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Schwerpunktreihe / Special Section „Weiterbildung in der Allgemeinmedizin“| Volume 112, P61-65, 2016

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Mentoring in der Allgemeinmedizin: Beratungsbedarf von Ärzten in Weiterbildung

  • Mariell Hoffmann
    Correspondence
    Korrespondenzadresse: Mariell Hoffmann, Universitätsklinikum Heidelberg, Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Im Neuenheimer Feld 130.3, 69120 Heidelberg, Deutschland. Tel.: +49 6221 568238; Fax: +49 6221 561972.
    Affiliations
    Universitätsklinikum Heidelberg, Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Deutschland
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  • Elisabeth Flum
    Affiliations
    Universitätsklinikum Heidelberg, Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Deutschland
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  • Jost Steinhäuser
    Affiliations
    Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Lübeck, Deutschland
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      Summary

      Background and objective

      More than 600 trainees in family medicine (FM trainees) have participated in the Verbundweiterbildungplus (VWBplus) since this rotation network programme has been implemented in 2009. Mentoring as need-based support and counselling is an essential element of this programme. The aim of this study was to identify FM trainees’ most frequent reasons for counselling in order to explore the qualifications and requirements to be a mentor.

      Methods

      141 e-mails written between December 2009 and July 2014 were analysed according to Mayring. This procedure generated thematic categories of common reasons for seeking counselling.

      Results

      32 % of all VWBplus participants asked mentors of the programme for advice. The most frequent questions (38 %) related to job vacancies, the application process and employment contracts. The second most common inquiries (30 %) referred to participation in the VWBplus as well as contents of education meetings within the VWBplus. Other questions pertained to general aspects of postgraduate training in family medicine (16 %), individual conflict consulting (10 %) and funding applications (6 %).

      Conclusion

      The results of the needs assessment survey reveal that a mentoring programme needs competent advisors with experience in family medicine. While FAQ lists are helpful in answering general questions, specific requests such as, for example, a personal crisis require individual counselling provided by a mentor.

      Zusammenfassung

      Hintergrund

      Das Programm Verbundweiterbildungplus (VWBplus) Baden-Württemberg hat seit der Initiierung 2009 mehr als 600 Ärzte in Weiterbildung (ÄiW) aufgenommen und inzwischen über 100 Fachärzte für Allgemeinmedizin begleitet. Ein Kernelement der VWBplus Baden-Württemberg ist das Mentoring – die bedarfsgerechte Förderung und Beratung von ÄiW. Die vorliegende Analyse hat zum Ziel, die häufigsten Beratungsanlässe der ÄiW sowie Anforderungen an die Person des Mentors zu explorieren.

      Methoden

      Innerhalb des Zeitraums von Dezember 2009 bis Juli 2014 wurden 141 E-Mails der ÄiW der VWBplus Baden-Württemberg in die Auswertung eingeschlossen und mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Dabei wurden die Fragen der ÄiW zunächst thematisch geclustert und induktiv im Rahmen eines systematischen Reduktionsprozesses kategorisiert. Anschließend erfolgte die inhaltsanalytische Analyse des Materials. Nicht ausgewertet wurden persönliche Beratungsgespräche. Diese werden nach aktuellem Stand insgesamt durchschnittlich etwa drei Mal pro Tag von den Mentoren geführt.

      Ergebnisse

      Von 32% der Teilnehmer der VWBplus Baden-Württemberg wurde eine Anfrage an die Mentoren des Programms gestellt. 38% der Zuschriften betrafen vor allem Fragen hinsichtlich Stellengesuchen, Bewerbungen sowie Arbeitsverträgen. In 30% der Fälle wurde nach den Teilnahmebedingungen und Schulungsinhalten der VWBplus gefragt. Weitere Beratungsanlässe waren die Bereiche Weiterbildung im Allgemeinen (16%), Konfliktberatung (10%) sowie Beantragung von Fördergeldern (6%).

      Schlussfolgerungen

      Ein Mentoring-Programm erfordert breit qualifizierte und auf dem Gebiet der Allgemeinmedizin erfahrene Ansprechpartner. FAQ-Listen helfen, Routinefragen rasch zu klären. Für die Beantwortung individueller Anliegen und Beratung in Krisensituationen ist die persönliche Betreuung durch einen Mentor notwendig.

