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Korrespondenzadresse: Bernd Kerschner, Department für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie, Donau-Universität Krems, Dr.-Karl-Dorrek-Straße 30, 3500 Krems, Österreich
We rated the body of evidence for 219 health-related questions that had been covered by 990 media articles in Austrian print and online media. In 59.5 % of these articles, the evidence for medical facts is reported in a highly distorted (exaggerated or understated) manner; only 10.8 % adequately reflect the actual strength of evidence. While 61.3% of the articles imply that the reported effects are based on the highest level of evidence, it really only applies to 2.6% of the articles. Compared to quality media, tabloid media report in a more distorted way. However, this is mainly due to a different subject coverage, since the degree of distorted reporting does not significantly differ for subjects covered by both tabloid and quality media. Online media do not report in a more distorted way than print media, with the exception of the newspaper “Der Standard”. A clear difference can be seen in the reporting on different subjects. Articles on medications regulated by governmental authorities or interventions which only physicians are allowed to perform were significantly less distorted than articles on nutritional supplements or interventions that may be provided by non-physician staff. Reports on cosmetic or weight loss interventions were most distorted.
Zusammenfassung
Wir bewerteten die Evidenzlage zu 219 gesundheitsrelevanten Fragestellungen, die in insgesamt 990 Beiträgen in österreichischen Print- und Online-Medien behandelt worden waren. 59,5% dieser Medienbeiträge geben die Evidenz zu medizinischen Fragestellungen stark verzerrt (über- bzw. untertrieben) wieder, nur 10,8% berichten gemäß der tatsächlichen Evidenzlage. Während 61,3% der Medienartikel die höchste Evidenzstufe für die berichteten Effekte nahelegen, ist die tatsächliche Evidenz nur für 2,6% der Artikel tatsächlich so hoch. Boulevardmedien berichten verzerrter als Qualitätsmedien. Dies ist aber hauptsächlich auf die unterschiedliche Auswahl der berichteten Themen zurückzuführen, die Berichterstattung zu denselben Themen unterscheidet sich zwischen Boulevard- und Qualitätsmedien nicht signifikant. Onlinemedien berichten mit Ausnahme des „Standard“ nicht signifikant stärker verzerrt als Print-Medien. Deutliche Unterschiede zeigen sich bei der Berichterstattung zu unterschiedlichen Themen. Artikel über zulassungspflichtige Medikamente oder Ärzten vorbehaltene Untersuchungen und Interventionen berichten signifikant weniger verzerrt als Beiträge zu Nahrungsergänzungsmitteln oder Interventionen, die auch Nichtmediziner durchführen dürfen. Am verzerrtesten waren Berichte zu kosmetischen und Abnehm-Interventionen.
Print- und Onlinemedien sind für BürgerInnen wichtige Informationsquellen, die Entscheidungen zu gesundheits- und krankheitsbezogenen Themen beeinflussen. Rund ein Drittel der ÖsterreicherInnen bezieht Gesundheitsinformation aus Printmedien [
]. Der Anteil österreichischer BürgerInnen, die sich in Onlinemedien zu Gesundheitsfragen informiert, reicht in aktuellen Meinungsumfragen von 35 bis 53 Prozent [
]. Auch wenn Journalismus der Sorgfaltspflicht unterliegt, gibt es zahlreiche Gründe, warum wissenschaftliche Evidenz zu gesundheitlichen Themen in Medien falsch wiedergegeben oder verzerrt dargestellt wird. Erste Ursachen finden sich schon bei wissenschaftlichen Institutionen, die Pressemitteilungen - welche oft die Grundlage für die Medienberichterstattung bilden - mitunter übertrieben positiv formulieren. Eine Studie von 2014 [
] zeigt, dass 40 Prozent der Pressemitteilungen wissenschaftlicher Institutionen übertrieben positiv formuliert sind: so werden z.B. kausale Zusammenhänge behauptet, die nicht in der dargestellten Weise nachgewiesen wurden, es wird unzulässig von Tierversuchen auf Wirksamkeit bei Menschen geschlossen oder Aufforderungen zu Verhaltensänderungen werden übertrieben dargestellt. Diese verzerrten Darstellungen werden zum Großteil von den Medien übernommen, was dazu führt, dass die Qualität medizinischer Pressemitteilungen die Qualität der anschließenden Medienberichterstattung beeinflusst [
Medien wollen jedoch auch medizinische Forschungsergebnisse für Laien verständlich aufbereiten und vereinfachen daher oft Inhalte. Das kann dazu führen, dass Unsicherheiten über die berichteten Zusammenhänge und Ergebnisse nicht kommuniziert werden. Allerdings führt diese Vereinfachung langfristig zu mangelnder Konsistenz und Medienberichten, die sich scheinbar widersprechen – und so zu einem Vertrauensverlust gegenüber der Wissenschaft [
Zeitdruck, schrumpfende Redaktionen und wirtschaftliche Interessenskonflikte erschweren Medien zusätzlich die Bereitstellung korrekter Information für ihre LeserInnen [
]. So ist beispielsweise für JournalistInnen die schnellste Möglichkeit an Gesundheitsinformation zu kommen das Gespräch mit ExpertInnen. Die persönliche Expertise von Fachleuten ist jedoch nicht immer frei von wirtschaftlichen und intellektuellen Interessenskonflikten und reflektiert häufig eher einen persönlichen Standpunkt als den letzten Stand des Wissens [
]. Medien finanzieren sich zu einem hohen Prozentsatz über Anzeigen, was bei zahlreichen Gesundheitsthemen zu Interessenskonflikten führen kann. Viele Nahrungsergänzungsmittel, Medizinprodukte, alternative Heilmethoden und rezeptfreie Medikamente unterliegen nicht den strengen Werbeauflagen zugelassener Medikamente. Die Hersteller bilden daher für Medien einen wertvollen Pool an InseratenkundInnen, der häufig auch über eigene werbefinanzierte Beilagen ausgeschöpft wird. Eine konsequent kritische Berichterstattung kann zum Verlust von AnzeigenkundInnen führen. Doch auch die JournalistInnen selbst erhalten teilweise Honorare direkt von Pharmafirmen [
], bei der 500 Zeitungsberichte nach wissenschaftlichen Kriterien evaluiert wurden, kam zu dem Ergebnis, dass Zeitungsberichte häufig folgende Fehler machen: Die Evidenzlage wird nicht besprochen, weder Behandlungskosten noch -alternativen werden thematisiert und auch Nutzen und Nebenwirkungen werden nur selten korrekt eingeordnet.
