000 vs 14,7% 2014 primäre Operation, 1,5% 2000 vs 6, 5% 2014 sekundäre Operation).
      Bei einem Vergleich dieser Daten klinischer Krebsregister mit dem Benchmarkingbericht der Deutschen Krebsgesellschaft [

      Benchmarkingbericht Darmzentren, Deutsche Krebsgesellschaft 2015.

      ] für die zertifizierten Darmzentren zeigt sich, dass die Umsetzung der primären Lebermetastasenresektion in Zentren im Median bei 29,4% für den Erhebungszeitraum 2013 und für die sekundäre Resektion im Median bei 25% liegt. Limitierend an den Analysen der Daten klinischer Krebsregister ist zum einen die noch nicht vollständige Abbildbarkeit dieser Leitlinienempfehlung in der Fläche und fehlende Information, sichtbar im zwar sinkenden, aber immer noch hohen Anteil fehlender Angaben zu durchgeführten Therapien (40,8% 2000 vs 31,1% 2014). Zum anderen kann zurzeit nicht flächendeckend differenziert werden, bei welchem Umfang der Lebermetastasierung welche Therapieentscheidung getroffen wurde und welche bekannten Komorbiditäten vorhanden waren.
      Dies ist jedoch dringend erforderlich, um wegweisende Änderungen sowohl für aktualisierte Leitlinienempfehlungen geben zu können, als auch belegen zu können, welche Behandlung bei welcher Ausbreitung zu einem deutlichen Überlebensvorteil führt.
      Deutlich wird im Vergleich mit jährlicher Auditierung und stringenter Implementierung von Therapieempfehlung z.B. im Rahmen des Zertifizierungssystems der DKG, dass stetige Rückmeldung durchgeführter Behandlung zu zeitnaher aktueller Umsetzung führt. Dies ist im Förderkriterium 3.01 (Patientenbezogene Rückmeldung) des GKV Spitzenverbandes formuliert, somit eine wesentliche Aufgabe klinischer Krebsregister und für die zeitnahe Implementierung neuen Wissens unerlässlich [
      • Eccles M.
      • Grimshaw J.
      • Cambell M.
      • Rumsay C.
      Research designs for studies evaluating the effectiveness of change and improvement strategies.
      ].

      Diskussion

      Real-life Daten klinischer Krebsregister können die Effektivität medizinischer Behandlungen (Real-life Effectiveness) unter Alltagsbedingungen widerspiegeln, wie in den oben aufgeführten Beispielen dargelegt. Sie bilden die reale Versorgung und die jeweilige Ergebnisqualität unter Alltagsbedingungen ab, anders als randomisierte klinische Studien, die Ergebnisse unter idealen Bedingungen mit klaren Ein- und Ausschlusskriterien beschreiben (Clinical Efficacy) und bei denen die externe Validität weniger gegeben sein kann [

      IQWiG_Methoden_Version_4-2.pdf, 2015.

      ]. Für die Zulassung neuer Arzneimittel sind diese Studien Voraussetzung und unerlässlich, nichts desto trotz kann es aufgrund enger Auswahlkriterien, aber auch kleiner Kollektive, zu selektiven Ergebnissen kommen. Zudem wird je nach Endpunkt ein kurzer Zeithorizont abgebildet und ein Langzeit-Follow up ist meist nicht vorgesehen bzw. nicht möglich.
      Daten klinischer Krebsregister können zum Teil heute schon diese Langzeit-Ergebnisse aufzeigen, sowie die Umsetzung und die Ergebnisse spezifischer Therapien unter Alltagsbedingungen d.h. für alle, die diese Therapie gemäß Leitlinie bekommen sollten, darstellen. Auch die Effektivität dieser Therapieregime bei alten und komorbiden Patientinnen und Patienten ist abbildbar und die Möglichkeit der Risikoadjustierung mit Berücksichtigung weiterer Einflussfaktoren in multivariablen Regressionsanalysen steht zur Verfügung. Limitierend fehlt die vollständige Erfassung von Begleiterkrankungen in der Krebsregistrierung, die eine Adjustierung auch hierfür ermöglicht. Die bisher bundesweit oft noch fehlenden Angaben zu durchgeführten Therapien durch nicht vollständige Übermittlung von Behandlungen werden sich durch die flächendeckende Etablierung klinischer Krebsregister in Deutschland ab 2018 zunehmend verringern.
      Die für die Nutzenbewertung notwendige zusätzliche Tiefe der Erhebung sollte bei der Nutzung der Daten klinischer Krebsregister in Zukunft abgestimmt werden, damit alle Facetten der Versorgung und die notwendigen Grundlagen für spezifische Analysen berücksichtigt werden können. Im Methodenpapier des Institutes für Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) wird dieser Weg der Nutzung von Real World Ergebnissen schon angedacht [

      IQWiG_Methoden_Version_4-2.pdf, 2015.