      Schlüsselwörter

      Keywords

      Hintergrund

      Das Programm VWBplus Baden Württemberg existiert seit über 6 Jahren und hat inzwischen über 600 ÄiW* [] durch eine Auftaktveranstaltung in das Programm aufgenommen sowie bereits über 100 Fachärzte für Allgemeinmedizin hervorgebracht [
      • Steinhaeuser J.
      • Chenot J.F.
      • Roos M.
      • Ledig T.
      • Joos S.
      Competence-based curriculum development for general practice in Germany: a stepwise peer-based approach instead of reinventing the wheel.
      ]. Es gilt als Erfolgskonzept gegen den Hausärztemangel und als „best practice“ für eine strukturierte Weiterbildung [
      • Steinhäuser J.
      • Roos M.
      • Haberer K.
      • Ledig T.
      • Peters-Klimm F.
      • Szecsenyi J.
      • Joos S.
      Bericht aus der Praxis. Das Programm VerbundweiterbildungPLUS des Kompetenzzentrums Allgemeinmedizin Baden-Württemberg - Entwicklung, Umsetzung und Perspektiven.
      ]. In der VWBplus steht der AiW mit seinen Bedürfnissen im Zentrum, wesentliche Kernelemente wie strukturierte Rotation, Schulungsprogramm oder das „Kompetenzbasierte Curriculum Allgemeinmedizin“ begleiten ihn durch die Weiterbildung [, ]. Der von den ÄiW sehr geschätzte fachliche Austausch und die Vernetzung von ÄiW aus regionalen Verbünden erfolgt überwiegend während der Schulungstage, wie dem Artikel von Flum et al. in diesem Heft zu entnehmen ist [
      • Flum E.
      • Magez J.
      • Aluttis F.
      • Hoffmann M.
      • Joos S.
      • Ledig T.
      • Oeljeklaus L.
      • Simon M.
      • Szecsenyi J.
      • Steinhäuser J.
      Das Schulungsprogramm der Verbundweiterbildung plus Baden-Württemberg: Entwicklung und Implikationen für die Implementierung von Verbundweiterbildungsprogrammen in Deutschland.
      ]. Die Kernelemente der VWBplus verdeutlicht Abbildung 1.
      Figure thumbnail gr1
      Abbildung 1Kernelemente der Verbundweiterbildungplus
      Ein Kernelement der VWBplus stellt das „Mentoring“ während der Weiterbildung Allgemeinmedizin dar. In der Anfangsphase VWBplus wurde nur von der Hälfte der Teilnehmer ein solches Beratungsangebot und nur bei Bedarf gewünscht [
      • Steinhäuser J.
      • Paulus J.
      • Roos M.
      • Peters-Klimm F.
      • Ledig T.
      • Szecsenyi J.
      • Joos S.
      „Allgemeinmedizin ist trotzdem ein schönes Fach“ – eine qualitative Studie mit Ärzten in Weiterbildung.
      ]. Im weiteren Verlauf verdeutlichte die Erfahrung der Projektleiter der VWBplus sowie neuere Studien jedoch, wie wichtig ein niedrigschwelliges Mentoringangebot während der Weiterbildung zum Allgemeinarzt ist [
      • Broermann M.
      • Gerlach F.
      • Sennekamp M.
      Sinnvoll und vom Nachwuchs gewünscht. Mentoring in der Weiterbildung Allgemeinmedizin.
      ].
      Der Begriff des Mentors hat eine lange Tradition, die genauen Inhalte eines Mentorings werden allerdings je nach Setting und Berufsgruppe sehr unterschiedlich interpretiert und umgesetzt. Ursprünglich stammt der Begriff aus Homer‘s „Odyssee“. Als Odysseus nach Troja aufbricht, soll sein Freund Mentor seinen Sohn Telemachos ihn in seiner Entwicklung beratend unterstützen und ihn auf seine Rolle als König vorbereiten [

      Homer: Odyssee. Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuchverlag; 2011.