Ziel unserer Studie war es zu erheben, in wie weit die Informationen über Gesundheitsthemen aus österreichischen Print - und Onlinemedien mit der tatsächlichen Evidenz zur jeweiligen Fragestellung übereinstimmen. Des Weiteren untersuchten wir, ob es Unterschiede zwischen Qualitätsmedien und Boulevardmedien oder Online- und Printmedien gibt.
Ausgangspunkt unserer Untersuchung ist die Arbeit der Internetplattform medizin-transparent.at. Dort werden seit 2011 Gesundheitsbehauptungen österreichischer Medien überprüft und mit der tatsächlichen Evidenzlage zur jeweiligen Fragestellung verglichen. Details zu diesem Projekt finden sich in einem eigenen Beitrag in dieser Ausgabe.
Methoden
Stichprobe
Im Zeitraum von Mai 2011 bis Juni 2014 wurde auf der Plattform Medizin-Transparent.at (www.medizin-transparent.at) die Evidenzlage zu insgesamt 231 gesundheitsbezogenen Fragestellungen erhoben, über welche österreichische Print- und Online-Medien zuvor berichtet hatten. Diese Fragestellungen bezogen sich auf bestimmte Medienartikel – von uns als Index-Artikel bezeichnet, die von LeserInnen oder MitarbeiterInnen von Medizin-Transparent.at in diesem Zeitraum ausgewählt wurden. Diese Fragestellungen dienten als Basis für unsere Studie und sind in Appendix 1 gelistet.
Um ein repräsentatives Bild der österreichischen Gesundheits-Medienberichtserstattung zu diesen Themen zu erhalten, durchsuchten wir die wiso Presse-Datenbank (http://rzblx10.uni-regensburg.de/dbinfo/detail.php?titel_id=7789&bib_id=onb) sowie Google nach allen inhaltlich relevanten Artikeln, die innerhalb eines dreimonatigen Zeitraums um die Publikation des Indexartikels in 17 Print- und 22 Onlinemedien aus Österreich erschienen waren (siehe Appendix 2 Tabelle A1). Nicht berücksichtigt werden konnten die Print-Ausgaben der beiden Gratis-Tageszeitungen Heute und Österreich – diese waren in der wiso-Pressedatenbank nicht eingetragen – sowie die Online-Ausgabe des Neuen Volksblattes.
Bewertung der tatsächlichen Evidenz
Um die zugrundeliegende Evidenz zu erfassen, führten wir für jede der behandelten Fragestellungen einen Rapid Review durch. Dazu führte eineR der AutorInnen dieser Studie eine systematische Literatursuche in den Datenbanken Pubmed und Cochrane Library – limitiert auf systematische Übersichtsarbeiten – durch. Anschließend beurteilte der oder die selbe AutorIn die nach Titel-, Abstract- und Volltext-Review als relevant eingestuften Übersichtsarbeiten hinsichtlich ihrer methodischen Qualität mithilfe einer modifizierten Version von AMSTAR [
], einem Bewertungsinstrument für systematische Übersichtsarbeiten. Konnten keine aktuellen systematischen Übersichtsarbeiten von ausreichender Qualität gefunden werden, wurde die Literatursuche auf Randomisiert-kontrollierte Studien (RCTs) sowie bei Bedarf auch auf Beobachtungsstudien ausgedehnt. Die Qualität der Evidenz der gesamten ausgewählten relevanten Literatur wurde anhand einer adaptierten Version des GRADE (Grading of Recommendations Assessment, Development and Evaluation) Schemas [
] auf einer siebenstufigen Skala (siehe Tabelle 1) durch denselben Autor eingeschätzt. Die Skala reicht von -3 (hohe Evidenz für keinen Effekt) über 0 (unklarer Effekt) bis +3 (hohe Evidenz für einen Effekt). Diese Einschätzung wurde von einem zweiten Autor gegengeprüft; im Fall von Meinungsdifferenzen wurde ein Konsens durch Diskussion erzielt.