      ].

      Zusammenfassung und Ausblick

      Über die Einbindung in die unmittelbare individuelle Krankenversorgung und über die Mitgestaltung bei der Leitlinienerstellung, -implementierung und -weiterentwicklung stellen Daten klinischer Krebsregister eine Quelle klinisch-medizinischen Wissens dar, das ergänzend zu prospektiven randomisierten Studien neue Erkenntnisse und daraus abgeleitete Folgerungen für die Behandlung von Krebspatientinnen und -patienten liefern kann.
      Die Effektivität und Ergebnisqualität medizinischer Behandlungen (Real-life Effectiveness) kann unter Alltagsbedingungen abgebildet werden, anders als in randomisierten klinischen Studien, die Ergebnisse unter idealen Bedingungen mit klaren Ein- und Ausschlusskriterien beschreiben (Clinical Efficacy) und deren externe Validität weniger gegeben sein kann [

      IQWiG_Methoden_Version_4-2.pdf, 2015.

      ]. Klinische Krebsregister können ebenso Aussagen zu Patientengruppen machen, die in klinischen Studien unterrepräsentiert sind (z.B. ältere und multimorbide Patientinnen und Patienten) oder die die Eingangskriterien von Studien nicht erfüllen.
      Sie liefern zudem Informationen ohne die langen Vorlaufzeiten, die für prospektive Studien erforderlich sind. Die gewonnenen Erkenntnisse liegen zunächst sicher auf dem Gebiet der Versorgungsforschung, die rasch wachsenden Möglichkeiten der molekularen Medizin mit ihrer Ausprägung als „Präzisionsmedizin“ machen jedoch über die versorgungsorientierten wissenschaftlichen Fragestellungen eine Einbindung der klinischen Krebsregister zunehmend erforderlich. Diese neuen Therapieansätze benötigen dringend die Verlaufsbeobachtung der Patienten, aber auch die klinische, molekular orientierte Epidemiologie, um Häufigkeit, Relevanz und Erfolgsraten der molekularen Therapieziele konkret abschätzen zu können. Deutlich wird dieser Prozess in der aufkommenden zentralen Bedeutung von hochwertigen Biobanken, die für die „Präzisionsmedizin“ unerlässlich sind und (datenschutzgemäß) die stabile Verknüpfung mit den klinischen Daten und vor allem dem Krankheitsverlauf benötigen. Besonders aber benötigt der einzelne Arzt Daten aus der klinischen Krebsregistrierung als Spiegel und Wegweiser seines praktischen ärztlichen Handelns. Über die individuelle Versorgungsebene ist er im Rahmen der Leitlinienentwicklung, der Zentren und ihrer Netzwerke und der Forschung mit Hilfe klinischer Krebsregisterdaten eingebunden in ein lernendes System.
      Es bleibt zu hoffen, dass alle diese Nutzungsmöglichkeiten im Rahmen bestehender und laufenden Gesetzgebungsverfahren erkannt und berücksichtigt werden.

      Literatur

      1. Schmiegel W. S3 Leitlinie Kolorektales Karzinom, Leitlinienprogramm Onkologie, 2014.

        • Klinkhammer-Schalke M.
        Was können Klinische Krebsregister in Zukunft für die bevölkerungsbezogene Umsetzung evidenzbasierter Leitlinien leisten?.
        ZAEFQ. 2015;
      2. German Cancer registry group: bundesweite onkologische Qualitätskonferenz, www.tumorzentren.de, 2016.

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        Onkologe. 2012; 18: 142-150
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        • Schlitt H.J.
        • Hofstädter F.
        • Klinkhammer-Schalke M.
        Benefit of adjuvant chemotherapy in patients with T4 UICC II colon cancer.
        BMC Cancer. 2015 May 20; 15: 419
        • Dalerba P.
        • et al.
        CDX2 as a prognostic Biomarker in Stage II an Stage III Colon Cancer.
        N Engl J Med. 2016; 374: 211-222
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