      ].
      Daraus leitet sich das bei uns gängige Bild eines Mentors, als einem älteren und erfahrenen Mann ab, dessen Rolle zumeist als väterlicher Freund und Berater verstanden wird und auf freiwilliger Basis Erfahrungswissen und die Spielregeln eines Systems an eine jüngere, unerfahrene(re) Person (Mentee) weitergibt [
      • Kram K.
      Phases of the Mentor Relationship.
      ]. In der jüngeren Zeit wird Mentoring vor allem in der Arbeitswelt verwendet, eine moderne Definition beschreibt Mentoring folgendermaßen: „Mentoring is a dynamic reciprocal relationship in a work environment between two individuals where, often but not always, one is an advanced career incumbent and the other is a less experienced person.“ [
      • Healy C.C.
      • Welchert A.J.
      Mentoring relations: a definition to advance research and practice.
      ]. Mentoring-Programme zeigen positive Effekte bspw. auf Karriereplanung und Forschungsaktivität sowie auf die Gesamtzufriedenheit der Mentees [
      • Frei E.
      • Stamm M.
      • Buddeberg-Fischer B.
      Mentoring programms for medical students – a review of the PubMed literature 2000-2008.
      ,
      • Meyer M.
      • Ittel A.
      Mentoring in der Wissenschaft. Der Weg zum Erfolg? Die Evaluation eines Förderprogramms für Nachwuchswissenschaftlerinnen in Berlin.
      ].
      In der VWBplus wird den ÄiW ein breit gefächertes Mentoring-Angebot gemacht: Es stehen vier Fachärzte für Allgemeinmedizin, jeweils zwei Frauen und zwei Männer telefonisch und via E-Mail zur Verfügung. Darüber hinaus werden persönliche Sprechstunden nach individueller Vereinbarung bzw. im Rahmen der Schulungstage für Einzel- oder Gruppenberatungen angeboten. Ziel der hier vorgestellten Analyse ist es, einen Überblick über die im Rahmen des Mentoring in der VWBplus Ba-Wü häufigsten Fragestellungen im Sinne einer „FAQ“ zu geben sowie Anforderungen an die Person des Mentors zu beschreiben, um so im Aufbau befindliche Verbundweiterbildungsprojekte zu unterstützen. Die persönlichen Beratungsgespräche wurden nicht aufgezeichnet und sind damit nicht Gegenstand der Analyse.

      Methoden

      In die Auswertung wurden die E-Mails eingeschlossen, die innerhalb des Zeitraums von Dezember 2009 bis Juli 2014 an die Koordinatoren, die zeitgleich als Mentoren fungierten, geschrieben wurden. Das Datenmaterial wurde dabei mit der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet, indem die anonymisierten Fragen im Forschungsteam der VWBplus geclustert, kategorisiert und anschließend analysiert wurden. Um die Auswertung intersubjektiv nachvollziehen zu können, wurden die Kategorien zunächst durch zwei Personen unabhängig voneinander erstellt, um diese im Anschluss daran im Team zu besprechen und zu prüfen. Die Bildung der Kategorien erfolgte induktiv im Rahmen eines systematischen Reduktionsprozesses. Dabei wurden alle aussagekräftigen Textpassagen in Hinblick auf häufig gestellte Fragen sowie den Bedarf eines Mentors bzw. Mentorings selektiert, die Hauptaussagen generalisiert und anschließend reduziert, um so die thematischen Oberbegriffe und häufigsten Beratungsanlässe aus den E-Mails zu extrahieren [
      • Mayring P.
      Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken.
      ].

      Ergebnisse

      In den 56 Monaten des Beobachtungszeitraums wurden 141 E-Mails an die Mentoren geschrieben. Bezogen auf die Gesamtteilnehmerzahl von n = 434 (Stand Juli 2014) der VWBplus, haben 32% der Teilnehmer eine Anfrage per E-Mail an die Mentoren des Programms gestellt. Davon waren 63% weiblich und 37% männlich. Der Altersdurchschnitt aller ÄiW, die den Mentoren geschrieben haben, betrug 36 Jahre. Die soziodemografischen Daten können Tabelle 1 entnommen werden.
      Tabelle 1Soziodemographische Daten der ÄiW mit Beratungsbedarf.
      Geschlechtn (%)
      Weiblich43 (63,2)
      Männlich25 (36,8)
      Altern (Mittelwert