Tabelle 1Evidenzskala für die tatsächliche und in Medienbeiträgen implizierte Evidenz.
Evidenzgrad
Tatsächliche Evidenz (adaptierte Version von GRADE)
Implizierte Evidenz in Medienbeiträgen
−3
Hoch, sicher kein Effekt. Es ist unwahrscheinlich, dass neue Studien die Einschätzung des Effekts verändern werden.
Uneingeschränkt, kein Zweifel am Fehlen eines Effekts. Keine Erwähnung, dass die Evidenz für das Fehlen eines Effekts begrenzt ist oder dass Zweifel am Fehlen eines Effekts bestehen.
−2
Mittel, wahrscheinlich kein Effekt. Neue Studien werden möglicherweise aber einen wichtigen Einfluss auf die Einschätzung des Effekts haben.
Wenig eingeschränkt, geringe Zweifel am Fehlen eines Effekts. Es wird erwähnt, dass die Evidenz für das Fehlen eines Effekts nicht völlig uneingeschränkt ist - man hat den Eindruck, dass neue Studien möglicherweise einen wichtigen Einfluss auf die Einschätzung des Effekts haben werden
−1
Niedrig, möglicherweise kein Effekt. Neue Studien werden mit Sicherheit einen wichtigen Einfluss auf die Einschätzung des Effekts haben.
Eingeschränkt, deutliche Zweifel am Fehlen eines Effekts. Es wird erwähnt, dass die Evidenz für das Fehlen eines Effekts klar beschränkt ist - man hat den Eindruck, dass neue Studien mit Sicherheit einen wichtigen Einfluss auf die Einschätzung des Effekts haben werden
0
Unklarer Effekt. Die wissenschaftliche Beweislage ist unzureichend oder fehlend, um den Effekt einschätzen zu können.
Nicht vorhanden, unklarer Effekt. Es wird klar erwähnt, dass es keine/ungenügend Evidenz für oder gegen einen Effekt gibt.
1
Niedrig, Effekt möglich. Neue Studien werden mit Sicherheit einen wichtigen Einfluss auf die Einschätzung des Effekts haben.
Eingeschränkt, deutliche Zweifel an Effekt. Es wird erwähnt, dass die Evidenz klar beschränkt ist - man hat den Eindruck, dass neue Studien mit Sicherheit einen wichtigen Einfluss auf die Einschätzung des Effekts haben werden
2
Mittel, Effekt wahrscheinlich. Neue Studien werden möglicherweise aber einen wichtigen Einfluss auf die Einschätzung des Effekts haben.
Wenig eingeschränkt, geringe Zweifel an Effekt. Es wird erwähnt, dass die Evidenz für einen Effekt nicht völlig uneingeschränkt ist - man hat den Eindruck, dass neue Studien möglicherweise einen wichtigen Einfluss auf die Einschätzung der Intervention haben werden.
3
Hoch, Effekt sicher. Es ist unwahrscheinlich, dass neue Studien die Einschätzung des Effekts verändern werden.
Uneingeschränkt, kein Zweifel an Effekt. Keine Erwähnung, dass die Evidenz für einen Effekt begrenzt ist oder dass Zweifel am Effekt bestehen.
Implizierte Qualität der Evidenz in Medienberichten
Um die vorhandene Evidenzlage mit der in Medienberichten vermittelten zu vergleichen, wurde für alle analysierten Medienberichte die Stärke der darin „implizierten Evidenz“ abgeschätzt. Grundlage für die Einstufung der implizierten Evidenz stellte eine siebenstufige Skala dar, die in Anlehnung an das GRADE-Schema erstellt wurde (siehe Tabelle 1). Die Einstufung des implizierten Evidenzgrades basiert auf der Einschätzung, die ein hypothetischer Laie vornehmen würde, dem außer dem vorliegenden Medienbericht keine weiteren Informationen zur Einschätzung der Evidenz für die behandelte Fragestellung zur Verfügung stünden. Die Skala reicht von -3 (Uneingeschränkt, kein Zweifel am Fehlen eines Effekts) über 0 (unklarer Effekt) bis +3 (Uneingeschränkt, kein Zweifel an Existenz eines Effekt). Jeweils zwei AutorInnen schätzten die implizierte Evidenz für jeden Medienbericht unabhängig voneinander ein. Die Interrater-Korrelation betrug 0,845 (Spearman's Rho, 95%-Konfidenzintervall-Schätzung durch Bootstrapping: 0,810 – 0,875). 77,8% aller Bewertungen waren übereinstimmend, in 19,2% ergaben sich Abweichungen um 1 Punkt auf der 7-teiligen Skala und in 3% betrug die Abweichung 2 Punkte. Bei Nicht-Übereinstimmung wurde ein Konsens durch Diskussion oder Einbeziehung eines dritten Autors bzw. einer dritten Autorin erreicht.
Grad der Verzerrung in der Berichterstattung
In welchem Ausmaß Medien verzerrt (über- bzw untertrieben) berichten, zeigt die Abweichung der im Medienbeitrag implizierten von der tatsächlichen Evidenzlage als Betrag der Differenz (siehe Abbildung 1), mit einer Spannweite von 0 bis 6. Eine Evidenz-Abweichung von 0 bedeutet, dass ein Medienbericht die Evidenzlage unverzerrt wiedergibt. Die höchstmögliche Evidenz-Abweichung von 6 zeigt die größtmögliche Verzerrung auf: eine hohe implizierte Evidenz für einen Interventionseffekt (Grad 3) bei gleichzeitig real vorhandener hoher Evidenz dafür, dass kein Interventionseffekt vorhanden ist (Grad -3) oder umgekehrt.
Abbildung 1Ausmaß der Verzerrung als Betrag der Differenz zwischen implizierter und tatsächlicher Evidenz nach Tabelle 1.
Als stark verzerrte Berichterstattung wurde eine Evidenz-Abweichung von ≥2 definiert. Dies entspricht zum Beispiel einer hohen implizierten Evidenz (Grad 3), wenn die tatsächliche Evidenzstärke lediglich niedrig ist (Grad 1), oder einer mittleren implizierten Evidenz (Grad 2), wenn die Evidenz in der Realität unklar ist (Grad 0). Eine leicht verzerrte Berichterstattung liegt unserer Definition demnach vor, wenn die Evidenz-Abweichung 1 beträgt.
Sämtliche statistischen Berechnungen wurden in SPSS 21.0 (IBM Corporation) durchgeführt. Unterschiede im Ausmaß der Verzerrung wurden durch einen Mittelwertvergleich der Evidenz-Abweichungen mittels Mann–Whitney U-Test bzw. mittels parameterfreier Varianzanalyse von Kruskal und Wallis geprüft.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 1253 journalistische Artikel zu 231 Fragestellungen gefunden. 263 Artikel mussten jedoch in Folge ausgeschlossen werden: 18 waren als Werbung gekennzeichnet oder in einer Beilage der jeweiligen Printausgabe erschienen, und 245 gingen nicht klar auf die behandelte Fragestellung ein. Schlussendlich gingen 990 Artikel zu 219 Fragestellungen in die Analyse ein. Die Anzahl der analysierten Fragestellungen verringerte sich, da zu manchen Fragestellungen alle thematisch passenden Medienbeiträge aus vorher genannten Gründen ausgeschlossen werden mussten. Unter den 990 Medienberichten befanden sich 290 Artikel, die wortgleich in zwei oder mehr verschiedenen Medien veröffentlicht wurden. Ein Grund für diese Doubletten ist die Veröffentlichung von 103 Printartikeln in der Online-Ausgabe desselben Muttermediums (206 Doubletten). Bei 84 Doubletten-Artikeln liegt der Grund darin, dass Presseaussendungen von Nachrichtenagenturen oder anderen Interessensgruppen von mehr als einem Medium übernommen wurden. Da diese Doubletten einen wichtigen Beitrag zur Gesamtheit aller veröffentlichten Beiträge zu einer Fragestellung darstellten, wurden sie nicht explizit aus der Analyse ausgeschlossen. Um den Einfluss von Doubletten auf das Ergebnis zu bestimmen, wurden sämtliche Analysen aber auch nach Deduplizierung durchgeführt.
Verzerrung in der Gesamtstichprobe
Insgesamt vermitteln 61,3% der untersuchten Medienartikel den Eindruck, dass der berichtete Effekt mit der höchsten Evidenzstufe (Evidenzgrad 3 nach Tabelle 1) abgesichert ist. Tatsächlich ist das jedoch nur für 2,6% aller Artikel der Fall (siehe Abbildung 2). In 44,4% aller Artikel ist die tatsächliche Evidenz unklar (Evidenzgrad 0 nach Tabelle 1), doch nur 8,8% aller Artikel implizieren dies auch.
Abbildung 2Vergleich der tatsächlichen und implizierten Evidenz von 990 Medienberichten. Erklärung der Evidenzstärke-Skala siehe Tabelle 1.
Im Vergleich zur tatsächlichen Evidenzlage berichtet mit 59,5% die Mehrzahl aller Medienberichte stark verzerrt (Evidenz-Abweichung ≥2, siehe Abbildung 3). Lediglich bei 10,8% der 990 Medienberichte entspricht die Aussage der tatsächlichen Studienlage (Evidenz-Abweichung = 0). Beinahe ein Drittel (29.7%) aller Berichte stellen die Evidenzlage leicht verzerrt dar (Evidenz-Abweichung = 1). Eine Deduplizierung (Ausschluss von 151 Doubletten aus der Analyse) verändert diese Ergebnisse nur unwesentlich (keine Evidenz-Abweichung: 11,1%; Evidenz-Abweichung = 1: 28,2%; Evidenz-Abweichung ≥2: 60,7%).
Abbildung 3Ausmaß und Anteil der verzerrten Berichterstattung bei 990 Medienberichten.