      in Jahren)
      Weiblich29 (36,7)
      Männlich18 (35,2)
      Keine Angabe21 (-)
      Mittelwert47 (36,1)
      38% aller Zuschriften betrafen Fragen rund um die Themen Stellengesuche, Bewerbung und Arbeitsverträge. Bezüglich Stellengesuchen wurden Anfragen hinsichtlich geeigneter Ansprechpartner oder Suchmaschinen gestellt sowie direkt nach Stellenausschreibungen innerhalb der VWBplus gefragt. Bei Bewerbungen waren formale und inhaltliche Vorgaben sowie Empfehlungen bestimmter Praxen oder Klinken als Rotationsstelle von Interesse. Zudem wurden Anfragen zum konkreten organisatorischen Ablauf der Bewerbungen innerhalb der VWBplus gestellt. Fragen zu Arbeitsverträgen bezogen sich vor allem auf Aspekte wie die Vergütung im ambulanten Weiterbildungsabschnitt, Vertretungs- und Urlaubsregelungen.
      Am zweithäufigsten wurden 30% der Fragen zum Schulungsprogramm gestellt. Dabei wurde vor allem nach Seminaren mit bestimmten Schulungsinhalten gefragt, wie zum Beispiel zum Thema Abrechnung oder Vorbereitung auf die spezifische Arbeitsweise im ambulanten Bereich im Allgemeinen. Auch war von Interesse, wie man an der VWBplus als ÄiW teilnehmen kann. Zudem erkundigten sich die ÄiW auch (im Auftrag) für ihre Weiterbilder nach den Inhalten der Schulungen für die Weiterbildungsbefugten, den Train-the-Trainer-Seminaren (TTT).
      16% der Anfragen der ÄiW bezogen sich auf die Weiterbildung zum Facharzt im Allgemeinen. In diesem Themenfeld wurde besonders häufig bezüglich der Anrechenbarkeit und Dauer bestimmter Weiterbildungsabschnitte wie Chirurgie oder Innere Medizin, und ob dies in einer Klinik oder Praxis geleistet werden muss, Rat eingeholt.
      Ferner wurde sich häufig auch nach dem Ausfüllen des Logbuches erkundigt – so zum Beispiel was zu tun sei, wenn bestimmte, darin geforderte Untersuchungen bei der Rotationsstelle nicht angeboten werden oder die geforderten Richtgrößen, bspw. von Schilddrüsensonographien, bisher nicht erreicht wurden. Empfehlungen für Weiterbildungskurse neben dem Angebot der VWBplus wie zum Beispiel in abdomineller Sonographie oder Ultraschallkurse wurden ebenfalls nachgefragt.
      10% der Zuschriften betrafen individuelle Schwierigkeiten und Probleme während der Weiterbildung. Einerseits wurde eine Beratung gewünscht bei Konflikten mit offiziellen Stellen wie dem Arbeitgeber in Krankenhaus und Praxis oder auch mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Ein Bespiel für Unklarheiten war das Thema Arbeitszeugnisse, welche nicht zeitgerecht angefertigt wurden. Andere Anfragen bezogen sich auf persönliche Probleme oder Krisensituationen im Leben. Im Vordergrund stand hier die individuelle, personenbezogene Beratung und Krisenintervention.
      Knapp 6% der elektronischen Nachrichten enthielten Fragen das Förderprogramm Allgemeinmedizin betreffend. Konkret wurde danach gefragt, wie viel Förderung die Rotationsstelle erhalte, wenn der AiW in Teilzeit beschäftigt ist. Darüber hinaus gab es Rückfragen bei der Förderung durch die KV bezüglich der Verpflichtung die Facharztprüfung Allgemeinmedizin abzulegen sowie die Fördergelder zurückzahlen zu müssen. Dabei wurde vor allem auch die Frage gestellt, unter welchen expliziten Bedingungen die Fördergelder rückzuzahlen sind.
      Tabelle 2 fasst die häufigsten Themen, die zur Kontaktaufnahme mit einem Mentor geführt haben, zusammen.
      Tabelle 2Häufigste Themenbereiche im Rahmen des Mentorings.
      Beratungsbedarf nach Häufigkeitn (%)
      Stellengesuche53 (38)
      Bewerbungen
      Arbeitsverträge
      Schulungsinhalte Teilnahme VWBplus42 (30)
      Weiterbildung allgemein Anrechenbarkeit von WB-Abschnitten Logbuch23 (16)
      Konfliktberatung14 (10)
      Fördergelder9 (6)
      Abkürzungen: WB = Weiterbildung