Insgesamt 550 Medienbeiträge behandelten Fragestellungen zu Effekten, für die zumindest niedrige Evidenz oder Evidenz einer höheren Stufe vorliegt (tatsächliche Evidenz ungleich 0). Von diesen 550 Artikeln vermittelten 15,8% den Eindruck, es gäbe Evidenz für einen gegenteiligen Effekt (implizierte Evidenz > 0 bei einer tatsächlichen Evidenz < 0 bzw. umgekehrt). Nach Deduplizierung war der relative Anteil mit 15,2% (74 von 486) ähnlich groß, ob Medienberichte wortgleich mehrfach veröffentlicht wurden, beeinflusste den Anteil gegenteiliger Behauptungen also nicht.
Zu Fragestellungen mit unklarer tatsächlicher Evidenz (tatsächliche Evidenz = 0) berichteten 440 Medienbeiträge. Der Großteil davon (69,4%) berichtet stark verzerrt (implizierte Evidenz von mindestens 2 bzw. -2). Beispielsweise vermittelte ein Zeitungsartikel den starken Eindruck, die Einnahme des Enzyms Diamino-Oxidase könne Alkohol-bedingten Katersymptomen vorbeugen (implizierte Evidenz: 3). In Wirklichkeit ist die Evidenz dafür unklar (tatsächliche Evidenz = 0). Ohne Doubletten waren es 71,4% (265 von 371 Medienbeiträgen).
Online- versus Print-Medien
Online- und Printmedien in unserer Stichprobe unterscheiden sich hinsichtlich des Ausmaßes an verzerrter Berichterstattung nicht signifikant (U-Test: n = 990 Artikel, p = 0,234). Die Deduplizierung von Artikeln, die wortgleich in Print- und Online-Medien erschienen waren, ändert daran nichts (U-Test: n = 784 Artikel, p = 0,183). Auch eine Reduktion auf Artikel nur zu jenen Themen, die sowohl in Online- als auch in Printmedien behandelt wurden, zeigt keinen signifikanten Unterschied (U-Test: n = 911 Artikel zu 166 Fragestellungen, p = 0,437; ohne wortgleiche Artikel in Online- und Print-Medien: U-Test: n = 705, p = 0,365).
Wir verglichen auch die Online-Ausgabe jeder Zeitung bzw. Zeitschrift mit deren Print-Ausgabe, falls dafür in unserer Stichprobe mindestens jeweils 10 Online- und 10 Print-Artikel vertreten sind (dies waren die Tageszeitungen Standard, Kurier, Kleine Zeitung, Kronenzeitung, Presse, Oberösterreichische Nachrichten und das Wochenmagazin News, siehe Tabelle 2). Hier zeigt sich lediglich beim Standard eine signifikant verzerrtere Berichterstattung der Online- gegenüber der Printausgabe (U-Test: p = 0,043).
Tabelle 2Ausmaß der verzerrten Berichterstattung für alle analysierten Artikel in Print- und Online-Medien.
Print-Ausgabe
Online-Ausgabe
Medium
Anzahl Artikel
Behandelte Fragestellungen
% stark verzerrte Artikel
% nicht verzerrte Artikel
Anzahl Artikel
Behandelte Fragestellungen
% stark verzerrte Artikel
% nicht verzerrte Artikel
Der Standard
42
34
40,5
21,4
108
93
53,7
8,3
Die Presse
35
34
45,7
11,4
29
28
51,7
3,4
Heute.at
ND
ND
ND
ND
25
25
76
12
Kleine Zeitung
55
46
54,6
9,1
38
35
55,3
10,5
Kronenzeitung
61
50
60,7
16,4
23
23
56,5
0
Kurier
88
74
60,2
14,8
43
40
44,2
11,6
News
10
8
80
0
19
17
63,2
0
NVTZ
24
21
54,2
12,5
ND
ND
ND
ND
OÖN
54
49
70,4
11,1
19
18
68,4
5,3
Oe24.at
ND
ND
ND
ND
27
25
66,7
11,1
ORF.at
EN
EN
EN
EN
57
53
64,9
10,5
Salzburger NR
52
45
61,5
13,5
9
9
66,7
0
Tiroler TZ
36
36
50
11,1
6
6
33,3
0
Vorarlb. NR
28
26
67,9
14,3
1
1
100
0
Wiener Ztg.
31
28
64,5
12,9
10
10
70
10
ND: Print-Ausgabe nicht durchsucht, EN: Print- bzw. Online-Ausgabe existiert nicht. Kursive Zahlen: Daten aufgrund kleiner Stichprobe (≤10 Artikel) nicht aussagekräftig. NVTZ: Neue Vorarlberger Tageszeitung, OÖN: Oberösterreichische Nachrichten, Salzburger NR: Salzburger Nachrichten, Tiroler TZ: Tiroler Tageszeitung, Vorarlb. NR: Vorarlberger Nachrichten, Wiener Ztg: Wiener Zeitung
Als Boulevardmedien definierten wir die Kronenzeitung sowie die beiden Gratisblätter Heute und Österreich. Leider konnten wir für Heute und Österreich nur auf Artikel der Online-Ausgaben zurückgreifen (Boulevard insgesamt n = 136 Artikel). Als Qualitätsmedien definierten wir nach allgemeiner Auffassung die Print- und Online-Ausgaben der Salzburger Nachrichten, der Presse sowie des Standard (n = 275 Artikel). Alle anderen Medien liegen unserer Auffassung nach in der Mitte zwischen den beiden Extremkategorien „Boulevard“ und „Qualitätsmedien“.
Mit 64,0% stark verzerrten Artikeln berichten Boulevard-Zeitungen signifikant verzerrter als Qualitätsmedien mit 52,4% stark verzerrten Artikeln (U-Test: p = 0,009, siehe Abbildung 4). Der Unterschied blieb auch nach Deduplizierung signifikant (n = 301, U-Test: p = 0,018).
Abbildung 4Abweichung von der tatsächlichen Evidenz zwischen Boulevard- und Qualitäts-Medien. Boulevard-Medien: Heute.at, Oe24.at, Kronenzeitung (Online- und Print-Ausgabe). Qualitätszeitungen: Der Standard, Die Presse, Salzburger Nachrichten (jeweils Online- und Print-Ausgabe).
Wird jedoch nur das Ausmaß der Berichtsverzerrung zu jenen 57 Fragestellungen verglichen, zu denen sowohl mindestens ein Boulevard- wie ein Qualitäts-Medium berichtet haben, ist der Unterschied nicht mehr signifikant. Von 86 Artikeln aus Boulevardmedien berichten 60,4% stark übertrieben, bei den Qualitätsmedienberichten zu denselben Fragestellungen sind es 58% von 138. (U-Test: n = 242 Artikel, p = 0,588). Eine Deduplizierung ändert das Ergebnis nicht wesentlich (U-Test: n = 170, p = 0,764). Die etwas häufigere Verzerrung der Berichterstattung in Boulevard-Artikeln wird also durch die Themenauswahl bestimmt, nicht aber durch unterschiedlich faktenbasierte Berichterstattung zu denselben Themen.
Vergleich einzelner Medien untereinander
Wir wollten herausfinden, ob es bestimmte Einzelmedien gab, die sich in Hinblick auf das Ausmaß der Verzerrung ihrer Berichterstattung von anderen unterscheiden. Ein Vergleich der Evidenz-Abweichungen aller Print-Medien beziehungsweise aller Online-Medien untereinander brachte jedoch keine signifikanten Unterschiede zutage. Verglichen wurden alle Print- respektive Online-Medien, für die zumindest 10 Artikel in unserer Stichprobe vorlagen (Kruskal-Wallis-Test für Print-Medien (n = 516): p = 0,110; für Online-Medien (n = 422): p = 0,269). Das Ausmaß der inhaltlichen Verzerrung für Medien, die zumindest 15 Artikel behandelten, findet sich in Tabelle 2.
Kurz- versus Langmeldungen
Je knapper ein Sachverhalt dargestellt werden muss, umso detailärmer fällt der Inhalt aus. Wir wollten überprüfen, ob eine solche Detailverkürzung zu größerer Verzerrung der Fakten in der Gesundheitsberichterstattung führt. Dazu verglichen wir das Ausmaß der Verzerrung zwischen Kurzartikeln (<800 Zeichen inkl. Leerzeichen) und Langartikeln (800 oder mehr Zeichen inkl. Leerzeichen). Nach Deduplizierung waren 136 Beiträge Kurzartikel und 703 Langartikel. Es zeigte sich jedoch kein signifikanter Unterschied im Ausmaß der Verzerrung (U-Test, p = 0,895). Auch eine Reduktion auf Artikel zu jenen 69 Themen, die sowohl in Kurz- als auch Langartikeln behandelt worden waren (136 Kurzartikel, 341 Langartikel) ergab keinen signifikanten Unterschied (U-Test: p = 0,262).
Auswertung nach inhaltlichen Kategorien
Um zu überprüfen, ob die Fakten in einzelnen Themenbereichen möglicherweise verzerrter berichtet werden als in anderen, teilten wir die 219 behandelten Fragestellungen in acht verschiedene Themengruppen ein (siehe Tabelle 3).
Tabelle 3Deskriptive Auswertung nach Inhaltskategorien.
Inhaltliche Kategorie
Anzahl Artikel
Behandelte Fragestellungen
Inhaltliche Zuordnung
% stark verzerrte Artikel
% nicht verzerrte Artikel
Kategorie 1
190
43
Zulassungspflichtige Medikamente / Behandlung bzw. Testung erfolgt nur durch einen Arzt (ohne Kosmetik, inkl. Früherkennung, ohne Bewegungstherapien oder Psychotherapie)
41,1
8,9
Kategorie 2
129
33
Nahrungsergänzungsmittel / nicht zulassungspflichtige Medikamente/Produkte + Behandlung, die nicht durch Arzt durchgeführt werden muss
Die Ergebnisse der Vergleiche sind in Tabelle 3 dargestellt. Demnach weichen Medienberichte aus Kategorie 1 (Zulassungspflichtige Medikamente bzw. Behandlung oder Testung nur durch Arzt oder Ärztin möglich) mit 41,1% stark verzerrten Artikeln am wenigsten häufig von der tatsächlichen Faktenlage ab. Signifikant häufiger verzerrt berichten Medien über Themen der Kategorie 2 (Nahrungsergänzungsmittel / nicht zulassungspflichtige Medikamente/Produkte + Behandlung, die nicht durch Arzt oder Ärztin durchgeführt werden muss). Hier sind 70,5% aller Medienberichte stark verzerrt, der Unterschied zu Themen aus Kategorie 1 ist signifikant (Kruskal Wallis Test, post-hoc-Vergleich adj. p = 0,005), auch nach Deduplizierung durch Ausschluss von 132 diesen Themengruppen zugehörigen Doubletten (p = 0,02).