      Diskussion

      Die Analyse der elektronischen Anfragen an die Mentoren der VWBplus gibt einen ersten Überblick über Inhalte und Anforderungen an ein Mentoring-Programm in allgemeinmedizinischen Verbundweiterbildungsprojekten. Diese Ergebnisse können nun in zukünftige Schulungen für Mentoren einfließen. Bisher wurden das Profil, Aufgaben oder Leistungen eines Mentors vor allem in anderen Zusammenhängen definiert [
      • Graf N.
      • Edelkraut F.
      Mentoring: Das Praxisbuch für Personalverantwortliche und Unternehmer.
      ,
      • Ziegler A.
      Mentoring: Konzeptuelle Grundlagen und Wirksamkeitsanalyse.
      ]. Die Auswertung der E-Mails hat gezeigt, dass vor allem im Bereich des Arbeitsrechts und der Vermittlung von Kontakten bzw. Stellengesuchen erhöhter Klärungs- und Beratungsbedarf besteht. Erst an zweiter Stelle standen Fragen zu dem Weiterbildungsprogramm selbst sowie zum begleitenden Schulungsprogramm. Auch das Thema Weiterbildung im Allgemeinen, insbesondere die Bereiche Rotationsmöglichkeiten und die Anrechenbarkeit von Weiterbildungsabschnitten scheinen mit Unklarheiten behaftet zu sein. Neben diesem weitestgehend formalen Beratungsbedarf wurde in einem geringeren Umfang konkret nach Hilfestellung in beruflichen oder privaten Krisensituationen gefragt.
      Daraus lassen sich die unterschiedlichen Beratungsangebote, die ein Verbundweiterbildungsprojekt anbieten sollte, ableiten: Formale Anfragen lassen sich zum größten Teil mittels Verweis auf eine für den Verbund zusammengestellte Liste häufig gestellter Fragen (frequently asked questions, FAQs) beantworten. Um Quervernetzung und Synergien zu nutzen, sind die FAQs der VWBplus bereits in die der Koordinierungsstelle Allgemeinmedizin Baden-Württemberg eingeflossen [

      Koordinierungsstelle Allgemeinmedizin Baden-Württemberg. FAQ. http://www.allgemeinmedizin-bw.de/faq/. (letzter Zugriff am 22.10.2015).

      ]. Auch in anderen Bundesländern sind FAQ-Listen etabliert [

      Koordinierungsstelle Allgemeinmedizin Bayern. FAQ. http://www.kosta-bayern.de/verbundweiterbildung/faq-haeufig-gestellte-fragen. (letzter Zugriff am 25.02.2016).

      ]. Oftmals handelt es sich bei den Beratungsanlässen zunächst um allgemeine, formelle Fragen, die jedoch individuelle Eigenheiten aufweisen und daher nicht durch FAQ Listen, sondern nur durch eine persönliche Beratung geklärt werden können. Fragestellungen, die komplex sind oder einen spezifischen Hintergrund haben, müssen in einem persönlichen Kontakt telefonisch oder während der Schulungstage in einem eins-zu-eins-Setting geklärt und die ÄiW individuell begleitet werden. Eine Gruppenberatung mit einem (oder mehreren) Mentor(en) und mehreren Mentees wurde aus einem anderen Programm auch als praktikabel beschrieben. Hierbei profitieren die ÄiW vor allem durch den Erfahrungsaustausch in der Gruppe, was als Ansporn und motivierend erlebt wurde sowie die gegenseitige Vernetzung und Hilfestellung zusätzlich unterstützte [

      Buddeberg-Fischer B, Stamm M. Mentoring in der Medizin: Formen, Konzepte und Erfahrungen. Bericht über Mentoring-Programm am Universitätsspital und an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich 2002-2011. 2012.