Am meisten übertrieben berichten Medien zu Themen der Kategorie 6 (Kosmetische und Abnehm-Interventionen), hier waren beinahe alle Artikel stark verzerrt (97,6%). Allerdings wurden in dieser Themenkategorie nur 9 unterschiedliche Fragestellungen bearbeitet. Im Vergleich zu Themen der Kategorie 6 signifikant seltener berichten Artikeln zu den Themenkategorien 1, 3, 4, 7 (p<0,000) und 8 (p = 0,005) stark verzerrt. Diese Unterschiede zu Themenkategorie 6 blieben auch nach Deduplizierung signifikant (p<0,000 für Themenkategorie 1, p = 0,003 für Themen 3 und 7, p = 0,004 für Thema 4 und p = 0,027 für Thema 8).
Verhältnismäßig wenig stark verzerrt berichten Medienartikel der Kategorie 7 (Sport und Bewegung, Physiotherapie), hier waren 49,2% aller Artikel stark verzerrt.
Diskussion
Unsere Analyse von 990 Medienberichten zeigt, dass österreichische Print- und Online-Medien die Fakten zu 219 gesundheitsbezogenen Fragestellungen überwiegend stark verzerrt wiedergeben. Während knapp zwei Drittel der Medienartikel den Eindruck einer hohen Evidenzlage vermittelt, ist dies in Wirklichkeit nur selten der Fall. Das Ausmaß der Verzerrung unterscheidet sich im Großen und Ganzen nicht zwischen Online- und Print-Medien, selbst wenn Artikel, die wortgleich sowohl in der Print- als auch in der Online-Ausgabe veröffentlicht worden waren, aus der Analyse ausgeschlossen wurden. Dies war unerwartet, da Online-Redaktionen im Vergleich zu Print-Redaktionen aufgrund des höheren Aktualitätsdrucks üblicherweise deutlich weniger Recherchezeit zur Verfügung haben. Lediglich die Online-Ausgabe des „Standard“ berichtet etwas verzerrter als dessen Printausgabe. Insgesamt ist die Berichterstattung der Boulevardmedien etwas verzerrter als die der Qualitätsmedien. Überraschend ist jedoch, dass die Ursache dafür lediglich in der Auswahl der berichteten Themen liegt. Denn Themen, die sowohl Boulevard wie auch Qualitätsmedien aufgreifen, werden von beiden gleich verzerrt berichten. Qualitätsmedien lassen scheinbar bei der Auswahl der Themen für das Gesundheitsressort mehr Vorsicht walten als Boulevardmedien. Interessanterweise sind Fragestellungen in Kurzmeldungen nicht verzerrter dargestellt als in längeren Artikeln, selbst wenn beide dieselbe Thematik behandeln.
Wir vermuten, dass der Grund für die beobachteten geringen Unterschiede darin liegt, dass als primäre Informationsquelle zu Gesundheitsthemen für alle Medien gleichermaßen hauptsächlich Presseaussendungen oder Nachrichtenagenturmeldungen dienen. Das würde dazu führen, dass ein Großteil der Medienberichte zu einem Thema relativ ähnlich in ihrer Aussage ist. Dafür spricht auch, dass eine Deduplizierung durch Ausschluss mehrfach wortgleicher Doubletten das Ergebnis nicht beeinflussen konnte. Bei 68 der 219 Fragestellungen (31%) hat zumindest ein Medienbeitrag eine Nachrichtenagentur als Quelle angegeben. Allerdings geben nicht alle Medienberichte ihre Quellen an. So ist selten transparent ersichtlich, ob die Berichterstattung auf Presseaussendungen spezieller Interessensgruppen wie Unternehmen aus der Gesundheitsbranche beruht. Häufig geben Presseaussendungen die Faktenlage zu wissenschaftlichen Erkenntnissen bereits verzerrt wieder. Dies führt in Folge zu einer verzerrten Berichterstattung in den Medien [
]. Leider war es uns nicht möglich, die unserer Stichprobe zugrundeliegenden Presseaussendungen und Agenturmeldungen zu überprüfen.
Einen großen Einfluss auf die Berichterstattung haben kommerzielle Interessen. Dafür spricht, dass die Berichterstattung zu nicht-regulierten Interventionen wie Nahrungsergänzungsmittel, Kosmetik oder Gewichtsreduktions-Maßnahmen in größerem Ausmaß verzerrt ist als Medienbeiträge über zulassungspflichtige Medikamente und regulierte Interventionen. In der Realität ist die Wirksamkeit nicht-regulierter Interventionen weitaus seltener in qualitativ hochwertigen Studien untersucht als die Wirksamkeit regulierter Interventionen.