      ,
      • Broermann M.
      • Wunder A.
      • Sommer S.
      • Baum E.
      • Gerlach F.
      • Sennekamp M.
      Hessenweites Weiterbildungskolleg für Ärztinnen und Ärzte iun Weiterbildung Allgemeinmedizin.
      ]. Ähnliche Gruppeneffekte konnten die Autoren während der Doppelschulungstage der VWBplus beobachten. Sie waren allerdings kein Gegenstand der hier vorliegenden Analyse, da sie direkt erlebte und nicht per E-Mail vorgetragene Beratungsanlässe wiederspiegeln. Bei individuellen Kriseninterventionen ist nach Erfahrung der Autoren grundsätzlich ein Einzel-Mentoring – telefonisch oder als ein persönliches Treffen – notwendig.
      Aus der Analyse des Materials lassen sich die Anforderungen an einen Mentor für allgemeinmedizinische Verbundweiterbildungsprojekte ableiten: ÄiW wünschen sich einen erfahrenen und kompetenten Ansprechpartner, der sie spezifisch bezüglich allgemeinmedizinischer Besonderheiten in der Weiterbildung berät und darüber hinaus über Kenntnisse in (arbeits-)rechtlichen Angelegenheiten verfügt. Dass innerhalb der VWBplus Baden-Württemberg diese Aufgabe von Fachärzten für Allgemeinmedizin übernommen wird, hat den Vorteil, dass die Mentoren eigene Erfahrungen und Verständnis für mögliche Barrieren mitbringen. Darüber hinaus kann Mentoring durch einen Facharzt für Allgemeinmedizin identitätsstiftend für das Fach wirken: Es gibt dem Mentee die Chance, die „Kultur“ und Besonderheiten der Allgemeinmedizin aus der Perspektive eines im System Etablierten kennenzulernen.
      Eine aktuelle Arbeit zum Thema Mentoring in der Allgemeinmedizin bekräftigt unsere vorliegenden Ergebnisse [
      • Broermann M.
      • Gerlach F.
      • Sennekamp M.
      Sinnvoll und vom Nachwuchs gewünscht. Mentoring in der Weiterbildung Allgemeinmedizin.
      ]. Letztlich trägt ein bedarfsorientiertes Mentoring in einer strukturierten Weiterbildung im Sinne der DEGAM-Zukunftspositionen [] dazu bei, hoch qualifizierten allgemeinmedizinischen Nachwuchs zu fördern.

      Stärken und Schwächen

      Eine Stärke der vorliegenden Studie ist, dass eine große Anzahl von Anfragen von ÄiW über einen Zeitraum von über 4,5 Jahren analysiert wurde. Diese Anfragen bezogen sich jedoch nur auf die Weiterbildung Allgemeinmedizin in Baden-Württemberg und sind daher möglicherweise nicht repräsentativ für ganz Deutschland. Eine weitere Limitation ist, dass lediglich die per E-Mail gestellten Fragen analysiert wurden. Anfragen, die bei dem Erstgespräch und bei den unterschiedlichen Schulungsveranstaltungen direkt erfolgten, wurden nicht strukturiert erhoben. Ein Bias bei den Anfragen kann daher nicht ausgeschlossen werden. Da sich die Anzahl der teilnehmenden ÄiW an der VWBplus im Beobachtungszeitraum stark vergrößert hat, sind Rückschlüsse, wie hoch der tatsächliche Beratungsbedarf aktuell ist, aus den Zahlen der analysierten E-Mails nur bedingt ableitbar.

      Schlussfolgerungen

      Ein Mentoring bietet den ÄiW die Möglichkeit einer umfassenden Beratung und Hilfestellung zur Beantwortung individueller Fragen durch erfahrene und fachkundige Ansprechpartner. Besonders gewinnbringend ist das Mentoring, wenn der Mentor eine breite Berufserfahrung aufweist und über ein Netzwerk im allgemeinmedizinischen Bereich verfügt, in das er den Mentee einführen kann. Ebenso dienlich sind profunde Kenntnisse bzgl. der besonderen allgemeinmedizinischen Weiterbildung und des Arbeitsrechts im Allgemeinen. Vor allem bei Konflikten mit dem Arbeitsgeber oder in persönlichen Lebenskrisen, kann nur durch einen persönlichen Kontakt dem individuellen Beratungsbedarf adäquat begegnet werden und die Fähigkeit des Mentees zur selbstständigen wie eigenverantwortlichen Lösung von Problemen, dem zentralen Leitgedanken des Mentorings, gefördert werden. Zukünftig ist es sinnvoll, aufbauend auf den Erfahrungen der bisherigen Verbundweiterbildungsprogramme Mentoren z.B. von universitären Standorten aus zu qualifizieren. FAQ Listen können vor dem Hintergrund des Bedarfs an individueller Beratung das Mentoring nicht ersetzen und nur eine zusätzliche, das Mentoring ergänzende Form der Beratung sein.

      Interessenskonflikte

      Die Autoren sind bzw. waren angestellt in der VWBplus Baden-Württemberg.