Unseres Wissens nach handelt es sich bei unserer Studie um die größte Stichprobenerhebung zu Gesundheitsthemen in Print und Onlinemedien im deutschsprachigen Raum und die bis dato einzige quantitative Bewertung der Abweichung der Aussagen von der wissenschaftlichen Evidenzlage. Weitere Stärken unserer Studie sind die Verwendung von etablierten Methoden wie systematischen Literatursuchen oder GRADE, die im Rahmen der Erstellung von systematischen Übersichtsarbeiten wissenschaftlicher Standard sind. Die hohe Interrater-Korrelation (Spearman's Rho = 0,845) der Bewertung der implizierten Evidenz aller Medienberichte weist auf die Stabilität der Ergebnisse hin.
Limitationen unserer Studie liegen darin, dass zwar die Artikelauswahl zu den behandelten Themen repräsentativ für die österreichische Medienlandschaft ist, nicht aber die Auswahl der 219 behandelten Fragestellungen bzw. Themen. Das Fehlen einer qualitativen Auswertung auf sprachlicher Ebene zusätzlich zur quantitativen Analyse ist ebenfalls zu kritisieren, eine solche hätte sicherlich noch tiefere Erkenntnisse gewährt. Ein weiterer Kritikpunkt ist die subjektive Schätzung der implizierten Evidenz der Medienberichte. Diesem kann allerdings mit einer verblindeten dualen Bewertung und einer hohen Interrater-Übereinstimmung entgegengetreten werden. Die Einschätzung der tatsächlichen Evidenz wurde allerdings nicht von zwei Gutachtern unabhängig voneinander ermittelt, sondern von einem Gutachter anhand modifizierter GRADE-Kriterien eingeschätzt und von einem zweiten Gutachter unabhängig vom ersten nach denselben Kriterien gegengeprüft. Bei unterschiedlicher Einschätzung wurde Einigkeit durch Diskussion beziehungsweise durch eine dritte Person erzielt. Obwohl die Gegenprüfung nicht verblindet erfolgte und keine Werte für die Interrater-Reliabilität erfasst werden konnten, ist unserer Meinung nach durch diesen Prozess dennoch ein ausreichendes Maß an Objektivität und Reliabilität für die Bestimmung der tatsächlichen Evidenz gegeben.
Eine faktentreue, unverzerrte Medienberichterstattung wäre von imminenter Wichtigkeit für die öffentliche Gesundheit, da Print- und Online-Medien wichtige Informationsquellen zu Gesundheitsthemen für Laien darstellen [
]. Wie aber kann die derzeit unzufriedenstellende Situation verbessert werden? Unserer Meinung nach würden zwei zentrale Forderungen zu mehr Qualität im Gesundheitsjournalismus führen: 1) Medizin-JournalistInnen sollten die Aussagen von Presseaussendungen kritisch beurteilen und mithilfe evidenzbasierter Ressourcen prüfen bzw. einordnen. Selbstverständlich ist es Journalisten schon aus zeitlichen Gründen nicht zuzumuten, eine systematische Literatursuche und einen evidenzbasierten Rapid Review durchzuführen. So nahm der Rapid Review-Prozess für die vorliegende Untersuchung pro Fragestellung zumindest zwei bis drei Arbeitstage in Anspruch. Wichtig wäre jedoch, dass JournalistInnen über Grundwissen zur Aussagekraft verschiedener Studiendesigns (Evidenzpyramide) sowie zur Bewertung der Qualität von Einzelstudien verfügen, um die Vertrauenswürdigkeit der Einzelstudien in Presseaussendungen grob beurteilen zu können. Zur Einordnung von Einzelstudien in die Gesamt-Evidenzlage stehen etliche Informationsdienste zur Verfügung, die einen evidenzbasierten Überblick über die derzeitige Studienlage zu vielen Gesundheitsthemen bieten. Neben den kostenpflichten Services UpToDate.com oder Clinical Evidence des British Medical Journals (http://clinicalevidence.bmj.comem) bietet sich auch die Cochrane Library an. Das Deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) bietet mit www.Gesundheitsinformation.de eine wertvolle evidenzbasierte Ressource für Laien. Weitere Beispiele für laiengerecht aufbereitete, evidenzbasierte Infodienste sind www.Igel-Monitor.de für Gesundheitsleistungen, die von den Kassen nicht bezahlt werden sowie www.krebsinformationsdienst.de mit Evidenz zu Themen rund um Krebserkrankungen.
2) Medizin-JournalistInnen sollen ausgewogen und ohne Übertreibung berichten. Einen wesentlichen Anhaltspunkt für eine objektive, ausgewogene Berichterstattung stellt der umfangreiche Kriterienkatalog für qualitative Medizin-Berichterstattung des Projekts www.Medien-Doktor.de des Lehrstuhls für Wissenschaftsjournalismus an der Technischen Universität Dortmund dar.
Danksagung
Wir danken der Bundesgesundheitsagentur sowie dem Niederösterreichischen Gesundheits- und Sozialfonds für die Finanzierung des Projekts Medizin-Transparent.at, sowie Dr. Ursula Griebler für wertvolle und hilfreiche Anmerkungen.
Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.