      Literatur

      1. Bundesärztekammer 2010. http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/113Beschlussprotokoll20100712a.pdf. (letzter Zugriff am 30.09.2015)

        • Steinhaeuser J.
        • Chenot J.F.
        • Roos M.
        • Ledig T.
        • Joos S.
        Competence-based curriculum development for general practice in Germany: a stepwise peer-based approach instead of reinventing the wheel.
        In: BMC Res Notes. 2013 Aug 9; 6: 314
        • Steinhäuser J.
        • Roos M.
        • Haberer K.
        • Ledig T.
        • Peters-Klimm F.
        • Szecsenyi J.
        • Joos S.
        Bericht aus der Praxis. Das Programm VerbundweiterbildungPLUS des Kompetenzzentrums Allgemeinmedizin Baden-Württemberg - Entwicklung, Umsetzung und Perspektiven.
        Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen. 2011; 105: 105-109
      2. DEGAM Zukunftspositionen. http://www.degam.de/files/Inhalte/Degam-Inhalte/Ueber_uns/Positionspapiere/DEGAM_Zukunftspositionen.pdf. (letzter Zugriff am 23.09.2015)

        • Flum E.
        • Magez J.
        • Aluttis F.
        • Hoffmann M.
        • Joos S.
        • Ledig T.
        • Oeljeklaus L.
        • Simon M.
        • Szecsenyi J.
        • Steinhäuser J.
        Das Schulungsprogramm der Verbundweiterbildung plus Baden-Württemberg: Entwicklung und Implikationen für die Implementierung von Verbundweiterbildungsprogrammen in Deutschland.
        Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen. 2016; 112: 54-60
        • Steinhäuser J.
        • Paulus J.
        • Roos M.
        • Peters-Klimm F.
        • Ledig T.
        • Szecsenyi J.
        • Joos S.
        „Allgemeinmedizin ist trotzdem ein schönes Fach“ – eine qualitative Studie mit Ärzten in Weiterbildung.
        Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen. 2011; : 10589-10596
        • Broermann M.
        • Gerlach F.
        • Sennekamp M.
        Sinnvoll und vom Nachwuchs gewünscht. Mentoring in der Weiterbildung Allgemeinmedizin.
        Z Allg Med. 2014; 90: 502-507
      3. Homer: Odyssee. Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuchverlag; 2011.

        • Kram K.
        Phases of the Mentor Relationship.
        In: Academy of Management Journal. 1983; 26: 608-625
        • Healy C.C.
        • Welchert A.J.
        Mentoring relations: a definition to advance research and practice.
        Educational Researcher. 1990; 19: 17-21
        • Frei E.
        • Stamm M.
        • Buddeberg-Fischer B.
        Mentoring programms for medical students – a review of the PubMed literature 2000-2008.
        BMC Medical Education. 2010; 10: 32
        • Meyer M.
        • Ittel A.
        Mentoring in der Wissenschaft. Der Weg zum Erfolg? Die Evaluation eines Förderprogramms für Nachwuchswissenschaftlerinnen in Berlin.
        in: Stöger H. Ziegler A. Schimke D. Mentoring. Theoretische Hintergründe, empirische Befunde und praktische Anwendungen. Pabst Science Publishers, Lengerich2009: 91-121
        • Mayring P.
        Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken.
        Ed 11. Beltz, Weinheim2010
        • Graf N.
        • Edelkraut F.
        Mentoring: Das Praxisbuch für Personalverantwortliche und Unternehmer.
        Springer, Wiesbaden2014
        • Ziegler A.
        Mentoring: Konzeptuelle Grundlagen und Wirksamkeitsanalyse.
        in: Stöger H. Ziegler A. Schimke D. Mentoring. Theoretische Hintergründe, empirische Befunde und praktische Anwendungen. Pabst Science Publishers, Lengerich2009: 7-24
      4. Koordinierungsstelle Allgemeinmedizin Baden-Württemberg. FAQ. http://www.allgemeinmedizin-bw.de/faq/. (letzter Zugriff am 22.10.2015).

      5. Koordinierungsstelle Allgemeinmedizin Bayern. FAQ. http://www.kosta-bayern.de/verbundweiterbildung/faq-haeufig-gestellte-fragen. (letzter Zugriff am 25.02.2016).

      6. Buddeberg-Fischer B, Stamm M. Mentoring in der Medizin: Formen, Konzepte und Erfahrungen. Bericht über Mentoring-Programm am Universitätsspital und an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich 2002-2011. 2012.

        • Broermann M.
        • Wunder A.
        • Sommer S.
        • Baum E.
        • Gerlach F.
        • Sennekamp M.
        Hessenweites Weiterbildungskolleg für Ärztinnen und Ärzte iun Weiterbildung Allgemeinmedizin.
        Z Allg Med. 2015; 91: 18-22